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Migrationspakt und Flüchtlingspakt

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Aufgrund der Wichtigkeit dieser Vorgänge verzichte ich dieses Mal auf ein eigenes Editorial, sondern teile einige wesentliche Informationen zu diesem Thema.

164 von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben am 10. 12. 2018 in Marrakesch den sogenannten UN-Migrationspakt angenommen. Österreich war nach den USA und Ungarn das dritte Land, das sich (aufgrund des Drucks von Vizekanzler HC Strache) offiziell gegen den Pakt ausgesprochen und damit laut der „Neuen Züricher Zeitung“ eine europaweite Diskussion ausgelöst hat. Daraufhin haben sich Tschechien, Lettland, Polen und die Slowakei gegen den Pakt ausgesprochen, außerdem Australien, die Dominikanische Republik und Chile. 13 weitere Länder wie Bulgarien, Estland, Italien, Israel, Slowenien und die Schweiz haben keine Vertreter nach Marrakesch entsandt und stehen dem Pakt ablehnend gegenüber. Nachträglich zurückgezogen hat sich bisher nur Brasilien, doch auch Kroatien könnte nach dem Willen seiner Präsidentin noch ausscheren.

Wesentliche Bestimmungen des Migrationspaktes sind (zitiert nach „Compact“ 12/18):

  • „Postuliert wird: Migration ‚sei schon immer Quelle des Wohlstandes, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung‘ gewesen.
  • Gefordert wird Zensur: Regierungen sollen ‚rassistischen‘ Medien staatliche Förderungen entziehen [...].
  • Gefordert wird Rechtsbruch: Um ‚Staatenlosigkeit zu verhindern‘, sollen ‚im Hoheitsgebiet eines anderen Staates geborene Kinder die Staatsangehörigkeit‘ des Ziellandes bekommen. Das entspricht nicht deutschem Recht.
  • Gefordert wird das ‚Recht aller Menschen auf eine rechtliche Identität‘. Aufnahmeländer sollen ‚ausreichende Dokumente und Personenstandsurkunden‘ für Migranten ausstellen. […]
  • Gefordert wird die Abschaffung des Grenzschutzes. Statt dessen soll ein ‚koordiniertes Grenzmanagement […] sichere und reguläre Grenzübertritte‘ gewährleisten. {}
  • Gefordert wird Gleichstellung für Migranten: ‚Arbeitsmigranten aller Qualifikationsniveaus‘ sollen ‚Zugang zu Sozialschutz‘ sowie ‚Grundleistungen‘ erhalten.
  • Gefordert wird, ‚für Migranten auf allen Qualifikationsniveaus den Zugang zu Verfahren der Familienzusammenführung [zu] erleichtern‘.“

Der Migrationspakt macht bewußt keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen und Migranten aller Art, wobei behauptet wurde, er sei rechtlich nicht verbindlich. „Compact“ dazu: „Vor diesem Hintergrund kann auch nicht beruhigen, wenn die [deutsche] Bundesregierung in bezug auf den Migrationspakt hervorhebt, er sei ‚rechtlich nicht bindend‘. In schreiendem Kontrast dazu steht ja bereits, daß in dem Text an fast hundert Stellen davon die Rede ist, daß sich die Unterzeichnerstaaten zu einer Aufnahme von Migranten ‚verpflichten‘, einschließlich sogenannter Klimaflüchtlinge. Tatsächlich ist es dieselbe Vorgangsweise wie in der Klima- und Genderpolitik: Die Vorgaben sind streng juristisch gesehen zwar nicht einklagbar, aber sowohl mächtige Lobbyorganisationen als auch die linksgerichtete Presse werden sich darauf berufen und Druck machen. Insbesondere Richter können sofort mit Verweis auf den Migrationspakt – wie bei dem Dieselverbot mit Verweis auf die Klimaziele des IPCC – Musterurteile fällen und damit Rechtskonventionen stiften. Man bedenke: Die ebenfalls ‚nicht bindende‘ Gender-Resolution der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde innerhalb von zwei Wochen (!) von der EU-Kommission übernommen und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet, die dieses ‚soft law‘ dann in allen Mitgliedsländern durchsetzte. Das droht auch bei der Massenmigration.“

Schon am 12. Dezember hat Angela Merkel im Deutschen Bundestag allerdings erklärt, daß der Pakt sehr wohl verbindlich sein soll, und zwar selbst für jene Länder, die nicht zugestimmt haben. Wörtlich sagte sie: „Wenn bei der UNO-Vollversammlung nächste Woche der Pakt noch einmal zur Debatte steht und angenommen wird, dann kann ein Mitgliedsstaat Abstimmung verlangen. Die Abstimmung muß dann so sein, daß zwei Drittel der Länder der Vereinten Nationen dem zustimmen, und dann ist er für alle gültig. Das ist nun mal so, wenn es um Mehrheitsentscheidungen geht.“ Ob sich dies so einfach durchsetzen läßt, wie die deutsche Kanzlerin sich das vorstellt, ist freilich fraglich. Dozent Dr. Ulrich Vosgerau hat jedenfalls für die AfD-Bundestagsfraktion ein Gutachten zur möglichen Verbindlichkeit des Migrationspaktes vorgelegt, und auch die österreichische Juristin Monika Donner hat darauf hingewiesen, daß Österreich, um eine völkergewohnheitsrechtliche Wirkung des Paktes abzuwenden, formellen Widerspruch erheben muß. Beide Gutachten können Leser der „Neuen Ordnung“ auf Verlangen per Mail oder gegen Kostenersatz per Post zugesandt bekommen. In einem Interview mit der „Jungen Freiheit“ vom 9. November 2018 hat Ulrich Vosgerau allerdings präzisiert: „Im Völkerrecht gibt es allgemein keine Zwangsvollstreckung, keinen Gerichtsvollzieher und keine Polizei. Daher ist eine völkerrechtliche Bindung immer politisch und niemals ‚rechtlich‘, im Sinne von Zwangsmechanismen innerhalb einer nationalen Rechtsordnung.“ Kein Staat könne etwa vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag auf Umsetzung des Paktes verklagt werden, auch Staaten nicht, die zugestimmt haben.

Das Ziel des Paktes ist es nach Vosgerau, die Legitimität von Migration voranzutreiben, weshalb er den Begriff der „illegalen Einwanderung“ dezidiert nicht kennt, sondern nur von Migranten spricht, die in einen „irregulären Zustand gefallen“ sind. Es gibt keine illegale Migration, die Staaten sind verpflichtet, allen Migranten rasch legale Aufenthaltstitel zu verschaffen!

Vosgerau erwartet, daß jede Zurückweisung eines Zuwanderers „von den einschlägigen NGOs [...] und der sogenannten Asylindustrie mit all ihren Anwälten sowie den Medien als Verletzung bindender Abkommen, internationaler Menschenrechtsstandards und der Vorgaben der UNO bewertet wird. Und dieser angebliche Makel wird dann so lange in den Medien wiederholt werden, bis auch der letzte dies als eine objektive Tatsache betrachtet – obwohl das nicht zutrifft.“ Auch wenn der Migrationspakt nur ein „Soft law“ ist, also kein „richtiges“ Recht, sondern nur eine Sammlung verbindlicher Standards, die dem Recht nahekommen, kann er auch ohne Parlamentsbeschluß rasch geltendes Staatsrecht, also „Hard law“, werden. „Nämlich dann, wenn die Verwaltungsgerichte – aber auch der europäische Gerichtshof oder der europäische Gerichtshof für Menschenrechte – den Inhalt des Soft law, hier des Migrationspakts, als internationalen Menschenrechtsstandard anerkennen und darauf befinden […] und so wird der Pakt, oder auch nur Teile davon, ganz schnell deutsches oder auch EU-Recht.“

Auf diese Fakten nahm Vizekanzler Heinz-Christian Strache auch in zwei Facebook-Beiträgen am 5. bzw. 7. Dezember Bezug, die wir hier auszugweise zitieren. Strache versichert: „In Folge wird Österreich bei der UNO-Sitzung dem UN-Migrationspakt nicht zustimmen, seinen Nicht-Beitritt schriftlich erklären, sowie eine schriftliche Votumserklärung mit Vorbehalt bei der UNO einbringen, welche wir im Ministerrat beschlossen haben! Wir erinnern uns, daß ÖVP-Vertreter zuvor in Medien mitgeteilt haben, in Absprache mit der Schweiz dem UN-Migrationspakt mit einem Vorbehalt zustimmen zu wollen. Es ist mir und uns Freiheitlichen jedoch gelungen, unseren Koalitionspartner inhaltlich zu überzeugen und gemeinsam eine österreichische Ablehnung des Migrationspaktes sicherzustellen. […] Was hätte das Abkommen des UN-Migrationspaktes bedeutet? Eine Selbstverpflichtung zur Änderung der nationalstaatlichen Gesetze, um die dortigen Inhalte umzusetzen. Über 80 Mal kommt im UN-Migrationsabkommen vor, ‚wir verpflichten uns‘ […] ‚Gesetze zu ändern und zu adaptieren‘ […]. Legale und illegale Migration werden völlig vermischt. Klima-, Armuts- und Wirtschaftsmigration hätten im UN-Migrationspakt legitimiert werden sollen. […] Da der UN-Migrationspakt rechtlich ein Abkommen ist, hätte in der Folge laut Völkerrechtsexperten ein ‚soft law‘ oder ‚Völkergewohnheitsrecht‘ entstehen können.“ „Außerdem mußten wir befürchten, daß im Wege der Rechtssprechung Gerichte in ihrem Urteil […] auf den Inhalt des Migrations-Abkommens Bezug genommen hätten.“

Global Compact on Refugees

Im Unterschied zum „Global Compact for Migration“ wird der „Global Compact on Refugees“ von der österreichischen Bundesregierung weniger kritisch gesehen. HC Strache am 5. Dezember auf Facebook: „Ganz anders stellt sich jedoch die UN-Flüchtlingsresolution dar. Diese ist ausdrücklich kein Abkommen wie der UN-Migrationspakt, sondern lediglich Teil eines Berichts des UNHCR-Hochkommissars zum Flüchtlingswesen, der in einer sogenannten ‚Omnibus-Resolution‘ weltweit angenommen wird. […] Die darin enthaltenen Punkte entsprechen schon derzeit den Regelungen, zu denen Österreich sich bekennt, wie der Europäischen Menschrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention. Um jede weitere Verwirrung, Falschmeldungen und jeden Interpretationsspielraum zu vermeiden, haben wir im begleitenden Ministerratsvortrag heute im Rahmen einer offiziellen Erklärung nochmals klar gelegt, wie wir die UN-Flüchtlingsresolution interpretieren. Grundsätzlich kann der Großteil der erhaltenen Ziele unterstützt werden. Dies betrifft insbesondere die Konzentration auf die Vermeidung von Fluchtursachen und die Bekämpfung der Wurzeln von Fluchtbewegungen vor Ort. Es geht auch darum, den Druck, der auf den Gast- und Transitländern von Flüchtlingen lastet, zu verringern und Bedingungen in den Herkunftsländern zu schaffen, die eine Rückkehr der Flüchtlinge in Sicherheit und Würde rasch ermöglichen […]. Für unser Handeln in Asylfragen sind nach wie vor ausschließlich die Genfer Flüchtlingskonvention und andere einschlägige völkerrechtliche Verträge, denen Österreich als Vertragspartner angehört, rechtsverbindlich. Von der Genfer Flüchtlingskonvention sind Klima-, Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge nicht erfaßt und auch in der UN-Flüchtlingsresolution ausdrücklich nicht als Asylberechtigte definiert, wie im Internet teilweise völlig falsch behauptet wird. Asyl bedeutet auch immer nur ‚Schutz auf Zeit‘ im ersten sicheren Land, und es bedeutet nicht, durch unzählige sichere Länder zu reisen, um sich eine Wunschdestination als Zielland aussuchen zu können.“

Ein Völkergewohnheitsrecht oder ein Soft law kann nach Strache aus einem solche UN-Bericht nicht entstehen: „Wo auch immer es mögliche Ansätze gibt, daß solches entstehen könnte, erhebt Österreich grundsätzlich einen Einwand und ist in diesem Sinn als ‚persistant objector‘ anzusehen. Neben der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen, die in der UN-Flüchtlingsresolution als bevorzugte Lösung dargestellt wird, sollen auch weiterhin aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Personen, die kein Asyl und keinen Flüchtlingsstatus haben oder diesen verloren haben, im Rahmen des geltenden österreichischen Rechts konsequent angewandt werden. Die Souveränität und Selbstbestimmung Österreichs bleibt also zu jeder Zeit erhalten […]. Die Präzisierung der einzelnen Inhalte der UN-Flüchtlingsresolution im Sinne des Ministerratsvortrags (Erklärung als legale Interpretation) werden Vertreter der Bundesregierung gegenüber den mit der Resolution befaßten Organen […] kommunizieren!“

Auch wenn der Flüchtlingspakt trotz seines Namens kein Pakt, sondern ein Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ist und auf jegliche Formulierungen verzichtet, aus denen Selbstverpflichtungen abzulesen wären, gibt es in ihm jedoch mindestens zwei Punkte, die kritisch beleuchtet werden müssen. Einerseits spricht er vom „Mischcharakter“, den Bevölkerungsbewegungen aufweisen; es wird nicht hinreichend zwischen politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen, Wirtschaftsflüchtlingen oder sonstigen Migranten entschieden. Außerdem ist von „Resettlement“-Maßnahmen die Rede, um den Druck von den Aufenthaltsländern der Flüchtlinge zu nehmen, was zu Forderungen für ein verstärktes Umsiedelungsprogramm etwa in Richtung Europa führen könnte. Wohl aus diesem Grund haben die USA und Ungarn bereits erklärt, auch diesem Pakt nicht zuzustimmen.

 
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