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Vom Polytheismus zum Atheismus­

Von Univ.-Prof. Jost Bauch

Die Säkularisierung des Abendlandes in soziologischer Perspektive

Der große evangelische Theologe Heinz Zahrnt hat in seinem 1970 veröffentlichten Buch „Gott kann nicht sterben“ auf drei Hauptphasen der Religionsentwicklung aufmerksam gemacht. Er unterscheidet die polytheistische Phase der Naturreligionen
vom Monotheismus der Hochreligionen und dem Atheismus des gegenwärtigen Zeitalters. Das Christentum erscheint so als Zwischenphase zwischen Polytheismus und Atheismus. Somit scheint es ein Stadiengesetz der Entleerung dieser Welt von
Gott zu geben: Erst sterben die vielen Götter der Naturreligionen und werden durch den einen Gott ersetzt, dann stirbt dieser und macht einer gottlosen säkularisierten, auf Immanenz orientierten Gesellschaft Platz. Offensichtlich enthält das Christentum
im besonderen alle Keime seiner Überwindung und der Abkehr der Gläubigen in sich, wie bereits Hegel als einer der ersten bemerkt hat. Auch Max Weber kommt zu dem Schluß, daß die Religion durch eigene Rationalisierung sich selbst einen
tragischen Untergang bereite. Sie habe dem „okzidentalen Rationalismus“ die Starthilfe gegeben und werde, wenn die moderne säkularisierte Gesellschaft einmal etabliert ist, nicht länger in Anspruch genommen.

Die Säkularisierung im christlich geprägten Kulturraum geht mittlerweile so weit, daß selbst die Theologie die „Gott ist tot“-Hypothese übernommen hat und eine Theologie ohne Gott propagiert. Diese gottlose Theologie feierte insbesondere in den 1970er Jahren besonders in der evangelischen Kirche wahre theoriebasierte Feste, auch wenn Heinz Zahrnt und andere auf die Absurdität dieses Unterfangens aufmerksam machten: „Der entscheidende Fehler der Gott-ist-tot-Theologen besteht darin, daß sie eine noetische (erkenntnistheoretische) Aussage über Gott in eine ontologische (seinsphilosophische) umbuchen. Weil sie Gottes Lebendigkeit und Anwesenheit nicht mehr erfahren, darum erklären sie ihn für abwesend und tot. Ihre Erfahrung ist verständlich, der Schluß aber, den sie daraus ziehen, nicht logisch zwingend. Löscht denn einer, wenn er die Augen schließt, damit die Sonne aus?“ (S. 55) Nach Zahrnt ist ein „partieller Atheismus“ im Christentum angelegt: Schon in den beiden Schöpfungsgeschichten des Alten Testaments ist der Grund zur Verweltlichung der Welt gelegt: Gott hat die Welt als Saekulum geschaffen und damit die Entzauberung der Natur selbst gestiftet. Überdies hat er den Menschen in diese Welt gesetzt mit dem Auftrag, sich dieser Welt zu bemächtigen, sich die Natur untertan zu machen. Der Schöpfungsbericht der Genesis erscheint als „atheistische Propaganda“.­Die Fragestellung von Zahrnt aufgreifend, möchte ich im folgenden drei speziellen Fragestellungen nachgehen:­1) Wie kommt es, daß insbesondere im Christentum der oben beschriebene Säkularisierungstrend so manifest ist? Wir finden in anderen Weltreligionen nichts Vergleichbares. Dabei ist insbesondere aufzuzeigen, daß die moderne westliche Säkularkultur nichts Eigenständiges darstellt. Alle unsere Vorstellungen von Demokratie, von wissenschaftlich-technischer Zivilisation, vom Wohlfahrtsstaat sind Emanationen und Weiterentwicklungen unter anderen Vorzeichen von religiösen, christlichen Glaubensinhalten und Denkfiguren. Die Säkularisierung folgt trotz ihrer vordergründigen Abwendung vom Religiösen dem Rahmen ihres Ursprungs. Müller-Armack schrieb dazu: „Die Daseinsmacht des Religiösen umfaßt so auch noch den Glaubensabfall und die in ihm freigesetzte Welt irdischer Kultur. Die Welt ist nicht mehr religiös, aber ihr Ablauf liegt noch in der Sinnlogik des Religiösen.“ (S. 56) Wie auch Carl Schmitt feststellte, sind alle juristischen Begriffe säkularisierte theologische Begriffe, der verweltlichte Säkularraum der Moderne ist ohne diese religiöse und theologische Basierung überhaupt nicht zu verstehen. Insofern ist die weltliche, materialistische Vorstellung von dieser Welt kein Gegenentwurf zur religiösen Welterfahrung, sie ist lediglich deren teilweise versimplifizierte Verlängerung. In den evolutionären Errungenschaften der Moderne steckt mehr Christentum, als viele glauben, und damit wäre eine wirklich zu Ende gedachte Säkularisation des Abendlandes das Ende eben dieses Abendlandes mit seinem spezifischen Entwurf von Zivilisation. Im Rahmen der Säkularisierungsdebatte stehen wir vor der Alternative der Selbstaufgabe oder aber der Rückbesinnung auf unsere christlichen Quellen. Ohne die Inanspruchnahme dieser Quellen, so die These, ist die westliche Zivilisation nicht zu verteidigen. Ich folge hierbei der Gedankenführung von Alfred Müller-Armack, wie er sie in seinem viel zu wenig wahrgenommenem Buch „Das Jahrhundert ohne Gott“ entfaltet hat.­2) Als Soziologe frage ich natürlich nach den gesellschaftlichen Ursachen der Säkularisation des westlichen Kulturraumes und finde diese im Wandel der gesellschaftlichen Differenzierungsform. Den großen Epocheneinteilungen der religiösen Ausdrucksformen Polytheismus, Monotheismus und Atheismus entspricht in bestechender zeitlicher Übereinstimmung die Unterscheidung von segmentär, hierarchisch und funktional differenzierten Gesellschaften. Segmentär differenzierte Gesellschaften neigen zum Polytheismus, hierarchisch strukturierte Gesellschaften mit der Entwicklung der Hochkulturen entwickeln den Monotheismus und moderne, funktional differenzierte Gesellschaften entwickeln einen Hang zum Atheismus. Die Welt wird entgöttert, weil Gott nur einem Funktionssystem, dem Religionssystem, zugeschlagen wird. Religion ist nicht mehr die Mutter alles Seins, sie mutiert zum Operationsmodus des Prozessierens eines gesellschaftlichen Teilsystems, das sich auf Fragen des „Border Crossings“ von Transzendenz und Immanenz spezialisiert hat. „Die Rückbindung des Unbezeichenbaren an das Bezeichenbare – das ist, in welcher kulturellen Ausformung auch immer, im weitesten Sinne religo.“ (Luhmann, S. 232) Wichtig ist: In modernen, funktional differenzierten Gesellschaften dienten Religion und religiöse Kommunikation nicht mehr der Erzeugung einer gesellschaftlichen Einheit (durch eine Einheitssemantik); religiöse Kommunikation wird vielmehr in ein spezialisiertes System abgedrängt, sie ist nicht mehr Basis- und Grundkommunikation, auf die man alle Gesellschaftsmitglieder verpflichten kann, sie ist Spezialkommunikation mit optionalem Zugriff. (Junge, S. 193)­3) Zum Dritten frage ich im Zusammenhang mit Samuel Huntingtons These vom „Kampf der Kulturen“, wie und ob der Westen angesichts der Säkularisierung mit der „islamischen Herausforderung“ fertigwerden kann. Ist dazu eine „Resakralisierung“ des Westens in welcher Form auch immer notwendig? Führt die weitere Entwicklung einer religiösen Beliebigkeitskultur im Westen notwendigerweise zu einer Dominanz des Islam auch in Europa? Gelingt auch so etwas wie eine „Verweltlichung“ des Islam durch den Kontakt mit dem Westen und den Modernisierungsschüben in den Ländern des Islam selbst? Fragen, die andiskutiert, aber an dieser Stelle natürlich nicht erschöpfend beantwortet werden können.

­Der Säkularisierungstrend im Christentum

­Zunächst widmen wir uns also der Frage, warum gerade das Christentum von einem solchen heftigen Säkularisierungsschub erfaßt wurde und wie im einzelnen im christlich geprägten Kulturraum die Beziehung von Religion und „verweltlichter Welt“ zu sehen ist. Säkularisierung kann in dem uns hier interessierenden Zusammenhang als „Verweltlichung“ verstanden werden.­Wenn wir uns dem historischen Prozeß der Säkularisierung zuwenden, so müssen wir feststellen, daß in allen vorchristlichen Perioden des Polytheismus, des Animismus und der Magie die Welt insgesamt und völlig von der Sakralsphäre durchsetzt war. Es gab keine innerweltliche Kulturform. Einzig für die griechisch-römische Antike könnte ansatzweise der Anspruch gelten, eine nur vom Menschen und nicht von der Transzendenz her verweltlichte Kulturform entworfen zu haben. Allerdings sind sich die Forscher nicht einig. Forscher wie Rhode und Bachofen haben wohl zu Recht den kultischen Hintergrund des Griechentums und auch der römischen Kultur betont und ausgewiesen. Jedenfalls umgrenzt die von der weströmischen Tradition ausgehende und im Mittelalter vom Katholizismus umschlossene Zone Mittel- und Westeuropas jenen Bereich, in dem das Phänomen rein irdischer Kultur überhaupt möglich wurde. Müller-Armack schreibt dazu: „Die reich differenzierte Weltkultur, durch die Europa seine universalistische Sonderstellung errang, ist nicht erst am Beginn der Neuzeit durch eine Beseitigung der religiösen Bindungen entstanden. Sie entfaltete sich bereits im Mittelalter, nicht als Antagonismus, sondern als reife Frucht der metaphysischen Haltung, die das Christentum heraufführte.“ (S. 28) Gegenüber polytheistischen Religionsformen, die wegen der einfachen Anschaulichkeit der Götter nie abstrakt-theoretisches Denken entwickelt haben, machte der eine metaphysische Gott abstrahierendes Denken erforderlich. Insbesondere die mittelalterliche Scholastik mit der Entfaltung der christlichen Dogmatik kann als durchgängiger theoriebasierter Weltentwurf gelten, als der Natur, dem sozialen Leben, dem Staat und der Wirtschaft ein jeweils bestimmter Standort im Universum im Sinne des dogmatischen Ordo-Gedankens zugewiesen wurde. Es entstand eine spekulativ-abstrakte, auf das Ganze des Kosmos gerichtete Denkform, auf deren Basis es zu einer universalgerichteten und rational-theoretischen Wissenschaft gekommen ist. Wissenschaft, so Müller-Armack, ist somit kein Gegenentwurf zur Religion, sie findet ihren Ursprung in den christlich-metaphysischen Denkformen.­Eine erste Säkularisierungswelle können wir noch innerhalb des Katholizismus in der Renaissance erkennen. Da der Katholizismus keine grundlegende Säkularisation wie im Luthertum und besonders im Calvinismus zuließ, war Säkularisation nur als „Formverfeinerung“ weltlicher Bereiche möglich. Die im Mittelalter vielfältig ausgestalteten Lebensbereiche der Kunst und des Staates arbeiteten an verbesserter Perfektibilität. Der Künstler trat in den Vordergrund als Schöpfer eines die Formschönheit in den Mittelpunkt stellenden Werkes, und die Staatskunst wurde bei Machiavelli verbessert, ohne daß am dogmatischen Gefüge des Katholizismus gerüttelt wurde. Erst mit dem Luthertum wird systematisch die religiöse Dogmatik in Frage gestellt und gelockert. Mit dem Sola fide-Prinzip, der Betonung des Glaubens, gleichsam der „Verinnerlichung“ von Glaubensfragen, wird die institutionelle äußere Welt von religiösen Überdeterminierungen freigesetzt. Radikaler ist dabei noch die Säkularisierungsfolge des Calvinismus. Indem der wirtschaftliche Erfolg auf Erden als Zeichen des Gottesgnadentums gewertet wurde, wurde die irdische Welt aufgewertet. Gott sucht man nicht in spezifischen religiösen Praktiken, in eigenen Sphären des Sakralen: Gott sucht und findet man in der irdischen Arbeit, in der Mehrung des Wohlstandes bei eigener puritanischer und asketischer Lebenshaltung. Die calvinistische Grundhaltung, daß nur die Bewährung im Leben, speziell aber in der Berufsarbeit, die Versicherung der Wiedergeburt enthalte, wurde als erstes in Bestätigung der religionssoziologischen Studien Max Webers bei mennonitischen Bauern in der Pfalz und in Rheinhessen um das Jahr 1632 entdeckt. Im rechenhaften Charakter des buchführenden mennonitischen Landwirts liegt so der Ursprung des „Geist des Kapitalismus“, wie neuere Studien von Frank Konersmann von der Universität Bielefeld bestätigen.­

Die drei Phasen der Verweltlichung­

Müller-Armack unterscheidet grundsätzlich drei Phasen der Säkularisation. Die erste Phase ist dadurch gekennzeichnet, daß bei unangefochtener Gläubigkeit bestimmten Weltbereichen ein besonderer Akzent gegeben wird. In der Renaissance ist es die Formvollendung, im Luthertum ist es eine stark gefühls- und gemüthafte Haltung, im Calvinismus ist es das rationale Verhalten. Die zweite Phase ist die Konsequenz der ersten Glaubenserschütterung. War bisher der Glaube die Legitimation der besonderen weltlichen Betätigung, so dreht sich dieses Verhältnis nunmehr um. Die freigesetzten weltlichen Denkformen werden umgekehrt als Stützen des alten Glaubens eingesetzt. In der Rationaltheologie des 17. Jahrhunderts spricht man von der „Zweckmäßigkeit der göttlichen Schöpfung“. Der Glauben wird rational begründet.­Während in der ersten Phase sich das Gefühl in unmittelbar sakraler Form, z. B. im Kirchenlied, äußerte, wird in der zweiten Phase die weltliche Dichtung für die Erhaltung eines lebendigen Glaubens eingesetzt. Typisch für diese Phase ist beispielsweise die Bachsche Musik. Sie ist nicht mehr die Emanation des „frommen Geistes“, sie ist bewußte Kunst und in ihren Ausdrucksmitteln selbständig geworden. Aber diese selbstwertige Kunst wird in den Messen, Passionen und Oratorien ganz in den Dienst der Verherrlichung des Religiösen gestellt.­Die deutsche Klassik mit den Höhepunkten Goethe und Schiller stellt sodann den Übergang zur „Vollsäkularisation“ dar und leitet damit die dritte Phase einer völlig säkularisierten Weltvorstellung ein. Die deutsche Klassik ist protestantisch-lutherischen Ursprungs, der Ursprungsort war das protestantische Pfarrhaus. Im Mittelpunkt des Glaubens stand dabei das Heilsbemühen des einzelnen. Im Verlaufe der Entwicklung verlor die religiös motivierte Heilsgewißheit an Bindungskraft, so kam man dazu, in der Philosophie und in der Dichtung selbst diese Heilsgewißheit zu suchen. Entscheidend wird hier die Überzeugung, in der Kunst ein autonomes Reich gewonnen zu haben, in dem die Liebe, die Freundschaft und die Schönheit neue Normen zu setzen vermögen. Als der Schönheit verpflichtetes Gegenbild zur christlichen Welt erscheint die Antike, freilich in ihren Werten noch ganz aus der christlichen Haltung bestimmt. In der dritten Phase der Vollsäkularisation erfolgt eine bewußte Ablösung vom Glauben. Der Glaubensabfall begünstigt dabei die metaphysische Überhöhung irdischer Werte in Kunst, Wissenschaft und Politik. Wurden in der zweiten Phase Dichtung, Musik, Wissenschaft und Politik bewußt in den Dienst des Glaubens gestellt, der nach wie vor als höchster Wert und summum bonum erschien, so werden diese Bereiche nunmehr Selbstzweck und Idole, auf die sich die gewandelten Heilserwartungen richten. Da der Mensch aber ein auf Transzendenz hin ausgerichtetes Wesen ist, entstehen mit dem Nachlassen des dezidiert Religiösen „säkulare Ersatzreligionen“, Müller-Armack nennt diese „Idole“. Der Mensch ist zwar zum Glaubensabfall innerlich disponiert, kann aber nicht seinen Hang zur Transzendenz ausschalten, so daß es im Gefolge der Säkularisierung zu primitivisierten weltlichen quasi-religiösen Idolbildungen kommt. Diese sakral aufgeladenen weltlichen Idole führen zu einer Art kultischer Erhöhung irdischer Bereiche und sind die eigentlichen Veranlasser der großen Tragödien der Menschheit. Menschliche Eigenschaften oder soziale Institutionen werden sakral überhöht, wobei diese sakral aufgeladenen Bereiche, weil sie das Sakrale in seiner weltlichen Form selbst darstellen, also nicht durch eine „echte“ religiöse Transzendenzerfahrung von außen begrenzt und gesteuert werden, zur Maßlosigkeit und zum Totalitarismus neigen. Die Geschichte zeigt, wie diese Idolbildungen von harmlosen Überhöhungen, wie Schönheit, Freiheit oder Staat, zu gefährlichen Ausprägungen fortschreiten, nämlich zu Volk, Nation, Partei, Führer etc. Die Säkularisation erfolgt somit nur scheinbar. Der Säkularbereich ist in Wahrheit ein sakraler Raum in weltlicher Verpackung.­

Rechristianisierung als einzige Rettung­

Müller-Armack weist im einzelnen nach, in welchem Ausmaß sakrale Anteile in den verweltlichten Daseinsbereichen liegen. Er zeigt auf, wie sich die Staatsidee, der ökonomisch-wissenschaftliche Rationalismus, die soziale Bewegung, der Nationalismus – also alles vermeintliche Antipoden des Religiösen – aus religiösen Stammformen heraus entwickelt haben und dann einen quasi-religiösen Eigenwert ausgebildet haben. So ist die Staatsidee ohne das Luthertum nicht zu verstehen. Indem das Luthertum die Form der Universalkirche ablehnte und Luther sich gleichzeitig gegen das Sektentum stemmte, gab es nur noch das Modell der „Staatskirche“. Die Kirche wurde in den Staat eingegliedert, und damit erfolgte letztlich die gläubige Einordnung des Volkes in den Staat. Mit der Einebnung der ständischen Sonderrechte bedeutete dies einen unvergleichlichen Machtzugewinn des Staates, der absolutistische Fürstenstaat war geboren. Der Staat verstand sich dabei als „Heilsanstalt“: Preußen kann hierfür als Musterstaat gelten. Bis zu Friedrich Wilhelm I. verstanden sich die preußischen Könige an pietistische Frömmigkeit gebunden; als Hüter einer irdischen Heilsanstalt. Erst Friedrich der Große kann dann als erster Verfechter einer völlig säkularisierten Staatsidee gelten, religiöse Bindungen wurden durch die Idolbildungen des Genie- und Heroenkults ersetzt. Im Gefolge dieser Entwicklung entstand eine „Staatsmetaphysik“, die in Hegels Definition des Staates als der „Wirklichkeit der sittlichen Idee“ ihren vollendeten Ausdruck fand.­In den Ideen des Rationalismus und Liberalismus wurde – so Müller-Armack – die Vernunftidee vulgarisiert. Denn die Gesetze der vernünftigen Ordnung werden, beginnend mit den Physiokraten, als immanente Gesetzlichkeiten der ganz irdisch gedachten Welt angesehen. Das „Wimmeln von Willkür“, so Adam Smith in seiner Moralphilosophie, führt mit einer „invisible hand“ zum guten Ganzen, zum größten Glück der größten Zahl. Das Heil liegt in der natürlichen Ordnung, die, einmal durch Deregulierung freigelassen, automatisch als providentielle Vernunft zu einem Idealzustand führt. Der Liberalismus erweist sich somit in seinen Grundfesten als eine vulgäre Ersatzreligion. Ähnlich verhält es sich mit dem Nationalismus. Nachdem das Luthertum den Prozeß der nationalen Differenzierung ermöglichte, wurden Begriffe wie „Volk“ oder „Volksseele“ zu letzten Wertbegriffen. Die Entwicklung geht von Herder über die Romantik und die historische Rechtsschule Savignys und endet in der Katastrophe des Nationalsozialismus, ohne hier behaupten zu wollen, daß es einen zwangsweisen Zusammenhang dieser Entwicklung gebe. Auch der soziale Gedanke ist religiösen Ursprungs und trägt alle Voraussetzungen der Idolbildungen in sich. Hatte ursprünglich der Glaube in sich geruht und sich aus innerer Sicherheit einer christlichen Hilfstätigkeit zugewandt, so wird, getrieben vom deutschen Pietismus, in Umkehrung der Verhältnisse das sozial praktische Helfenwollen zum Prüfstein der Herzen. Man tauschte die barmherzige Tat gegen das Wohlwollen des Herrn. Zunehmend wurden dabei die Hilfsmotive säkularisiert, bis die sozialen Bewegungen autark wurden und keiner religiösen Legitimation mehr bedurften. Die soziale, gerechte Ordnung wurde zu einem Wert an sich, wurde selbst zu einem Idol, als man damit, ganz deutlich bei Marx, Heilserwartungen durch eine kommunistische Struktur der Gesellschaft verband. Müller-Armack resümiert: „Was die Menschen in ihren Bann zwingt, ist die gleiche Macht mythischer Verzauberung, durch die erst die Götter ihre Herrschaft gewannen. So werden in der Tat auch die sozialen Bewegungen vom Irrationalen angetrieben, sie sind die populärsten Ersatzmetaphysiken einer glaubenslos gewordenen Zeit.“ (S. 101)­Müller-Armack beschließt seine Analysen mit einem dramatischen Appell: „Erst die Idolbildung schuf jene Verzerrung politischer und sozialer Bewegungen, die unsere Kultur an den Rand des Verderbens führte. Wir müssen endgültig der Illusion aufsagen, als sei es um das irdische Leben am besten bestellt, wo man einzig seine Werte ernst nimmt und als Lebenszweck anerkennt. Das Gegenteil ist der Fall. Was an Zerstörungen und Verbrechen im Namen irdischer Lebensprogramme begangen wurde, spricht eine klare Sprache. Eine Rechristianisierung unserer Kultur ist damit die einzige realistische Möglichkeit, ihrem inneren Verfall in letzter Stunde entgegenzutreten. In ihrem Zeichen vereinigt sich die Wahrheit des Wortes mit letzten Kräften der europäischen Tradition und den geistigen Überzeugungen unserer Gegenwart, um jene wenigen aber unverrückbaren Richtmaße zu geben, deren wir im irdischen Dasein bedürfen“ (S. 156).­

Die gesellschaftliche Ursache der Säkularisierung­

Kommen wir nunmehr zu den soziologischen Erklärungsmodellen des Säkularisierungsprozesses. Wenn wir den Müller-Armackschen Analysen uneingeschränkt folgen, so können wir nicht von einer durchgängigen Säkularisation des abendländischen Kulturraumes sprechen. Er weist ja nach, wie Religion durch Idolbildungen ersetzt wird. Wir können höchstens von einer halbierten Säkularisierung sprechen, weil Idole sich als Ersatzreligionen darstellen und unsere ach so aufgeklärte Welt voller mythologischer und ersatzreligiöser Versatzstücke ist. Müller-Armack war eben auch ein Kind seiner Zeit (das „Jahrhundert ohne Gott“ wurde 1948 veröffentlicht), und er konnte nicht beobachten, daß die von ihm identifizierten Idole „Staat“, „Nation“, „soziale Gerechtigkeit“ und „wissenschaftlicher und ökonomischer Rationalismus“ ebenfalls einem weiteren Säkularisierungsprozeß in der modernen Gesellschaft unterworfen wurden, die diese Idole gerade der sakralen und mystischen Komponenten entkleidete. Wir können sagen, die Säkularisierung der Moderne erfaßt auch in einer zweiten Welle die verweltlichten Seinsbereiche, wie Nation, Staat und Gerechtigkeit, beraubt sie ihrer idealistischen und mythologischen Anteile und setzt sie völlig materialisiert auf die Spur von Zweckdienlichkeit und Funktionalität.­Müller-Armack ist bei seiner Analyse der Säkularisierungsprozesse gleichsam auf halber Strecke stehengeblieben: Die Moderne hat in einem weiteren Säkularisierungsschub alle Institutionen und organisierte Wertebindungen „entidolisiert“, an die Stelle all dessen, was früher zur Idolbildung tauglich war, Staat, Wahrheit, Gerechtigkeit, Nation, Wohlfahrt, ist, so der St. Gallener Soziologe Peter Gross, die „Sakralisierung des Ichs“ getreten. Die Multioptionalität des Individuums ist der „wahre Mehrgott“ der Moderne. An die Stelle tradierter Bindungen an Institutionen sind die individuellen Selbstverwirklichungs- und Selbsterfahrungswerte getreten: Die Jagd nach den schönen Erlebnissen, die Suche nach dem „Kick“, der Körper- und Fitneß-Kult, die immerwährende Suche nach Steigerung von Gesundheit und Wellness sind die letzten sakralen Bastionen in einer völlig entzauberten Welt, wo nur das eigene Ich heilig ist. Das sakrale Ich ist die religiöse Restgröße der modernen Welt. Sie ist die Bedingung für eine völlige Profanisierung der Gesellschaft, weil nur so die Welt zu einem instrumentell verwertbaren Material für die hedonistischen Bedürfnisse des Individuums werden kann. Staat, Nation, Gerechtigkeit etc. haben als Vorlage für Idolbildungen ausgedient.

­Die Gesellschaft differenziert sich in Funktionssysteme­

Dieser zweite Säkularisierungsschub ist nur zu erklären, wenn wir den Wandel der gesellschaftlichen Differenzierungsformen beachten. Wir folgen dabei den evolutionstheoretischen Ausführungen Niklas Luhmanns (Luhmann 1991, 150 ff.). Sogenannte primitive oder archaische Gesellschaften (nach Luhmann auch orale Gesellschaften, weil sie die Schrift nicht kennen) sind durch das Prinzip der segmentären Differenzierung in ihrer Sozialstruktur zu kennzeichnen. Sie bestehen aus gleichartigen und gleichrangigen Teilen. Die Sippen- und Clanverbände sind untereinander gleich, es gibt so gut wie keine Arbeitsteilung, lediglich Frauen- und Männerrollen sind differenziert, allenthalben gibt es erste leichte Rollendifferenzierungen zwischen Kriegern, Schamanen, Häuptlingen und Priestern (wobei diese Rollen oft in Personalunion fungieren). Als Religionsform finden wir die Anbetung von Naturgottheiten, deren Wohlgestimmtheit durch rituelle Handlungen angemahnt und eingefordert werden kann.­Im Gefolge des gesellschaftlichen Evolutionsprozesses kommt es zu Hierarchiebildungen, Priesterkasten entstehen, es bilden sich Adelsgeschlechter, die den Zugang und die Nutzung von Grund und Boden für sich monopolisieren. Es entstehen hochkulturelle Gesellschaften, die nach dem Prinzip der stratifikatorischen Differenzierung mit ungleichartigen und ungleichrangigen Teilen organisiert sind. Es ist die typische gesellschaftliche Strukturform des Mittelalters. Die stratifikatorische Differenzierung läuft auf ein lokal umgrenztes Machtzentrum hinaus: Könige, Fürsten, Päpste und Bischöfe benötigen zur Legitimation ihres Machtanspruches ein kosmologisches Weltbild, das die weltliche Ordnung mit der übernatürlichen, transzendentalen Ordnung des Kosmos parallelisiert, es ist die hohe Zeit des Monotheismus: Es gibt nur einen Gott, wie es nur einen Herrscher geben kann. Es ist die Hoch-Zeit des Christentums in Europa, die durch eine hierarchisch gegliederte Universalkirche die Gebote des einen Gottes in alle Untergliederungen der Gesellschaft trägt.­Mit der Auflösung der mittelalterlichen, alteuropäischen societas und der Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft – zuerst in den Patrizierfamilien der reich und unabhängig gewordenen Städte (Lohausen) – stellt sich langsam, aber stetig die gesellschaftliche Differenzierungsform um: von stratifikatorisch-hierarchischer auf funktionale Differenzierung. Die Gesellschaft wird nicht mehr nach oben/unten aufgeteilt, sondern nach Funktionsbereichen, es bilden sich eigene Funktionssysteme aus, die in ihrer Operationsweise autonom sind: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Intimbeziehungen, Gesundheitswesen und auch Religion. Religion wird dabei als Funktionssystem „zurückgestuft“. War Religion in hierarchisch strukturierten Gesellschaften in der Hierarchieebene ganz oben, Wissenschaft, Ökonomie, Lebensführung usw. hatten „Magd“ der Theologie zu sein, so führt diese Zurückstufung der Religion zu einem Funktionssystem unter vielen dazu, daß die Teilnahme an Religion nicht mehr zur Voraussetzung der Teilnahme an anderen Funktionssystemen gemacht werden kann. Die Teilnahme des einzelnen am Religionssystem wird optional. Die Umstellung auf funktionale Differenzierung hat für die Gesellschaft weitreichende Folgen: Sie wird „polykontextural“. Es gibt keinen Teil der Gesellschaft mehr, der als Teil das Ganze repräsentiert (wie der Adel in mittelalterlichen Gesellschaften). Die einzelnen Funktionssysteme sind gleichwertig, die Politik steht nicht über der Wirtschaft und die Religion über der Politik, die Teilsysteme stehen gleichwertig nebeneinander, die Gesellschaft wird heterarchisch. Indem die Religion zu einem System unter vielen zurückgestuft wird, verlieren der Glaube und die kosmologisch-christliche Betrachtung von Welt ihren privilegierten Status, sie wird zu einer Weltbetrachtung, die sich der Konkurrenz anderer Deutungssysteme stellen muß.­

Religiöse Kommunikation gerät in die Falle der Aporien­

Wie Luhmann formuliert, wird entdeckt, daß Religion als Kommunikation des Transzendenten immer immanente Kommunikation ist und deshalb die gesuchte Transzendenz nicht in die Kommunikation eingeschrieben ist, sondern immer nur umschrieben werden kann (Luhmann 2000, 127). Auch religiöse Kommunikation kann also die Paradoxie der immanenten Rede über das Transzendente nicht auflösen, sondern in der Kommunikation nur prozessieren und so erträglich werden lassen. Die Gewißheit, daß die Transzendenz nur über die immanente Rede zu haben ist, öffnet dem Atheismus Tür und Tor. Denn nun ist es der Mensch, der sich ein Bild von Gott und dem Transzendenten macht und machen muß. Gott ist eine menschliche Konstruktion, die immanente Rede von Gott kann nicht sicher sein, daß sich in dieser Immanenz die Spuren der Transzendenz tatsächlich abbilden. Da hilft auch keine Metakommunikation wie Zeichen und Wunder, die sich auch nur in immanenter Kommunikation erschließen und ausdeuten lassen. Wir sollen uns kein Bild von Gott machen, wir können es auch nicht. Religiöse Kommunikation gerät von einer Aporie in eine andere und wird so in einer auf Immanenz umgestellten Säkularkultur immer weniger vermittlungsfähig. Religiöse Kommunikation sichert in hierarchisch strukturierten Gesellschaften eine gesellschaftliche Einheitssemantik, die Einheit der Welt, des Universums und der Schöpfung war umschrieben. In modernen, funktional-differenzierten, heterarchischen und polykontexturalen Gesellschaften geht dieser Bedarf, die gesellschaftliche Einheit über eine spezifische religiöse Einheitssemantik zu beschreiben, offenbar verloren. Religiöse Kommunikation wird in ein spezialisiertes System abgedrängt, wobei es keinen Inklusionszwang für das Individuum an dieser speziellen Kommunikationsform zu partizipieren gibt. Religion wird optionalisiert, individualisiert, ins Belieben individueller Präferenzen gestellt. Das letztlich sakrale und hedonistische Ich entscheidet, ob es aus der Vielzahl von Orientierungs- und Kommunikationsalternativen religiöse Kommunikationsofferten für eigene Sinngebungsprozesse instrumentiert und nutzt. Auch nach Luhmann ist mit der funktional differenzierten Gesellschaft eine Vollsäkularisation letztlich nicht erreicht, denn Religion existiert ja weiter. Aber sie führt eine „Nischenexistenz“, und die Wirksamkeit Gottes hängt davon ab, ob der wahre Gott, das sakrale Ich, sich für oder gegen ihn entscheidet. Ein solcher optionaler Gott ist offensichtlich dem Tode geweiht, es sei denn, die Menschen erahnen, daß ihre Erkenntnismittel begrenzt und unzureichend sind, daß sie nicht in der Lage sind, die Universalität Gottes zu erfassen. Hier stehen wir wieder an der Ausgangsfrage von Heinz Zahrnt, und wir haben die Möglichkeit den Erfahrungsverlust Gottes ontologisch zu verstehen, dann sind wir auf der Schiene des heute dominanten Atheismus, oder aber wir deuten den Erfahrungsverlust noetisch, dann müssen wir fragen, ob es in der heutigen Zeit Möglichkeiten gibt, Gotteserfahrung wieder erlebbar und kommunizierbar zu machen.

Kann der Westen noch seine Kultur verteidigen?­

Zum dritten komme ich zu der Frage, ob der Westen mit seiner Säkularkultur noch verteidigungsfähig ist, ob er sich beispielsweise der „islamischen Herausforderung“ überhaupt stellen kann. Wenn es zutrifft, wie Samuel Huntington schreibt, „daß in der modernen Welt die Religion tatsächlich die zentrale Kraft ist, die die Menschen motiviert und mobilisiert“, dann hat der Westen mit seiner Säkularkultur der islamischen Herausforderung nichts entgegenzusetzen. Die Philosophie des Wohllebens und des Hedonismus des „sakralen Ichs“ kommt durch den sich abzeichnenden Kampf der Kulturen in eine aporetische Situation: Denn um in dieser Auseinandersetzung bestehen zu können, müßte man zur Rettung des westlichen Hedonismus diesen zumindest auf Zeit suspendieren und außer Kraft setzen. Die Mittel der Verteidigung suspendieren den Zweck. Die Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten einer anderen Kultur setzt dabei eine eigene Glaubensüberzeugung voraus. Es stellt sich die Frage, ob die säkularen Restwerte des westlichen Wohlbefindens die diskriminative und bestimmende Kraft einer Glaubensüberzeugung haben, um Gotteskriegern Paroli bieten zu können. Offensichtlich ist der Hedonismus im westlichen Kulturraum so dominant geworden, daß man ihn aus strategischen Überlegungen seiner langfristigen Erhaltung gar nicht auf Zeit aussetzen kann. Man kann für transzendent erfahrene Werte und Idole sein Leben beispielsweise als Soldat aufs Spiel setzen, für Gott, die Nation, aber man setzt sich nicht Gefahrensituationen aus, wenn das eigene Wohlergehen die höchste Maxime des Handelns darstellt. So ist der säkularisierte Westen nur bedingt abwehrbereit.­Auch mit der ökonomischen Entwicklung läßt sich zeigen, daß der Westen satt und träge geworden ist, das Lust- und Spaßprinzip hat in weiten Bereichen die Bereitschaft zur Anstrengung verdrängt. Dabei hängt die sich zunehmend abzeichnende ökonomische Misere Europas mit der Säkularisierung zusammen. So überraschend es zunächst klingen mag: Auch andauernde wirtschaftliche Prosperität bedarf einer religiösen Fundierung! Der Geist des Protestantismus hat in Europa den Erwerbstrieb geweckt. Nur durch asketische Arbeit konnte man das Gottesgnadentum erlangen. Nur so ist es zu verstehen, daß in der Frühphase der Industrialisierung Gründerpersönlichkeiten ihre Betriebe mit äußerster Kraftanstrengung bis zum Schluß ihres Lebens geführt haben. Religiös-transzendentale Grunderfahrungen sind so eine unabdingbare Voraussetzung für ein diszipliniertes und sinnerfülltes Alltagshandeln. Die Gründer haben ihre Betriebe geführt, obwohl sie es gar nicht mehr nötig hatten, sie hatten schon lange „ihre Schäfchen im Trockenen“. Sie waren eben nicht nur motiviert über die verweltlichte Wohlstandsmehrung, sie waren auch religiös motiviert, weiterzuarbeiten, auch wenn sie den Status des komfortablen Lebens längst erreicht hatten. Der Ausbau der säkularen Welt, die Mehrung des Wohlstandes verdankt sich „außerweltlichen“ Motiven. Eine rein „innerweltliche“ Motivation hätte gar nicht diese Dynamik entfalten können, trotz äußeren Wohlstands ein asketisches Arbeitsleben ein Leben lang durchzuhalten. Nur auf der Basis dieses transzendental inspirierten Geistes konnte die „ursprüngliche Akkumulation“ des Kapitals in Europa und später auch in Nordamerika gelingen. Steht dagegen „Wohlleben“ im Sinne des modernen Hedonismus im Vordergrund, wird jeder die Arbeit niederlegen, wenn er ein genügendes Auskommen erreicht hat. Viele Firmengründer können ein Lied davon singen, wenn sie ihren Betrieb an den sonnengebräunten „Sohnemann“ übergeben wollen. Auch hier im Gefilde des profanen Erwerbslebens zeigt sich: Säkularisation ist ein Zeichen eines „absterbenden“ Kulturraumes. Samuel Huntington zählt die Säkularisation zu den Verfallskomponenten der westlichen Zivilisation. Wir produzieren keine Kinder, Werte und Zeichen mehr, für die es sich zu kämpfen lohnt. Mit dem christlichen Gott scheint auch das Abendland zu sterben.­

 

Das Wohlergehen des „sakralen Ichs“ ist der höchste Wert geworden – das lähmt die Verteidigungsbereitschaft des Westens und gefährdet seine wirtschaftliche Prosperität. Säkularisation ist Zeichen eines absterbenden Kulturraums.­

Dieser Beitrag stammt aus Univ.-Prof. Jost Bauchs neuem Buch
„Der Niedergang. Deutschland in der globalisierten Welt. Schriften wider den Zeitgeist“, 280 Seiten, HC, ARES 2010, € 19,90.

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Sonstige Literatur

Gross, P., Die Multioptionsgesellschaft, Frankfurt
1994
Huntington, S., Der Kampf der Kulturen. Die
Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert,
München, Wien 1996
Konersmann, F., Studien zur Genese rationaler
Lebensführung und zum Sektentypus Max
Webers. Das Beispiel mennonitischer Bauernfamilien
im deutschen Südwesten (1632–
1850), Zeitschrift für Soziologie, Heft 5
(2004), 418–437
Lange, M., Religiöser Wandel und Wertewandel,
in: U. Volkmann, U. Schimank (Hg.), Soziologische
Gegenwartsanalysen II, Opladen
2002, 183–197
Bauch -- Niedergang [Ares 2010].indb 112
23.08.2010 07:35:58
Gesundheit als das höchste Gut
Lohausen, H., Stadt-Adel. Ein Beitrag zur Soziologie
des niederen Adels, Düsseldorf 2006
Lübbe, H., Säkularisierung. Geschichte eines
ideenpolitischen Begriffs, 2. Aufl., Freiburg
und München 1975
Luhmann, N., Die Gesellschaft der Gesellschaft,
Frankfurt 1997
Luhmann, N., Die Religion der Gesellschaft,
Frankfurt 2000
Luhmann, N., Evolution und Geschichte, in:
Ders., Soziologische Aufklärung 2, 4. Aufl.,
Opladen 1991, 150–169
Müller-Armack, A., Das Jahrhundert ohne Gott,
Zur Kultursoziologie unserer Zeit, Siegburg
2004.
Zahrnt, H., Gott kann nicht sterben, 3. Aufl.,
München 1970.

 
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