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Gerd-Klaus Kaltenbrunner gestorben

Von Johannes Auer, Herausgeber der Zeitschrift „Abendland“

Ein Kartäuser-Leben ist zu Ende

Am 12. April 2011 ist einer der wohl bedeutendsten Denker des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts gestorben, ein Denker, der sich nach Jahren der Aktion, der Publizität, der Öffentlichkeit in ein monastisches Leben zurückzog, der die alte Weisheit vom Vorrang der Kontemplation vor der Aktion verinnerlichte; eine Haltung, die das Leben reicher, den Glauben tiefer und die Erkenntnis des Wesentlichen höher werden läßt. Gerd-Klaus Kaltenbrunner ist tot.
Allzu leicht wäre es an dieser Stelle, einen Nachruf in Form einer „Werksbiographie“ zu verfassen, allzu leicht wäre es, Gerd-Klaus Kaltenbrunner aufgrund ebendieser „Werksbiographie“ zu huldigen. Doch dies entspräche weder der Intention des „eigentlichen“, Werks (des esoterischen „Spätwerks“) dieses Eremiten aus dem Schwarzwald, noch würde es die eigentliche Bedeutung dieses Denkers erfassen. Bevor wir die zwei großen Leitfäden des Kaltenbrunnerschen Lebens umreißen, die Esoterik und die Kontemplation, sei sein polit-publizistischer Schaffensweg hier kurz nachgezeichnet.
Konservativer Vordenker
Gerd-Klaus Kaltenbrunner war, unter anderem als Autor der beiden Werke „Rekonstruktion des Konservatismus“ (1972) und „Konservatismus international“ (1973) sowie als Herausgeber der 75 Bände umfassenden „Herderbücherei Initiative“, einer der führenden Repräsentanten des Konservatismus in den 70er und 80er Jahren in Deutschland. Seine Werke galten und gelten als Grundlagenwerke des Konservatismus; zudem schrieb Kaltenbrunner für Zeitungen wie „Die Welt“, die „FAZ“, die „Junge Freiheit“, „Theologisches“ oder „Criticón“. Der konservative Denker gewann zahlreiche Preise. Doch wer Kaltenbrunner auf den „konservativen Denker“ reduziert oder gar seine Bedeutung hauptsächlich in diesen Werken sucht, der verkennt jenen Kaltenbrunner, der am 12. April zu Gott heimgehen durfte. Kaltenbrunner war zuletzt vor allem eines: ein großer Mystiker und Esoteriker, und gerade diese Seite Kaltenbrunners soll hier beleuchtet werden. Der Begriff „Esoteriker“ muß, ob seiner unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten, wohl erklärt werden: Mit Esoterik ist keineswegs „New Age“, oder gar „Tarot“ und Horoskop im modernen Sinn gemeint, sondern vielmehr Esoterik im Sinne von Meister Eckart, Bruno von Köln oder der Integralen Tradition eines René Guénon. Es handelt sich hierbei um eine rein „quietistische“, kontemplative Haltung, die sich von der Tagespolitik ab- und dem „Erkennen“ zuwendet.
Warum gerade diese Seite Kaltenbrunners beleuchtet werden muß, die spätestens ab den 1990er Jahren die bestimmende war, erklärt vielleicht ein Satz, den Kaltenbrunner dem Autor dieser Zeilen am 14. Juni 2010 während einer „Glaubenskrise“ in einem persönlichen Brief, anspielend auf unsere Tätigkeit als Gartenbauer, schrieb: „ Bleiben Sie Gärtner – Gartenbau und Gartenkunst sind heute die einzig anständigen Beschäftigungen. Alles andere, Theologie, Philosophie („Weltmacht Habermas“!) ist Geschwätz.“ Hier offenbart sich nicht nur die Liebe des Vegetariers zur Natur. Vielmehr drückt Kaltenbrunner aus, daß er von all diesen „geschwätzigen Wissenschaften“ nichts hält; für ihn hat die praktische Initiation Wert. Für uns, die wir zurückbleiben, besteht das Vermächtnis Kaltenbrunners darin, in der Moderne eine Haltung einzunehmen, die dem Kartäuser gleicht, nämlich das Verborgene zu hüten und fortzutragen. Gewiß, Kaltenbrunners Weltabgewandtheit kann nicht jeder nachahmen, Geldsorgen gilt es zu regeln, die Mühen der „Erwerbsarbeit“ zu bewältigen. Wenn ich Kaltenbrunners Haltung aber recht deute, so ging es ihm darum, möglichst unabhängig von der Moderne und ihren Auswüchsen zu sein, und das kann beispielsweise der Bauer besser als der Universitätsprofessor. Besonders die alten Handwerke können Weg der Initiation sein, sofern sie richtig betrieben werden. Was Kaltenbrunners „Abwendung“ von der Tagespolitik betrifft, ist diese, für echte Mystiker, ohnehin Geschwätz.
Ein Mystiker unserer Zeit
Kaltenbrunner dürfte dank seiner tiefen Beziehung zur Natur, wie so viele Mystiker und Esoteriker vor ihm, erkannt haben, daß Gott selbst im Kosmos, in der Natur, durchscheint. Askese und Zurückhaltung bei der Nahrungsaufnahme sind nicht nur Möglichkeiten, die Triebe zu zügeln, vielmehr offenbart sich in ihnen die respektvolle Haltung gegenüber der geschaffenen (unberührten) Natur, durch die Gott durchscheint, in welcher Gottes Angesicht zum Vorschein kommt. Philipp Sherrard, ein orthodoxer Mystiker, der Kaltenbrunner mit Sicherheit bekannt war, kam, wie die meisten anderen Traditionalisten, zu der Erkennnis: Kosmos ist Theophanie.
Wenn Kaltenbrunners Leben dem eines Kartäusers zu gleichen schien, naturgemäß nicht in seiner Totalität, sondern mehr in seiner inneren Haltung, so war er selbst bis zuletzt ein Lesender. Er drückte seine Wertschätzung zu unserer Zeitschrift „Abendland“ und zur deutschsprachigen „Sezession“ folgendermaßen aus: „Nach dem Untergang von ,Criticón‘ und der ,Zeitschrift für Ganzheitsforschung‘ ist Ihr ,Abendland‘ (neben der ,Sezession‘) das bemerkenswerteste reaktionäre Organ.“ Das Lob aus dem Mund des „Meisters“ ehrt, viel mehr aber noch ist es Auftrag. In seinem Brief an mich führte Kaltenbrunner eine Reihe von Namen an, die es zu bedenken gelte; ich will sie hier ebenfalls wiedergeben: Rudolf Kassner, Ernst Karl Winter, Abt Alois Wiesinger (Schlierbach), Alfred Mombert, Theodor Däubler, Ludwig Derleth, Ferdinand Ebner, Franz Lugmayer, Franz Nabl, Ludwig v. Ficker („Der Brenner“), Guido Zernatto, J. F. Perkonig und Alexander Lernet Holenia.
Er selbst schrieb an mich, daß alles, was er zur Esoterik zu sagen habe, in den beiden Büchern „Johannes ist sein Name“ und „Dionysius vom Areopag“ stehe. Er empfahl hier im Besonderen die Lektüre Guénons, Frithjof Schuons, Titus Burckhardts und Alexander von Bernus’. Damit trifft Kaltenbrunner den Kern dessen, warum die Zeitschrift „Abendland“ gegründet wurde, nämlich jene Schätze zu heben, die weitestgehend unbeachtet und unbedacht sind.
Die Haltung aber, die diesen großen Mystiker aus dem Schwarzwald auszeichnete, können wir uns Stück für Stück aneignen. Dabei wird uns die weltliche Macht immer unbedeutender erscheinen, und wir können zu wahrhaft Wissenden werden. Kaltenbrunners Leben ist am besten zusammengefaßt mit dem Ordensspruch der Kartäuser: „Stat crux dum volvitur orbis“ – „Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht“.

Lieferbare Werke von G.-K. Kaltenbrunner:
Dionysius vom Areopag. Das Unergründliche, die Engel und das Eine, 1385 S., Ln., Die Graue Edition, 1996
Elite. Erziehung für den Ernstfall, geb., Edition Antaios, Kaplaken 10

 
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