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Warum die Linke schon verloren hat (II)

Von Wolfgang Dvorak-Stocker

Bisher habe ich es strikt vermieden, in einem Editorial das Thema der letzten Nummer nochmals aufzugreifen – selbst, wenn mir ergänzende Bemerkungen auf den Lippen brannten. Wenn ich diesmal eine Ausnahme mache, dann, weil einige meiner Thesen, die von manchen Lesern als zu hart empfunden wurden, in der Zwischenzeit sozusagen „offiziell“ bestätigt wurden.
lDa war die Behauptung, die Linke würde nicht zuletzt aus Haß gegen das eigene Volk, die eigene Kultur, die Zuwanderung so massiv fördern. Die Grünen traten an, diese These, die von manchen biederen Sozialdemokraten als Beleidigung empfunden worden ist, nachdrücklich unter Beweis zu stellen: Führten sie schon in den letzten Jahren bei Demonstrationen Plakate der Art „Heimat im Herzen, Scheiße im Hirn“ mit, wurde nun die Wiener Innenstadt mit „Wer Österreich liebt, muß Scheiße sein“-Slogans zugeklebt (siehe Bild).
lDa war die nüchterne Feststellung, daß der demographische Zug bereits abgefahren sei und die Bevölkerungsentwicklung – Zuwanderung auf der einen, schrumpfende autochthone Bevölkerung auf der anderen Seite – unausweichbar dramatische Folgen zeitigen würde: Nun hat die Statistik Austria die neuesten Zahlen veröffentlicht: In der ersten Schulstufe stellen in Wien – nicht an einzelnen Schulen, sondern insgesamt, in ganz Wien – ausländische Kinder bereits die absolute Mehrheit (siehe Kasten).
lDa war schließlich die These, daß Integration, die angesichts solcher Zahlenverhältnisse ohnedies nicht mehr funktionieren würde, vom größten Teil der moslemischen Zuwanderer prinzipiell abgelehnt würde, und diese vielmehr versuchen werden, ihre islamische Werte-Welt hier zu etablieren. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat bei seiner Kölner Rede vor 15.000 Anhängern diese Behauptung eindrucksvoll bestätigt: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!“, rief er und forderte die Türken in Deutschland dazu auf, ihre Kultur und Muttersprache zu bewahren. Dieser seiner Grundaussage könnte ich durchaus zustimmen – wäre nicht unübersehbar, daß es Erdogan um ganz etwas anderes geht. Die Türkei selbst verlangt nämlich von all ihren ethnischen Minderheiten die Assimilation und verweigert ihnen das Recht auf ihre Muttersprache, etwa im Schulunterricht. Erst jüngst wurde der Bürgermeister einer im kurdischen Siedlungsgebiet liegenden Stadt unter Anklage gestellt, weil er seine offiziellen Neujahrswünsche außer in türkisch auch auf kurdisch verfaßt hat. Dafür hat die Türkei schon jetzt 5–600 Imame nach Deutschland geschickt, die sie nicht nur bezahlt, sondern auch bis in die Formulierung der Gebete hinein anleitet und kontrolliert. Organisiert wird dies vom Amt für religiöse Angelegenheiten (Ditib), dessen Etat nach dem Militärhaushalt laut einer Meldung der Zeitschrift Cicero der größte Posten im türkischen Budget ist. Die Ditib-Imame sind Staatsfunktionäre, den Lehren des Islam gleichermaßen wie den politischen Zielen der türkischen Regierung verpflichte. Ihr Ziel ist die Verbreitung des Islam und die Organisierung des Türkentums in Deutschland. So wird etwa – ausgerechnet von türkischen Politikern in der CDU (!) – bereits die Bildung moslemischer Polizeieinheiten in Deutschland gefordert, die als „Teil der Gemeinde“ für die islamische Parallelgesellschaft zuständig sein sollen. „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette“ – rief Recep Tayyip Erdogan schon 1997 mit den Worten des türkischen Dichters Ziya Gökalp.
lNun hat erstmals eine offizielle moslemische Lehrautorität das Ziel der Islamisierung Europas expressis verbis ausgesprochen (siehe Kasten).
Realitätsverweigerung
Daß diese islamischen Zuwanderer mit den Ideen der europäischen Linken so gar nichts anfangen können, und daß die Linke, wie auch immer der unausweichliche Konflikt mit dem Islam ausgehen wird, schon jetzt verloren hat, habe ich im letzten Editorial dargelegt. Doch nicht nur realpolitisch, auch intellektuell zeigt sich das nahende Ende des linken Zeitalters in beeindruckender Weise:
Mit Haß und Hohn haben Linke aller Couleur in den vergangenen Jahrhunderten der Katholischen Kirche ihre Versuche vorgeworfen, den Fortschritt der Forschung unter Hinweis auf Dogmen des Glaubens zu verhindern. Wie klar war allen Aufklärern, daß ein solcher Versuch von vornherein nur zum Scheitern verurteilt sein konnte. Doch plötzlich sieht sich die Linke, die ja in der Tradition der Aufklärung zu stehen behauptet, in derselben Lage: Die neuen Erkenntnisse der Biologie, wonach ein guter Teil menschlichen Verhaltens genetisch dispositioniert ist und es neben den augenscheinlichen Unterschieden von Aussehen und Wuchs zwischen Menschen, Völkern und Rassen auch nicht minder tiefgreifende Unterschiede im Verhalten, in der psychischen und intellektuellen Struktur gibt, müssen auf das linke Weltbild als Anathema schlechthin wirken. Die Reaktion darauf ist einfach: Forschungsergebnisse, die den Dogmen der eigenen Weltanschauungen widersprechen, werden (etwa mit dem Etikett „rassistisch“) verketzert, Wissenschaftler, die so unvorsichtig sind, diese einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, riskieren die gesellschaftliche Exkommunikation. Natürlich: Die Ergebnisse der Genetik widersprechen dem linken Wunschbild des Menschen als „Tabula rasa“, als völlig autonomes Individuum, das sich seine Identität in freier Selbstbestimmung sucht.
Doch nicht einmal bei diesem Ansatz vermag die heutige Linke konsequent zu bleiben, sogar hier, in diesem ihrem geistigen Kernbestand, leistet sie sich einen grotesken inneren Widerspruch und macht damit um so offensichtlicher, wie sehr ihr Menschenbild „Ideologie“, also: falsches Bewußtsein ist. Die freie Selbstbestimmung des autonomen Individuums hat nämlich dort ein Ende, wo – die Homosexualität betroffen ist. Hier kann von freier Selbstbestimmung keine Rede mehr sein. Wer diese einfordert, gilt als homophober Extremist, der Vorwurf der Menschenverachtung ist nicht weit. Im letzten Jahr mußte ein Psychiaterkongreß in Graz einen Vortrag absagen, in dem es um die Frage ging, ob homosexuell empfindende Menschen ihre sexuelle Orientierung mit therapeutischer Hilfe verändern könnten. Das Gleiche widerfuhr einem christlichen Jugendkongreß, der Anfang Mai in Bremen stattfinden wird. Auch hier war der mediale Druck schon im Vorfeld zu groß geworden. Ein Seminar, das sich dem „selbstbestimmten“ Umgang mit homosexuellen Impulsen widmen sollte, mußte abgesagt werden.
Wie bitte? Mal ist der Mensch grenzenlos selbstbestimmt, und wer von genetischer Disposition spricht, ein böser Rassist. Und mal sind unsere (homosexuellen) Dispositionen so unveränderlich bestimmend, daß jeder Ruf nach freier Selbstbestimmung als menschenverachtende Provokation zurückgewiesen werden muß? Aber keine Angst! Realitätsverweigerung und Ansturm gegen Erkenntnisse der Wissenschaft aus Gründen ideologischer Vorurteile haben aber nicht allzu lang Aussicht auf Erfolg.
Die Linke befindet sich diesbezüglich in einer viel unkomfortableren Lage als früher die Katholische Kirche: Deren seinerzeitiges Vorgehen gegen neue kosmologische Weltbilder oder die Evolutionstheorie beruhte auf einem Irrtum hinsichtlich der Grenzen zwischen wissenschaftlicher und religiöser Welterkenntnis (ein Irrtum, dem in unserer Zeit in umgekehrter Weise viele Naturwissenschaftler aufsitzen). Der Kirche war ein Rückzug auf das Eigentliche ihrer Lehre ohne Glaubwürdigkeitsverlust also möglich. Die Linke hat diese Chance nicht: Weder die marxistisch geprägte, die ihr Menschenbild ja expressis verbis als „wissenschaftlich“ versteht, noch die liberal-aufklärerisch geprägte, die in gleicher Weise behauptet, in ihrem Weltbild vom Menschen, wie er eigentlich ist, auszugehen. Alle soziologischen wie behavioristischen, psychoanalytischen und sonstigen Theorien, mit denen die Linke ihr Projekt zur Befreiung des autonomen Individuums von vorgegebenen Zwängen zu begründen versuchte, sind im Zuge des naturwissenschaftlichen Fortschritts mehr und mehr Makulatur geworden. Die Auswirkungen dieses Paradigmen-Wechsels lassen sich noch gar nicht abschätzen, und das Schwingen der Nazi-Keule nützt dagegen auf Dauer so wenig wie das Mauern einer Sandburg gegen das Steigen des Meeresspiegels bei Flut. Der einzige intellektuell mögliche Ausweg steht der Linken freilich auch nicht offen: der Rekurs auf die Erkenntnis, daß menschliche Gleichheit nicht eine biologische und auch niemals eine soziale oder kulturelle sein kann, sondern nur in der vom Christentum verbürgten gleichen Würde jedes Menschen durch die uns allen gemeinsame Gotteskindschaft besteht.
Intellektuell ist also die Linke schon längst an ihr Ende gekommen. Doch todgeweihte Großmächte können noch viel Schaden anrichten, Massaker und vernichtende Kriege auslösen, um so möglichst die ganze Welt in ihren Todeskampf einzubeziehen. Diese Diagnose gilt nicht nur für einstürzende Weltreiche, sondern ebenso – und nicht weniger gefährlich – für zusammenbrechende Ideologien.

 
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