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Ernst Graf Strachwitz

Von Nikolaus von Preradovic

Der Begründer der „Neuen Ordnung“

Ernst Graf Strachwitz war Begründer der Zeitschrift „Neue Ordnung“ und hat sie bis zu seinem Tode redigiert. In der letzten 1998 erschienenen Nummer der NO veröffentlichte ihr langjähriger Verleger Franz Frank einen ausführlichen Nachruf auf Dr. Ernst Strachwitz, dem er Jahrzehnte in Freundschaft verbunden war. Da diese Nummer nicht mehr an alle Abonnenten gegangen ist, möchten wir an dieser Stelle nochmals der Lebensleistung von Graf Strachwitz gedenken. Der ausführliche Nachruf kann gegen einen Kostenersatz von öS 20,— in Briefmarken jederzeit in Kopie angefordert werden.

Die Familie Strachwitz v. Groß-Zauche und Kaminetz, wie sie vollständig heißt, gehört dem schlesischen Uradel an. Sie läßt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Eintritt der Strachwitz in die Geschichte vollzog sich in einer blutigen Schlacht: 1241, als das Abendland von den Mongolen bedroht war, beschloß die schlesische Ritterschaft unter Herzog Heinrich II., sich dem anstürmenden Heer entgegenzustellen. Die Schlacht auf der Wahlstatt forderte hohen Blutzoll, doch das Vordringen der Mongolen in das Herz des Abendlandes war gebannt. Jene sechs Familien, die Nostitz, Strachwitz, Trittwitz, Rotkirch, Zedlitz und Seidlitz, welche bei diesem Waffengang fast alle Männer und Söhne geopfert hatten, beschlossen, sich fortan „die Vettern von Wahlstatt“ zu nennen. Noch in unserem Jahrhundert, 750 Jahre nach der Schlacht, ließen „die Vettern“ eine Gedenkmünze zur Erinnerung an das schicksalhafte Ereignis prägen.
Im Jahre 1630 kam der Reichs- und erbländisch-österreichische Freiherrenstand an das Geschlecht. Zwei Brüder sind die Erwerber gewesen: Christoph, Administrator des Bistums Breslau, und Maximilian, Landeshauptmann des gleichen Gebietes. Die Familie steuerte der deutschen Entwicklung zahlreiche Persönlichkeiten bei: Hedwig war Äbtissin des Stiftes Liebenthal, Hans ist Landeshauptmann zu Namslau gewesen, Johann Christoph regierte als Kaiserlicher Regierungsrat zu Neyß und Brigitta wirkte als Äbtissin des fürstlichen Stiftes St. Clara zu Breslau. In neuerer Zeit wirkte Moritz Graf Strachwitz, der, wenngleich er nur das Alter von fünfundzwanzig Jahren erreichte, dennoch zu den bekannten deutschen Dichtern zählt. Der Grafenstand des Königreichs Preußen kam 1798 an die Familie. Drei Jahre danach erfolgte die Bestätigung aus Wien, jedoch mit der bemerkenswerten Einschränkung: „Ohne Ansprüche auf Gerechtsame des erbländischen Adels.“
Auch auf dem militärischen Gebiet hat das Geschlecht mancherlei zu bieten! Sieben Mitglieder der Familie sind im Ersten und dreizehn im Zweiten Weltkrieg vor dem Feinde geblieben. In den Jahren 1939 bis 1945 haben drei Strachwitz das Ritterkreuz zum EK erlangt: Ernst Strachwitz, dem dieser Nachruf gewidmet ist, Generalleutnant Freiherr Strachwitz v. Groß-Zauche, der nach jahrelanger Gefangenschaft in der Sowjetunion gestorben ist, und Hyazinth Graf Strachwitz, Generalleutnant der Reserve, Träger des Ritterkreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten, der legendäre „Panzer-Graf“! In der allerneuesten Zeit vertraten zwei Mitglieder des Geschlechts die BRD als Botschafter an wichtigen Auslandsposten.
Ernst Strachwitz erwarb das Ritterkreuz im Oktober 1944, als die Sowjets ihren lange vorbereiteten Großangriff an der Eismeerfront begangen. Mit einer Handvoll Freiwilligen gelang es Hauptmann Strachwitz in zweimaligen Gegenstößen die Russen zu werfen und zwei Tage lang die wichtige Brücke über die Titowka gegen unaufhörliche Angriffe zuhalten. Nur dadurch war es der Division möglich, den Hauptverbandsplatz zu evakuieren und ihre Geschütze und Versorgungsgüter zu retten. Letztlich trug Strachwitz’ Tat wesentlich dazu bei, den Plan der Sowjets zunichte zu machen, der einen raschen Vorstoß und sodann die Einschließung der zwölf deutschen Divisionen der Eismeerfront vorsah.
Des Verstorbenen Urgroßvater – Ernst Strachwitz, 1819–1873 – brachte es zum Kgl. Preußischen Kreisgerichtsrat. Er gehörte dem Akademischen Corps Borussia zu Bonn an, der nach Meinung vieler feudalsten Korporation des Königsreichs Preußen. Dieser hatte einen Sohn Carl, der 1859 in der Kolonie Neudorf bei Petersdorf in Schlesien geboren wurde und in der Hauptstadt des Herzogtums, in Breslau, 1917 verstarb. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Carl Strachwitz in der Steiermark. Er bezeichnete sich als Landwirt und lebte hier in bedeutend einfacheren Verhältnissen als dies seine Vorfahren in Schlesien getan hatten. Er bewirtschaftete einen Bauernhof mit einem originellen Wohnhaus in der Schanzlgasse 56, nördlich des St. Leonhardplatzes in Graz. Heute steht dort ein Hochhaus. Dieser Carl Strachwitz verfügte über vier Söhne und zwei Töchter. Einer von diesen Söhnen, Norbert (1893 – 1968), hat sich desgleichen der Landwirtschaft gewidmet. Er vermählte sich mit einer Bauerntochter und ist Vater von vier Kindern, darunter Ernst Strachwitz d.J., geworden. Um deren Erziehung kümmerten sich bald die beiden unverheiratet gebliebenen Tanten, die ihn auf das Akademische Gymnasium am Tummelplatz schickten. Bereits in früher Jugend war er politisch engagiert. Seit der Gründung der österreichischen Staatsjugend war er Kompanieführer des Jungvolks. Nach dem Anschluß an das Dritte Reich wurde Strachwitz sofort verhaftet und einige Zeit arretiert. Später meldete er sich zur Luftwaffe. Dort wurde er – aus welchen Gründen auch immer – nicht angenommen. So kam er zu der Gebirgstruppe. Ernst Strachwitz hat sich als Soldat bewährt. Innerhalb von sechs Jahren ist er vom Rekruten zum Major und Kommandeur einer Kampftruppe aufgestiegen. Am 26. November 1944 ist Ernst Strachwitz, wie berichtet, mit dem Ritterkreuz zum EK ausgezeichnet worden. Er diente damals als Hauptmann und Führer des II. Bataillons des Geb.-Jäger-Regiment 137. Nach der Kapitulation gelang es ihm, sich bis nach Graz durchzuschlagen.
Dort begann er das Studium der Rechte und wurde noch als Student Gründer und Obmann der „Heimkehrer-Hilfs- und Betreuungsstelle“, die sich der ÖVP zugehörig fühlte und eine Anlaufstelle für aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrende Soldaten war. Im Zuge der „Soucek-Affaire“ wurde Strachwitz auf Grund der Denuntiation eines Heimwehr- und Offizierskameraden verhaftet. (Ähnlich wie der spätere sozialistische Innenminister Rösch, der eine den der Sozialisten zugehörige Heimkehrer-Betreuung leitete.) Nach einigen Monaten Untersuchungshaft wurde Strachwitz freilich wieder auf freien Fuß gesetzt.
Anno 1949 kam es zu noch immer nicht freien Wahlen, denn die sogenannten Schwerbelasteten – vom Sturm- oder Ortsgruppenführer aufwärts – blieben weiterhin ausgeschlossen. Es handelte sich um 40.000 Einzelpersonen! Neben den bisher zugelassenen Parteien, ÖVP, SPÖ, KPÖ, bildete sich eine weitere Gruppe unter dem Namen Verband der Unabhängigen (VdU). Diese neue Partei konnte als Generalsekretär den Brillantenflieger Gordon Gollob, zuletzt General der Jagdflieger, gewinnen.
Strachwitz hatte damals im Rahmen der ÖVP die „Junge Front“ gegründet, die sich bemühte, die Gegensätze von einst abzubauen und neben den ehemaligen Frontsoldaten auch Leute des Widerstands, wie Franz Frank oder Dr. Wilfried Gredler zu integrieren. Als Repräsentant der „Jungen Front“ wurde Strachwitz in den Nationalrat gewählt, doch überwarf er sich bald mit der damaligen ÖVP-Führung. Der folgende Versuch einer Kooperation zwischen seiner Bewegung und dem VdU blieb allerdings ohne Erfolg.
Nach diesem Zwischenspiel widmete er sich vor allem seinem Anwaltsberuf. Er muß ein erfolgreicher Verteidiger gewesen sein, denn die Zehnzimmer-Wohnung mit Kanzlei in der Wiener Innenstadt und später das prächtige Herrenhaus in der Prein zeugten von beruflichen Erfolgen. Es ging die Rede, er habe aus seiner politischen Zeit gute Verbindungen zu einigen der großen Textilhäuser Vorarlbergs gepflegt. Jedenfalls hatte er an dem Hause Mahlergasse 11 kein Schild: „Rechtsanwalt“ usw. Als ich bei meinem ersten Besuch die Sekretärin darauf ansprach, erwiderte sie nur: „So etwas haben wir nicht nötig.“
Neben seinem eigentlichen Beruf war Ernst Strachwitz auch publizistisch tätig und das über Jahrzehnte. Aus seiner Politikerzeit nahm er in seinen neuen Beruf eine Zeitschrift mit: „Die Aktion“. Ab dem Jahre 1958 ist das Organ in „Neue Ordnung“ umbenannt worden.
Diese beiden Veröffentlichungsorgane hielten stets ihren Kurs Mitte-Rechts, sein Ziel blieb es stets, die geistige und politische Annäherung der bodenständigen Teile der Bevölkerung, der konservativen, christlichen, freiheitlichen und nationalen Strömungen zu befördern.
Ernst Strachwitz hat drei genau von einander abgesetzte Laufbahnen beschritten. Er stieg innerhalb von sechs Jahren vom Rekruten zum Major, Kampfgruppenkommandeur und Ritterkreuzträger auf.
Er war mit 29 Jahren Nationalrat der ÖVP, Führer der Jungen Front, Präsident des Heimkehrerbundes und des Alpenvereins. Zuletzt ist er als Rechtsanwalt offensichtlich tüchtig gewesen.
Ernst Strachwitz war ein erfolgreicher und nicht ganz einfacher Mann. Vor allem aber ist er ein treuer Freund und Kamerad gewesen.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com