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Wie weiter?

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird in allen verfügbaren Medien und Kanälen von echten Experten und solchen, die bloß ihre Meinung kundtun wollen, ausführlich kommentiert. Ich habe mich entschlossen, nicht erneut meine Sicht der Dinge darzulegen, zumal ich zu meiner Analyse vom Juni (leider) nur wenig hinzuzufügen hätte. Statt dessen will ich im folgenden einen Artikel wiedergeben, der in den „Burschenschaftlichen Blättern“ I/22 abgedruckt wurde. Zuvor einige kurze Bemerkungen: Die sich auf ukrainischer wie russischer Seite weiter steigernde Haßpropaganda muß erschrecken. Da ist Kiews Bürgermeister Klitschko, der im Interview mit dem ORF-Korrespondenten auf Deutsch wörtlich sagte, die Russen bräuchten die Ukraine ohne die Ukrainer, und dem Gegner damit genozidale Absichten unterstellte, für die es keinen, aber auch gar keinen Beweis gibt. Da ist der Präsident selbst, der ganz bewußt nicht zwischen dem Regime Putins und den Russen unterscheidet, wohlwissend, wieviele Russen unter großen persönlichen Risken gegen den Krieg auftreten, wohl wissend, wie viele Bürger seines eigenen Landes enge verwandtschaftliche und freundschaftliche Bindungen nach Rußland hinein haben, sondern gezielt den Haß auf das Nachbarvolk befeuert. Da ist ein Putin, der die Mobilmachung damit begründet, man könne die Russen in der östlichen Ukraine nicht den „Schlächtern des Kiewer Naziregimes“ überlassen. Wenn diese Worte nicht bloß die Propagandaphrasen der letzten Monate wiederholen sollen, sondern Putin selbst daran glaubt, erscheint selbst ein Einsatz von Atomwaffen möglich. In prorussischen (allerdings nicht offiziellen) Telegram-Kanälen werden sogar Bilder gepostet, die behaupten, die Großväter des deutschen Bundeskanzlers Scholz und des deutschen Finanzministers Lindner seien SS-Offiziere gewesen. Doch außer den gleichen Nachnamen gibt es keine und schon gar keine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den abgebildeten Personen. Von beiden Seiten wird die „Nazikarte“ (worauf ich in meinem letzten Editorial bereits eingegangen bin) bedenkenlos gespielt, nur daß Rußland dieses Argument eben nicht mehr geglaubt wird. Wer einmal lügt …

Das betrifft beispielsweise auch das Massaker in Butscha, bezüglich dessen es durchaus Fragezeichen gibt. Da ist das fröhliche YouTube-Video des Bürgermeisters nach der Befreiung seiner Stadt durch ukrainische Truppen, in dem er nicht mit einem Wort das Massaker erwähnt. Da ist die Tatsache, daß die Toten medienwirksam auf einer offenen Straße liegen (während die Russen ihre sonstigen Opfer von Kriegsverbrechen zumindest verscharrt und damit letztere zu verschleiern versucht haben), da ist der merkwürdige Name dieser Stadt, der auf Englisch so viel wie „Schlächter“ heißt, da ist das sonderbare Video Selenskijs, in dem er von den Opfern in Butscha abzulenken versucht. Andererseits haben unzählige westliche Journalisten Butscha besucht, kaum vorstellbar, daß nicht einer von ihnen um seiner eigenen Karriere willen einen ukrainischen „Fake“ aufgedeckt hätte, wenn dies denn möglich gewesen wäre. Auch hat es offenbar nicht einen einzigen Angehörigen dieser Toten gegeben, der mit den abziehenden Truppen nach Rußland geflohen wäre und dort in den Medien über das angebliche „ukrainische Massaker“ sprechen würde, das von Rußland ja behauptet wird.

Oder die Kriegsgründe: In unseren Medien wird gern betont, daß die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion auf Atomwaffen verzichtet und Rußland dafür ihre territoriale Integrität garantiert habe. Doch Selenskij hat angekündigt, das Budapester Memorandum, in dem dieser Verzicht festgehalten wurde, aufzukündigen und die Stationierung von NATO-Atomwaffen auf ukrainischem Territorium zuzulassen. Dies mußte einen russischen Angriff provozieren. Aber Putins Ziele gingen wohl von Anfang an weiter. Wozu sonst der massive Angriff auf Kiew, das Moskau offenbar im Handstreich erobern zu können glaubte, wurde es doch nahezu nicht bombardiert?

Lügen und Propaganda auf beiden Seiten, Gleichschaltung der Medien hier wie dort, Haßrede ohne Ende. Daß noch ohne atomare Eskalation ein Ausweg gefunden wird, ist eine Hoffnung, nicht mehr. Die Verlierer stehen aber jetzt schon fest: die Russen, die Europäer und vor allem die russischen Minderheiten in der Ukraine und in anderen europäischen Staaten.

 
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