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Die Volksdeutschen in Kroatien, Serbien und Slowenien

Von Markus Gerhard Freilinger

Die Bannung der Türkengefahr im ausgehenden 17. Jahrhundert war für das Haus Habsburg von entscheidender Bedeutung. Das allgemeine Aufatmen war groß, als sich abzeichnete, daß der türkische Expansionsdrang endgültig gebrochen war. Insbesondere Wien profitierte von dem habsburgischen Sieg in der Schlacht am Kahlenberg im Jahre 1683. Die Stadt konnte sich von nun ohne eine direkte Bedrohung durch die Türken entwickeln. Viele Deutsche wanderten in der Folge in die Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens ein. Die wechselvolle Geschichte der Volksdeutschen in diesen Gebieten endete für viele gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mit Tod, Flucht und Enteignung.

Vor den Stadtmauern Wiens befanden sich gegen Ende des 17. Jahrhundert zumeist sumpfige Wiesen. Auf einer solchen Wiese in der Rosau ließ Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein ab 1692 das Gartenpalais Liechtenstein errichten, in dem sich die fürstliche Sammlung befindet. Nach dessen Restaurierung ist diese Sammlung seit dem März 2004 wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Nicht nur Wien erlebte nach dem Ende der Türkenbedrohung einen gewaltigen Aufschwung. Dadurch, daß die Osmanen immer weiter zurückgedrängt werden konnten, wurde immer mehr Land frei, das es zu kolonialisieren galt. Wien wurde so zum Ausgangspunkt eines politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus, der bis tief in den ungarischen Raum hineinreichte. Den ungarischen Landständen gelang es, Kaiser Karl VI. davon zu überzeugen, mit einer Steuerbefreiung von sechs Jahren einen Anreiz für Neuansiedler zu schaffen, sich in den von den Osmanen befreiten Gebieten niederzulassen. Die 150.000 Deutschen, die im 18. Jahrhundert nach Ungarn einwanderten, sind dazu aufgefordert worden! Sie machten das Land als Bauern für ihre ungarischen Grundherren wieder urbar. Besonders die Anfänge der Kolonisation waren hart. In der sumpfigen Tiefebene und in den Bergwerken mußten die Kolonisten unter sehr harten Lebensbedingungen leben. Dennoch gelang es ihnen innerhalb von wenigen Generationen, aus der pannonischen Tiefebene die Kornkammer der Donaumonarchie zu machen. Die Bergwerker standen ihnen in nichts nach. Die darniederliegenden Kupfer-, Eisen- und Silberbergwerke nahmen ihren Betrieb rasch wieder auf. Die Spezialisten aus dem Böhmerwald, Tirol und der Steiermark schufen die größte Hütten- und Industrieregion Südosteuropas im 19. Jahrhundert. Die Kolonisten entwickelten untereinander allerdings kaum ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie pflegten auch nach Generationen immer noch voller Stolz die Traditionen ihrer Vorfahren. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte sich nur innerhalb der Dorfgemeinschaften, nicht aber darüber hinaus. Noch eine Gefahr bahnte sich bereits damals an: Die gebildeten Deutschen, die in der Stadt lebten, hatten mit ihren bäuerlichen Volksgenossen nur wenig gemein. Sie orientierten sich an der ungarischen Elite und wurden schließlich von den Magyaren assimiliert.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Staatsgebiet des ehemaligen Ungarn mehr als halbiert. Der Balkan wurde neu geordnet. Am 1. Dezember 1918 verkündete Alexander Karadjordjevic als Prinzregent das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen („Kraljevina SHS“). Kroaten und Slowenen wollten sich den zentralistischen Ambitionen der Serben allerdings nicht anschließen. Schwierigkeiten erwuchsen weiter aus der Tatsache, daß die Serben orthodox waren, während die Kroaten größtenteils römisch-katholisch und kulturell westlich ausgerichtet waren. Die Zersplitterung der Parteien verhinderte eine stabile Regierung. 1929 löste der König das Parlament auf und führte ein diktatorisches Regime ein. 1931 gab er dem Land als „Königreich Jugoslawien“ eine neue Verfassung; 1934 wurde er bei einem Besuch in Marseille ermordet, sein Nachfolger wurde Prinz Paul Karadjordjevic.

Die Vorgeschichte der Vertreibung

In dem neugeschaffenen Kunststaat „SHS“ bzw. dem Königreich Jugoslawien lebten mit einer halben Million Menschen ca. ein Drittel der Donauschwaben. Der Rest lebte jeweils zu gleichen Teilen in Ungarn und Rumänien. Wie anderswo auch wurde im Fall Jugoslawiens die Idee des amerikanischen Präsidenten Wilson vom Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht umgesetzt. Jugoslawien hatte als Voraussetzung für seine völkerrechtliche Anerkennung einen weitreichenden Schutz der nationalen Minderheiten garantieren müssen. Das anfängliche Entgegenkommen, das ein deutsches Pressewesen, eine eigene deutsche Partei oder einen „Schwäbisch-Deutschen Kulturbund“ ermöglicht hatte, schwand freilich im Laufe weniger Jahre. Es erfolgte weder eine verfassungsmäßige Verankerung noch eine internationale Kontrolle des Minderheitenschutzes. Deutsche Organisationen wurden mehrfach verboten; zusätzlich litt die Volksgruppe an der restriktiven Schulpolitik Belgrads. Als die internationale Position Deutschlands aufgrund der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 stärker wurde, verbesserte sich die Lage der Donauschwaben. Allerdings trat 1939 ein Generationenwechsel in der Vertretung der Volksgruppe ein. Die alten Funktionäre wurden durch die vom nationalsozialistischen Gedankengut beeinflußte und von Berlin aus geförderte „Erneuerungsbewegung“ abgelöst. Es gab allerdings auch eine starke Opposition um den katholischen Pfarrer Adam Berenz und seiner Wochenzeitung „Die Donau“, die von 1935–1944 neben dem „Volksruf“, dem Organ der von Berlin beeinflußten Donauschwaben, erschien. Viele Donauschwaben standen den Nationalsozialisten sehr skeptisch gegenüber. Nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad versuchte der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, Soldaten unter den Volksdeutschen zu rekrutieren. In den folgenden Jahren führte Deutschland Verhandlungen mit Ungarn, Kroatien und Rumänien, um ein Abkommen abzuschließen, das die Einberufung deutschstämmiger Bürger zur Wehrmacht bzw. zur Waffen-SS ermöglichen sollte. Um den Schein zu wahren, deklarierte die SS-Führung die Rekrutierungen als „Freiwilligen-Aktionen“. Dieser Umstand schadet den Volksdeutschen bis heute, da diese Aktionen immer wieder negativ gegen sie gewendet werden. Niemand fragt allerdings danach, ob diese jungen, oft blutjungen Burschen damals wirklich gefragt worden waren oder ob sie überhaupt eine Wahl hatten!
In der Diskussion spielen die Fragen, aus welchen Gründen die Donauschwaben – wie andere Volksdeutsche auch – zum Teil Anhänger der Nationalsozialisten waren bzw. die Frage, was sich nach dem Ersten Weltkrieg in diesen Ländern abgespielt hat, kaum eine Rolle. Das ist zu bedauern, denn die AVNOJ-Bestimmungen und die mit ihnen verbundene totale Entrechtung der Donauschwaben bis hin zu Zwangsarbeit und Vernichtung in Konzentrationslagern werden stets mit dem Trauma, das die „Jugoslawen“ während des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, „gerechtfertigt“. „AVNOJ“ ist die serbokroatisch Abkürzung für „Antifaschistischer Rat für die Volksbefreiung Jugoslawiens“. Dieser Rat setzte sich aus den Partisanen der verschiedenen jugoslawischen Völker zusammen und stellte eine Art Regierung dar. Wichtigste Persönlichkeit im AVNOJ war der spätere Präsident Jugoslawiens, Josip Tito. Der AVNOJ faßte zahlreiche Beschlüsse. Die deutschsprachige Bevölkerung Jugoslawiens wurde kollektiv beschuldigt, mit dem Feind (dem nationalsozialistischen Deutschland) zusammengearbeitet zu haben. Den Volksdeutschen wurde deshalb die jugoslawische Staatsbürgerschaft aberkannt; ihr persönliches Vermögen wurde entschädigungslos enteignet. Daß die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg für die Volksdeutschen traumatisch war und viele durch das erstarkte Deutschland eine Verbesserung ihrer lebensbedrohlichen Situation sahen, wird freilich nie „kritisch“ beleuchtet. Man hat oft im Gegenteil den Eindruck, die Geschichte begönne überhaupt erst 1933. Was den Donauschwaben ab Herbst 1944 angetan wurde, war schlimm. Während die meisten der rund 500.000 Jugoslawiendeutschen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges flohen, blieben rund 200.000 aus verschiedenen Gründen, trotz der drohenden Gefahr in ihrer Heimat. Nach dem Abzug der deutschen Wehrmacht waren sie dem unmittelbaren Zugriff der Tito-Partisanen ausgesetzt, wobei es vielerorts zu grausamen Massakern kam. Rasch wurde nahezu die gesamte verbliebene deutsche Minderheit in Konzentrationslager gesperrt.
64.000 Volksdeutsche, also fast ein Drittel der Heimatverbliebenen, überlebten die Ausschreitungen und Massenerschießungen der Partisanen sowie die Lagerhaft nicht. Selbstverständlich wurde auch das gesamte Vermögen der deutschen Volksgruppe vom Staat beschlagnahmt. Die Namen aller Toten sind seit einigen Monaten unter der   www.totenbuch-donauschwaben.at abrufbar. Ins Weltnetz gestellt wurden sie von der Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft (DAG), dem bundesweiten Verband der Donauschwaben in Österreich.

Positive Entwicklung in Serbien

Nach Auflösung der Lager versuchten viele Donauschwaben aus Jugoslawien auszuwandern, 1971 bekannten sich nurmehr 12.300 jugoslawische Bürger zur deutschen Volksgruppe. Der heutige offizielle Stand in Serbien-Montenegro liegt nach der Volkszählung von 2002 bei ganzen 3.901 Personen. Dies hängt aber auch mit einer immer noch verbreiteten Angst zusammen, sich zu den deutschen Wurzeln zu bekennen. Die Minderheit selbst schätzt, daß die tatsächliche Zahl der Deutschen rund dreimal so hoch ist. Mit dem im Jahr 2002 verabschiedeten Minderheitengesetz sind die Deutschen Serbiens als autochthone Minderheit anerkannt, der auch gewisse Rechte eingeräumt werden. Die Avnoj-Bestimmungen und ihre Folgegesetze haben aber weiterhin Geltung, wodurch die deutsche Volksgruppe teilweise vom Restitutionsprogramm ausgeschlossen ist.
Die meisten Deutschen sind in der Vojvodina zuhause, wo nun auch ein von der Bundesrepublik Deutschland finanziertes „Deutsches Haus“ eröffnet wurde. Berührungsängste mit den Resten der deutschen Minderheit gibt es in Serbien nicht. Zur Eröffnung des in Subotica, dem früheren Maria-Theresiopel errichteten Hauses, waren außer dem Bürgermeister auch der Vizepräsident des Parlaments der Vojvodina und der stellvertretende serbische Kulturminister erschienen. Eingeweiht wurde das Haus vom katholischen, evangelischen und orthodoxen Bischof gemeinsam, neben Vertretern der in der Vojvodina starken ungarischen Minderheit hatte auch die jüdische Gemeinde einen Vertreter entsandt. Mit Hilfe des Landes Südtirol und der österreichischen Landsmannschaft wird in dem als Kulturzentrum dienenden Haus nun auch ein Kindergarten eingerichtet.
Ebenso existiert seit wenigen Monaten in Serbien eine Gedenkstätte für die ermordeten Volksdeutschen: Im heutigen serbischen Gakowa (Gakovo) wurde am 22. Mai dieses Jahres im einstigen Todeslager ein sechs Meter hohes Großkreuz errichtet. Die Donauschwaben können nun endlich  ihrer Toten in würdiger Form gedenken. Inzwischen hat sich in der Erlebnisgeneration ein Erinnerungstourismus entwickelt. Zahlreiche Begegnungen mit der serbischen Bevölkerung kommen zustande. In einem politisch nicht sehr stabilen Land bemühen sich die politischen Vertreter redlich um eine Bewältigung der Vergangenheit.
Rudolf Reimann, der Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben, betonte in seiner Eröffnungsrede: „Wir wissen, daß die Menschen, die hier leben, nicht für die grausamen Geschehnisse verantwortlich sind. Sie können nichts dafür. Und sie haben uns die Hand gereicht. Sie sind unserer Bitte nachgekommen, hier am Massengrab eine Gedenkstätte für unsere Toten zu errichten. […] Dafür danken wir den Bürgern dieser Gemeinde und dem Herrn Bürgermeister Momir Lalic.“
Lalic ist es, der sich sehr darum bemüht, daß in Gakowa auch wieder in deutscher Sprache unterrichtet wird. Dies ist bis heute der Knackpunkt der Frage, ob es weiterhin Deutsche geben wird, die auch deutsch sprechen, weil sie in der Schule Deutsch lernen, oder nicht. Da Deutsch als Handelssprache immer wichtiger wird, deutet einiges auf eine Verbesserung hin. Derzeit ist es in Nordserbien freilich noch so, daß die Deutschen in eine ungarische Schule gehen und sich auf ungarisch unterhalten, obwohl sie im örtlichen Donauschwabenverein tätig sind. Warum sie das tun? Die Antwort ist so einfach wie verblüffend: aus Protest gegen alles Serbische.

Musterbeispiel Kroatien

In der Republik Kroatien bekennen sich 2.800 Personen zur deutschen Minderheit, die seit der kroatischen Unabhängigkeit ein reges Vereinsleben entwickelte. Das kulturelle Zentrum der Deutschen ist Esseg/Osijek in Slawonien. Hier gibt es mittlerweile eine Volksschule mit Deutschunterricht. Die Minderheit ist als autochthone Volksgruppe anerkannt und hat sogar das Recht, einen eigenen Minderheitenvertreter ins Parlament zu entsenden. Im Sommer 2002 wurde vom kroatischen Parlament auch ein novelliertes Entschädigungsgesetz verabschiedet, das nicht nur der deutschen Minderheit, sondern auch den nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem kroatischen Staatsgebiet vertriebenen Donauschwaben eine Entschädigung in Aussicht stellt.
Als am 23. November 2003 in Kroatien die Parlamentswahlen stattfanden, errang der Vorsitzende der kroatischen Donauschwaben, Nikolaus Mak, ausgerechnet dasjenige Mandat, das der HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) unter Premier Ivo Sanader die parlamentarische Mehrheit sichert. Mak selber saß in einem „antifaschistischen“ Todeslager. Er verlor dort seinen Vater und seinen Bruder. Mit weltweiter Unterstützung aus dem Lager der Donauschwaben setzt sich Mak für die Aufhebung der AVNOJ-Bestimmungen und für Wiedergutmachungsleistungen auch an Deutsche ein. Besonders weit gediehen sind die bilateralen Verhandlungen über Entschädigungszahlungen zwischen Kroatien und Österreich. Thomas Buchsbaum, Leiter der Auslandsösterreicher-Abteilung im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, setzt sich massiv für den Fortgang dieser Gespräche ein. Das sehr positive Gesprächsklima zwischen Kroatien und den Donauschwaben wurde auch jüngst wieder bewiesen, als der Präsident des kroatischen Parlaments, Vladimir Šeks, im Rahmen seines ersten offiziellen Auslandsbesuches, der ihn nach Österreich führte, im März 2004 auch das Haus der Heimat, das Begegnungszentrum der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, besuchte. Bereits vergangenes Jahr wurde im Todeslager Walpach (Valpovo), das heute auf kroatischem Boden liegt, eine Gedenkstätte von den Donauschwaben eingeweiht.

Markus Gerhard Freilinger ist Journalist und derzeit Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ).
Kontakt: Haus der Heimat, Steingasse 25, 1030 Wien.

Adressen:
Kroatien: Volksdeutsche Gemeinschaft – Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, Vorsitzender: Nikolaus Mak, PF 110, 31000 Osijek, rtrisler@vip.hr
Österreich: Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft, Haus der Heimat, Steingasse 25, 1030 Wien, (01) 718 59 58, www.vloe.at
Serbien: Deutscher Volksverband, Vorsitzender: Rudolf Weiss, Trg Lazara Nešica 10/VI, SRG-2400 Subotica, Tel.: (00381/24) 243 43 24  www.dvvstimme.org.yu

 
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