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Der Fall Kampl und der Fall Grimburg

Von Wolfgang Dvorak-Stocker

Bundesrat Siegfried Kampl hat unter anderem mit seiner Behauptung, Deserteure seien „teilweise Kameradenmörder“ gewesen, für große Aufregung gesorgt. Was in den Medien nicht berichtet wurde, ist, daß Kampl sich dabei auf das Schicksal seines Onkels bezog, der gemeinsam mit seinen Kameraden von Deserteuren ermordet worden war. Auch wenn solches selten vorgekommen ist, gab es doch etliche Fälle. Die „Neue Ordnung“ kann dabei auf ein Verbrechen verweisen, der in dieser Zeitschrift schon 1972/73 ausführlich abgehandelt wurde:
In der Nacht der Kapitulation vom 8. auf den 9. Mai 1945 desertierten in Signatalen/Norwegen Soldaten und Unteroffiziere einer Artillerie-Batterie unter Führung eines gewissen Wilhelm Grimburg. Grimburg war selbst Offiziersanwärter gewesen und mehrfach als ungeeignet beurteilt, aber aufgrund von Interventionen verschiedener NS-Parteistellen ebenso oft zu anderen Abteilungen versetzt und wieder als Offiziersanwärter eingestuft worden. Noch Ende 1944 hat er das Eiserne Kreuz erhalten und war bis zum Kriegsende im Kameradenkreis nicht durch Widerstandshandlungen oder Systemopposition aufgefallen.
In dieser Nacht der Kapitulation machten offenbar Gerüchte die Runde, die Wehrmachtseinheiten würden, wenn die Sowjets ihren Vormarsch gegen Norwegen fortsetzten, erneut zum Einsatz kommen. Daraufhin erschoß Grimburg seinen Batteriechef, Hauptmann Sornberger, im Schlaf aus nächster Nähe und tötete auch den in einem anderen Raum schlafenden Leutnant Kuhn in dessen Bett. Sodann nahm Grimburg die Dienstgradabzeichen des Hauptmanns an sich und führte den meuternden Teil der Batterie nach Schweden. Ein Teil der Deserteure wurde jedoch noch auf dem Weg verhaftet und vor ein Kriegsgericht der 6. Gebirgsdivision gestellt. Dieses verurteilte die Hauptverschwörer zum Tode, was das zuständige englische Kommando in Tromsö bestätigte, worauf die bereits gefangenen Unteroffiziere erschossen wurden. Die Engländer selbst forderten daraufhin die Auslieferung Grimburgs und seiner Genossen von Schweden. Doch der damals in Schweden emigrierte Dr. Bruno Kreisky setzte sich für Grimburg ein und verhinderte mit Hilfe des sozialistischen Innenministers die Auslieferung des Deserteurs.
Am 21. Dezember 1945 wurde schließlich in Österreich ein Bundesgesetz zur Einstellung von Strafverfahren und Nachsicht von Strafen für Kämpfer gegen Nationalsozialismus und Faschismus beschlossen. Personen, die zur Unterstützung des österreichischen Freiheitskampfes strafbare Handlungen begangen hatten, wurden straffrei gestellt. Man mag sich fragen, in welchem Zusammenhang die Ermorderung zweier schlafender Offiziere im nördlichen Norwegen mit der Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich gestanden hat. Dennoch fiel Wilhelm Grimburg nach Ansicht der österreichischen Justiz unter die entsprechende Amnestie, konnte unbehelligt nach Österreich zurückkehren, sein Studium abschließen und schließlich Karriere als Ministerialrat und Sektionschef im Wissenschaftsministerium unter Hertha Firnberg machen.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com