Archiv > Jahrgang 2006 > NO III/2006 > Saudi-Arabien und der Terror 

Saudi-Arabien und der Terror

Von Uri Oppolzer

Wenn der Mord an einer Ordensfrau in Somalia sowie Bombenanschläge auf Kirchen als „muslimische Straf- und Disziplinierungsmaßnahmen“ gegen den Papst gedacht sind, dann zeigt gerade dies, wie berechtigt der Warnruf des Heiligen Vaters war. In seinem Regensburger Vortrag hatte Benedikt XVI. jede Gewalt als Mittel zur Durchsetzung religiöser Ziele scharf verurteilt. Soweit Christen in der Vergangenheit dagegen verstoßen haben, war es jedes Mal fraglos ein schwerer Verstoß gegen Grundsätze ihrer eigenen Religion der Liebe – eine Mißachtung aller seit der Bergpredigt beschworenen Werte.
Anders verhält es sich mit der Lehre des Islam, die auf einen Heerführer und Staatsmann zurückgeht. Nichtmoslems fallen dort in die Kategorie „Haus des Krieges“. Der bewaffnete Kampf gegen die sogenannten Ungläubigen läßt sich jederzeit mit Koran-Zitaten rechtfertigen. Doch läßt sich auch das Gegenteil ableiten. Denn die blumige, bilderreiche Sprache muslimischer Schriften gibt Raum für vielfältige und widersprüchliche Interpretationen. Wie Bassam Tibi, ein in Deutschland und in den USA lehrender Syrer, berichtet, fördern prowestliche Regierungen – teils mit amerikanischen Geldern – gezielt jene Strömungen innerhalb des Islam, die den Extremisten das Wasser abzugraben versuchen. Nachhaltige Wirkung hat dies freilich nur, wenn einflußreiche muslimische Theologen mit entsprechenden – auf Frieden, Zusammenarbeit und Toleranz zielenden – Auslegungen des Koran nachhelfen. Bassam Tibi nennt den „andalusischen Islam“ oder „bosnischen Islam“ als Leitbilder. Er will, daß seine muslimischen Glaubensbrüder Aufklärung und Humanismus nachholen und sich in Menschenrechtsfragen europäischen Standards nähern.
Das staatliche türkische Religionsamt, das seit Kemal Atatürks Tagen Interpretationshoheit beansprucht, zieht am gleichen Strang. Entsprechend moderat klangen auch die Erklärungen aus der Türkei, nachdem der Papst sichtlich bemüht war, die Wogen zu glätten. Benedikt XVI. bedauerte die aufgetretenen Mißverständnisse. Damit sei der Streit beigelegt, sagte Mehmet Dülger, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament von Ankara. Es bleibe selbstverständlich bei der geplanten Türkei-Reise des Papstes Ende November. Das direkte Gespräch sei der beste Weg zur Klärung offener Fragen.
Ungleich schärfer klingen Töne aus dem arabischen Raum – bis hin zu Mord-Drohungen gegen den Papst. Haß und Intoleranz kennzeichnen den unaufgeklärten Islam. Unverändert seit der Eroberung der ursprünglich christlichen Länder des östlichen Mittelmeeres und Nordafrikas im ersten Jahrtausend bis zum Zeitalter des internationalen Terrorismus im beginnenden dritten Jahrtausend. Es ist kein Zufall, daß unter den Selbstmord-Attentätern des 11. September 2001 viele Araber aus den Golfstaaten und aus Ägypten waren, jedoch kein Türke. Wie sehr Wort und Tat zusammenhängen, zeigt sich am deutlichsten bei jenen Verblendeten, die ihr eigenes Leben – mit religiösen Scheinbegründungen verbrämt – als Waffe einsetzen.

Die Wahabiten-Sekte

Was geht in den Köpfen solcher Boten des Todes vor? Und warum stammen auffallend viele – einschließlich ihres Chefs Osama Bin Laden – aus Saudi-Arabien? Wer die Psychologie des Terrors verstehen will, muß nach den geistigen Wurzeln suchen. In Saudi-Arabien sieht man das Gesicht von Osama Bin Laden sogar auf Handy-Displays. Junge Leute verehren ihn als „Helden“ im Kampf gegen die vermeintlichen Feinde des Islam in der westlichen Welt. Saudi-Arabien ist das Ursprungsland einer der radikalsten Splittergruppen des Islam: Die Al-Kaida-Fanatiker verfügen dort über viele Sympathisanten, weil ihnen der Stallgeruch des Wahhabismus – der im Öl-Königreich herrschenden fundamentalistischen Glaubensrichtung – anhaftet.
Ideen haben Konsequenzen. Auch Irrlichter. In den Oasen zwischen Rotem Meer und Persischem Golf entstand vor einem Vierteljahrtausend die extremistische Wahhabiten-Sekte. Rückständiges mittelalterliches Denken kennzeichnet diese von Abd Al Wahhab begründete Lehre, nach der heute noch Frauen zu steinigen sind, sobald man ihnen Ehebruch vorwirft. Eine solche „Ideologie des Todes“ nistet bis in die Gegenwart in den Köpfen vieler Wüstensöhne. Saudi-Arabien erweist sich deshalb als geistiger Nährboden des Terrorismus.
Noch vor drei Jahrzehnten stimmten Muslime, Juden und Christen darin überein, Selbstmord als schwere Sünde zu verurteilen. Dann gelangte Chomeini in Teheran an die Macht und stellte alles auf den Kopf. Mit seiner Autorität als Groß-Ajatollah und Revolutionsführer verkündete er: Wer „Ungläubige“ mit in den Tod reißt und dabei sein Leben opfert, gilt als Märtyrer und wird von Allah belohnt. Die Wahhabiten übernahmen diese Lehre.
Mekka und Medina wurden erstmals 1806 von den Wahhabiten erobert. Auf Befehl des Sultans in Istanbul trieben ägyptische Soldaten die Fanatiker damals in die Wüste zurück. In der Oase Riad schlugen sie ihr Hauptquartier auf. Als das Osmanische Reich am Ende des Ersten Weltkriegs zusammenbrach, probierten sie es nochmals – diesmal mit Erfolg. Seither hüten sie die heiligen Stätten des Islam. Und radikale Gruppen erhielten Geld aus Riad. Die saudische Herrscherfamilie hoffte offenbar lange Zeit, auf diese Weise das eigene Land vor Terroranschlägen bewahren zu können. Die Extremisten, so meinte sie, würden doch nicht die Hühner schlachten, die ihnen täglich frische Eier lieferten.
Aber im Orient ticken die Uhren anders. Die Fanatiker rechnen sich längst aus, was sie alles mit den Öl-Dollars machen könnten, wenn es ihnen gelänge, den Königspalast zu stürmen und ihre eigene Diktatur – eine wahhabitische Republik in der Wüste – zu errichten. Im Weltmaßstab gesehen sind die islamistischen Gewalttäter nur eine kleine Minderheit. Ausgestattet mit der Macht und dem Geld Saudi-Arabiens aber wären sie eine tödliche Gefahr für die Menschheit. Deshalb hat der Westen derzeit keine andere Wahl, als gemeinsam mit dem in Riad herrschenden Regime gegen den Terrorismus zu kämpfen.
Die Stärke der saudischen Sicherheitsorgane liegt im Einsatz von Untergrund-Agenten, die sich unerkannt im islamistischen Milieu bewegen. In Europa hat bislang nur Frankreich diese Methode erfolgreich angewandt. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde nach dem 11. September 2001 in Paris eine internationale Koordinationsstelle eingerichtet. Sie dient der engeren Zusammenarbeit westlicher Geheimdienste im Kampf gegen den Terror. Tatsächlich konnten einige geplante Anschläge durch diese Strategie der Vorbeugung verhindert werden.
In Afghanistan fanden die Alliierten genaue Anleitungen zum Bau „schmutziger Bomben“ mit Nuklearmaterial. Osama Bin Laden wollte in Nachfolgestaaten der Sowjetunion einkaufen. Die Amerikaner rechnen mit allem. Bis hin zur Explosion einer Koffer-Atombombe mitten in New York. Einen solchen denkbaren Terroranschlag hat Mario Puzo in seinem Roman „Der vierte K.“ vorweggenommen.
Der Geheimdienst-Experte Walter Laqueur sieht es ähnlich: Internationale Terror-Organisationen steuern auf neue Blutbäder zu, die den 11. September 2001 in den Schatten stellen könnten. Der „Vater der pakistanischen Atombombe“, Abdul Qadir Khan, hat gestanden, Nukleargeheimnisse seines Landes an Nordkorea, den Iran und andere verraten zu haben. Einer der Empfänger der Todesgaben war Gaddafi, der unter internationalem Druck das Bomben-Geschäft offenlegte. Andere taten es nicht.
Rüstungsfachleute aus dem früheren Ostblock, die Geld brauchen, verkaufen alles. Sie tragen wesentlich dazu bei, daß es heute einen internationalen Schwarzmarkt des Terrors gibt. Der Nahe und Mittlere Osten bedienen sich auf diesem Markt. Die Welt sitzt auf einem Pulverfaß.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, Mohammed El Baradei, warnt vor Terroristen, die Atombomben einsetzen könnten. Er sei „äußerst beunruhigt“. Die Gefahr „war noch nie so groß wie heute“. Mit Tricks und Fälschungen von Exportpapieren wird der Schwarzmarkt des Todes ausgeweitet. Daran beteiligen sich laut Baradei „geschäftstüchtige Nuklearexperten, skrupellose Firmen und womöglich Staatsorgane“ osteuropäischer Länder.
In einer FBI-Analyse heißt es: „Mit dem Nuklearmaterial, das aus Rußland herausgeschafft wird, ist es möglich, eine Atombombe zu bauen.“ In der Hand von Terroristen bedroht es auch Europa. Denn die Bombenwerfer der Al Kaida haben der gesamten westlichen Zivilisation den Krieg erklärt.
Salzburg und Wien waren Tagungsorte internationaler Anti-Terror-Experten. Sie feilen an immer neuen Plänen zur Abwehr immer neuer Gefahren. Die Fachleute halten alles für denkbar: Kernwaffen in Großstädten; Öltanker, die in die Luft fliegen; Versprühen chemischer Kampfstoffe; oder die Entführung vollbesetzter Urlauber-Jets, die nach dem Muster der Attacken auf New York und Washington als Massenmord-Instrumente dienen könnten.
Den Planern und Tätern geht es oft um „strategischen Terror“. Angestrebt werden besonders aufsehenerregende Bluttaten mit hohen Opferzahlen und maximaler Berichterstattung in Fernsehen und Presse. Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Agenten an die Front!

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com