Archiv > Jahrgang 2010 > NO I/2010 > Die Reichs- und Kaiser-Idee im Abendland 

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Von Helmut Lazina

Zunächst ist es für das Verständnis der Reichsidee notwendig, sich freizumachen von den modernen Vorurteilen, politisch-staatliche Macht habe nichts mit Religion zu tun: In jeder traditionalen Ordnung – ob christlich oder nichtchristlich – bilden Religion, Politik, Gesellschaft ein einander durchdringendes Kontinuum. Das falsche Ideal des Säkularismus, d. h. die Vorstellung, der Staat habe sich gegenüber der Religion indifferent zu verhalten und die Religion ihrerseits habe sich auf eine private Frömmigkeit ohne alle Konsequenz für Staat und Gesellschaft zu beschränken, ist historisch äußerst jung und mit der radikalen Spätaufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts, dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts sowie der Demokratie, dem Menschenrechts- und Political-Correctness-System nach dem Zweiten Weltkrieg zu identifizieren. Faktisch bedeutet diese Haltung jedoch immer – und keineswegs nur im Kommunismus oder in der hegelianisch-nationalistischen Staatsidolatrie, sondern auch in unserem ach so liberalen System –, daß der Staat selbst zur Religion erklärt wird (so wörtlich schon bei Hobbes!).

Nach dem unseligen II. Vatikanischen Konzil stimmt dann auch die (neu-)katholische Intelligenzia in diese Auffassung im Geiste eines falschen Spiritualismus ein, was sich – nachkonziliar geradezu zum Topos einer gewissen neukatholischen Historiographie geworden – in der Vorstellung vom angeblichen „konstantinischen Sündenfall“ (mit welchem das Bündnis von Thron und Altar begann) niederschlägt. Als faktische Begründung für diese Haltung wird meistens Joh. 18, 33–37 („Mein Reich ist nicht von dieser Welt …“) angeführt, was aber in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet, als daß die Herrschaft Christi aus der Übernatur stammt, sich aber auch auf die Natur (und damit auf die Gesellschaft) erstreckt. Daraus abzuleiten, Christus beanspruche keine Autorität über das Zeitliche, ist auch unvereinbar mit der Aussage „Mir ist alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben“.
Somit wird der ganz normale Zustand der Vorherrschaft des Spirituellen über das Weltliche zum Ausdruck gebracht: In der (Europa – im Gegensatz etwa zum Islam! – fremdgewordenen) traditionalen Ordnung sind Religion und Staatsordnung nicht voneinander geschieden; daher hat die jeweils oberste politische Gewalt auch immer einen priesterlich-sakralen Status.
Jede Hochkultur ist geprägt von einer bestimmten, letztlich metaphysisch gegründeten „Weltanschauung“. Zur Verwirklichung der politisch-gesellschaftlichen Implikationen daraus ist eine oberste Autorität berufen: Jeder Kulturkreis wird daher – faktisch oder virtuell – einen Amtsträger besitzen, dessen Amt der Verwirklichung der jeweiligen Weltordnung gewidmet ist; ihm kommt eine einzigartige Stellung zu, die wesenhaft von der auctoritas (spiritueller Autorität) im Gegensatz zur potestas (politischen Macht) geprägt wird; da eine solche Autorität aber ohne metaphysische Sanktion nicht vorstellbar ist, wird diesem Herrscher eine besondere Weihe zukommen. Die Weltordnung hat in ihm ihr sichtbares Oberhaupt, ohne das die Welt nicht vollständig wäre: Zu jedem Kulturkreis gehört also nicht nur eine Reichsidee, sondern als deren Inkarnation auch ein Kaisertum.

Das Hochkönigtum

Vom Kaisertum, das theoretisch die Kosmokratie beansprucht, ist das sogenannte „Hochkönigtum“ zu unterscheiden, welches die Oberhoheit über andere Königreiche ausübt oder beansprucht (z. B. das preußisch-wilhelminische Deutschland 1871–1918); in der Praxis sind die Grenzen zwischen Kaisertum und Hochkönigtum fließend: Auch das Reich erkennt man daran, daß ihm Staaten unterstehen.

Nachfolge Roms

Jedes Kaisertum beruft sich ausdrücklich auf die Nachfolge eines vorangegangenen (bis zum irdischen Paradiese zurück). Im geographischen Kontext des Mittelmeerraumes und Europas ist jede Reichsidee römisch (Caesar = Kaiser!); egal ob diese Bezeichnung im Titel geführt wird oder nicht. Als Nachfolger der antiken Imperatoren bezeichnen sich einerseits die oströmischen, rhomäischen („byzantinischen“) und in deren Nachfolge die russischen Kaiser (ja sogar die osmanischen Sultane!), andererseits die römischen Kaiser des westeuropäischen Mittelalters und der frühen Neuzeit, in deren Nachfolge dann die Kaiser der österreichischen Monarchie. Selbst historisch ephemäre und ideologisch antitraditionale Machthaber, wie Napoleon (der seinen Sohn zum „König von Rom“ erklärt) oder Hitler (der mit der Bezeichnung eines „Dritten Reiches“ die Nachfolge der Kaiser des „Ersten Reiches“ beanspruchte), stellen sich – per nefas! – in diese Tradition. Andererseits wird dem Kaiser von dessen jeweiligen politischen und weltanschaulichen Rivalen zuerst immer die Bezeichnung „römisch“ publizistisch „aberkannt“: Westeuropäische Feinde Ostroms sprechen statt dessen von den „byzantinischen“ oder „griechischen“ Kaisern; französische Legisten (die französischen Könige nehmen früh eine „quasikaiserliche“ Stellung für sich in Anspruch) von „deutschen“ oder zumindest „römisch-deutschen“ Kaisern, um diesen damit die Oberhoheit über das Abendland abzusprechen und sie zu Herrschern eines Territorialstaates unter anderen zu reduzieren. Die verengte Sichtweise deutschnationaler Historiker nach der „Erfindung der Nation“ (Benedict Anderson) im späten 18. Jahrhundert macht aus dieser Not eine Tugend und lügt das Heilige Römische Reich posthum zum ersten deutschen Nationalstaat um: „Nun wurde das Wunschbild des alten Reiches im Lichte des neuen Nationalismus gesehen, und selbst der Name ‚Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation‘ wurde entsprechend verstanden. Man verstand nicht: Deutscher Teil des Römischen Reiches – sondern man träumte von einem Reich der Deutschen Nation, dem der römische Titel als Schmuck oder als Vorwand für (nationale) Eroberungen angehängt gewesen sei.“ (Karl Schwarzenberg)
Dagegen ist ausdrücklich festzuhalten: In der ganzen Geschichte des Reiches zwischen Karl d. Großen und der napoleonischen Zeit gibt es kein offizielles Dokument, welches als Selbstbezeichnung von Reich und/oder Kaiser als „deutsch“ oder „römisch-deutsch“ sprechen würde. Erst nach Austerlitz 1805 wird Franz II. zum ersten und einzigen Mal in öffentlicher Urkunde „Kaiser von Deutschland“ genannt – die französische Theorie, daß es kein römisches Weltreich, nur ein deutsches Territorialreich gäbe, ist damit zugestanden. Andererseits aber auch wieder nicht; manchmal leistete sich die Wiener Diplomatie „Stückerln“ (K. Schwarzenberg), die an die Vorgangsweise des mittelalterlichen oströmischen Hofes erinnerte: in der Matrikeleintragung der Heirat zwischen Napoleon und Maria Luise wird dieser konsequent als serenissimus imperator, Franz II./I. jedoch als augustissimus imperator bezeichnet – serenissimus kann man auch den Barbarenkaiser im Westen nennen, Augustus hingegen ist nur der „echte“ Kaiser in Wien!

Falsches „Kaisertum“

Aus dem Gesagten wird dem aufmerksamen Leser bereits klargeworden sein, daß „Reich“ und „Kaisertum“ nichts zu tun haben mit ideologischen Pseudokaisertümern à la Napoleon, nichts mit den kolonialen Imperialismen des 19. Jahrhunderts (selbst dann nicht, wenn man sich zur Verbrämung mit dem Kaisertitel wie Königin Victoria als „Kaiserin von Indien“ schmückte), nichts mit dem nationalistischen Großreichswahn à la Hitler nach dem sozialdarwinistischen Gesetz des Dschungels und auch nichts mit antitraditionalen, gewissermaßen parodistischen Versuchen des 20./21. Jahrhunderts, den Einzelstaaten eine überstaatliche „Rechts“-Ordnung aufzuerlegen (Völkerbund, UNO, Breschnew-Doktrin, EU, One world).
Für das rechte Verständnis des Kaisertums wäre es auch nötig, die Idee der Monarchie bzw. des Königtums kurz darzustellen, was hier aus Platzgründen nicht möglich ist; wir verweisen auf das im Literaturverzeichnis erwähnte grundlegende Werk von J. J. Schmid, welches – weit über den Titel hinausgehend – anhand des paradigmatischen Beispiels der französischen Monarchie eine brilliante Einführung bietet.
Weiters kann diese Arbeit nicht – und sei es auch nur ansatzweise – eine Geschichte des Kaisertums bieten; es sollen nur einige Streiflichter metapolitischer Art daraufgeworfen und an Dinge erinnert werden, die heute weitestgehend vergessen sind.

Das Kaisertum der Antike und des byzantinischen Ostens

Eine traditionale Gesellschaft lebt in der Erinnerung des verlorenen Paradieses und stellt sich als Zweig des Goldenen Zeitalters dar. Im Ursprung des Reiches liegt etwas „Himmlisches“, das der christlichen Zeit vorausgeht und das die frühen Christen implizit und auch explizit anerkannten (z. B. Tertullian). Der universelle Charakter des Christentums koinzidiert in vieler Hinsicht mit dem Universalismus des Römischen Reiches in dessen philosophischer und kultureller Dimension (nicht unbedingt mit seiner politischen Praxis). In gewisser Hinsicht wurde das Reich durch Christus selbst legitimiert und in weiterer Folge in ein Instrument der Errettung der Menschheit verwandelt. Sein Vorhandensein wurde von den Kirchenvätern als unentbehrlich betrachtet, denn sein Verschwinden würde den Weg für die Kräfte des Antichristen, die apokalyptischen Völker Gog und Magog, freimachen (wie es nach 1918 auch geschah); noch bei Carl Schmitt ist diese Lehre gegenwärtig! Anders ausgedrückt: Der römische Staat wird zum Reiche, indem er in die Heilsordnung aufgenommen wird.
Der altrömische „Staatsgott“, der doppelgesichtige Janus, verbunden mit dem Goldenen Zeitalter, gewährt Saturn Asyl in Latium (Saturn = kaiserlicher Planet, noch bei Rudolf II.!) und öffnet mit seinen Schlüsseln den Garten der Hesperiden: das wahre Kaisertum wäre die Restauration des irdischen Paradieses im Zeichen des Saturn! Es besteht ein offenkundiger Konnex zwischen dem doppelgesichtigen Gott und dem Doppeladler, dem kaiserlichen Tier schlechthin (der Löwe ist das Symbol des Königtums); er repräsentiert den Geist, die Sonne, das spirituelle Prinzip, die Herrschaft im Kosmos. Die Symbolik der beiden Schlüssel/Schwerter bezog sich ursprünglich auf den Kaiser, bevor sich der politische Papalismus des lateinischen Mittelalters diese aneignete …
Vergil hat den Romgedanken und die vorchristliche Kaisermystik in die klassische Form gegossen, die vierte Ekloge verkündet die Geburt eines Kindes. Insbesondere Eusebius hat daraus weitreichende Schlüsse gezogen und verchristlicht die neuplatonische Reichsmystik.
Caesar, der Namensgeber der abendländischen Kosmokratoren, ist der eigentliche Gründer des Reiches als Institution (davor handelte es sich um einen Stadtstaat mit riesigem unterworfenen Gebieten). Er vereinigt in seiner Person die Würden von imperator und pontifex maximus, weltliche und geistliche Gewalt, stellt die pax romana her, die mit Konstantin zum Schild für die Kirche wird. Caesar hat seine Gewalt nicht von Petrus: Wenn es keinen Papst gegeben hätte, würde das römische Kaisertum trotzdem bestanden haben; ohne römisches Kaisertum hätte es auch kein Papsttum im heutigen Sinne gegeben (so noch Dante!).
Der Kaiserkult, dem sich die frühen Christen so widersetzten (beim Opfer für den Kaiser handelte es sich letztlich um einen sozialen Ritus politischer Adhäsion, den die Christen hätten leisten können, ohne sich etwas zu vergeben, und in ihrer großen Mehrzahl auch tatsächlich leisteten – die Märtyrer waren großteils rigoristische Eiferer, so z. B. die Montanisten), setzt sich nach Konstantin ungebrochen fort! Der Kaiser ist „göttlich“ (divinus, divus, theios), „aus einer göttlichen Sippe hervorgegangen“ (divinus stirpe progenitus), Nimbus und Aureole zeigen seine Göttlichkeit (divinitas nostra) an. Alle Göttlichkeit braucht einen Kult: Gregor d. Große vollzieht die öffentliche proskynesis in der Lateranbasilika vor dem ikonengleichen Bildnis des Kaisers; da Christus gleichermaßen König und Hohepriester ist, muß es notwendigerweise eine Funktion auf Erden geben, die diesem Status entspricht, und das ist der Kaiser, der als archiereus basileus akklamiert wird. Die Päpste selbst denken nicht anders bis weit ins Mittelalter hinein; in gewissen Zeremonien trägt der oströmische Kaiser die Tiere! Bei dieser Symbolik geht es um die Herrschaft über die drei Reiche – irdisch- kosmisch-spirituell – bzw. um die von Rene Guénon in seinem Werk „Der König der Welt“ dargestellten drei Funktionen König-Hohepriester-Prophet, die – in der Nachfolge Christi – in der Person des Kaisers jedenfalls bis Papst Bonifaz VIII. vereinigt sind.
Die Kaisermystik manifestiert sich in den Symbolen der Kunst, der Münzen, der Bilder, dem Hofzeremoniell und in der Liturgie selbst, ja das Hofzeremoniell stellt einen Teil der kirchlichen Liturgie dar: Reich und Kirche sind eins! Der rhomäische Kaiser ist die Ikone Christi und ein Strahl von Gottes Weisheit, im Palastzeremoniell des Weihnachtsfestes ist er der Lichtbringer. Im alten Rom ist der pontifex maximus das Oberhaupt aller Priester, er ernennt und überwacht sie, überwacht die Kulte in der Stadt und ist verantwortlich für den liturgischen Kalender. Die christlichen Kaiser üben diese Rolle weiter hinsichtlich des Christentums aus, abgesehen von der Verwaltung der Sakramente – Konstantin ist der 13. Apostel (isapostolos = apostelgleich); der Kaiser legt den Ostertermin fest, ordnet die Sonntagsruhe, beruft die Konzile ein und leitet sie, bestätigt deren Beschlüsse sowie die Papstwahl; alle juridische und administrative Gewalt, aber auch die Lehrgewalt liegt letztlich in seiner Hand (bis 1453, in Rußland bis 1917!).

Das Heilige Römische Reich des Mittelalters

Wir haben die Verhältnisse in der Spätantike und im Rhomäer-Reich ausführlich dargestellt, weil die Entwicklung im Westen nur verstanden werden kann z. T. als Übernahme von, z. T. als Auseinandersetzung mit „byzantinischen“ Vorbildern. Das päpstliche Rom hat langsam und methodisch den Westen von byzantinischen Zügen „gereinigt“, soweit es diese nicht selbst okkupieren konnte (die purpurnen Schuhe, die Tiere, die Proskynese, den Titel pontifex maximus usw.), was eine herkulische Aufgabe war.
Die nichtrömischen Liturgien des Westens (alle stark von östlichen Vorbildern beeinflußt) wurden systematisch unterdrückt; gegen die legitime fränkische Dynastie der Merowinger, die in byzantinischer Tradition stand und daher Rom unbequem war, wurde ein Staatsstreich inszeniert; die Gegenleistung der Karolinger: die Unterdrückung der altgallikanischen Liturgie. Ebenso wurde die keltische Liturgie und Spiritualität, wo der östliche Einfluß am größten war, verdrängt und die Werke des größten Denkers des frühen Mittelalters, Johannes Scotus Eriugena, verboten. Die Krönung Karls d. Großen durch den Papst ist eigentlich eine päpstliche Usurpation (Dante protestiert 400 Jahre später dagegen).
Seit dem 11. Jahrhundert sollte dann der politische Papalismus im Gefolge eines Gregor VII. das Kaisertum selbst zu usurpieren trachten. Vorerst ist es aber noch nicht soweit:
Die Reichsidee des Westens steht zuerst voll in der Tradition der Spätantike und Ostroms, die „byzantinischen“ Termini werden von den Westkaisern übernommen, das Imperium ist sacrum, sacralissimus, der Kaiser sacer sacrissimus dominus, nach seinem Tode divus, das Kaiser-Hohepriestertum kommt im Salbungsritual nach alttestamentarischem Vorbild zum Ausdruck, das in seiner Essenz gleich dem der Bischöfe ist. Der Kaiser ist vicarius Dei, vicarius Christi, caput christianae plebis, episcopus episcoporum, der Papst nur vicarius Petri. Daher ist es nur konsequent, wenn in der kirchlichen Liturgie der Kaiser seinen Platz im Kanon an hervorragender Stelle einnimmt, in eigener Votivmesse, in den Karfreitagsfürbitten und in den Osterlaudes.
Seit den Ottonen besteht das Reich i. e. S. aus der Trias Deutschland – Italien – Burgund. Der König von Deutschland (wie man das Ostfrankenreich nun nennt) wird durch die Krönung mit der Reichskrone in Aachen zum römischen König (und hat damit schon das Recht, die Herrschaft über das Gesamtreich auszuüben) und Augustus; den Kaisertitel erlangt er durch die Krönung in Rom. Insoferne ist die Bezeichnung „Römisch-Deutscher König“ im Gegensatz zum angeblichen „Römisch-Deutschen Kaiser“ sinnhaft – nur daß jener kein Reichsstand im deutschen Teil des Reiches, geschweige denn ein „Deutscher“ im Sinne des 19. und 20. Jahrhunderts sein mußte und das Deutsche Königreich, das auch umfangreiche romanische und slawische Gebiete umfaßte, nicht „deutsch“ im späteren Sinne war, weil die Volks- und Sprachzugehörigkeit vor dem späten 18. Jahrhundert keine politische Kategorie darstellte.
Die Reichskrone ist das Symbol für die himmlische Perfektion, für die Weisheit des Herrschers, für diejenigen Qualitäten, deren Repräsentant auf Erden er darstellt. Der Sternenmantel Kaiser Heinrichs II. aus purpurner und blauer Seide zeigt im Halbkreis das Bild des Kosmos – in der Mitte Christus Pantokrator, umgeben von Sonne und Mond, den Chören der Engel und den 24 Alten der Apokalypse, den Sternbildern, dem Zodiak, den Planeten und den pythagoreischen Zahlen, welche die Proportionen des Kosmos angeben; das Reich ist Abbild des Universums, der kaiserliche Hof Thron, der Ort, wo sich der Wille des Himmels auf Erden manifestiert und personifiziert, um ihn den Menschen aufzuerlegen gemäß dem Chor der Engel der Weihnachtsnacht: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden.
An sich hätten die beiden Konzepte von päpstlicher Stellung und Herrschersakralität einander nicht ausschließen müssen; die urprüngliche christliche Staatslehre sieht eine Harmonie von Kaiser und Papst vor, wie diese im christlichen Altertum, in Ostrom oder im Abendland unter den Ottonen (man denke an die Dyarchie Otto III. – Silvester II., die eine fast perfekte Verwirklichung des Ideals darstellte!) gegeben war. Später glaubte der Papst, die hohepriesterliche Stellung des Kaisers nicht mehr tolerieren zu können.
„Der (deutsche, Anm. H. L.) König muß ‚laisiert‘, ‚entgeistlicht‘, ‚verweltlicht‘ werden, wenn ihm das Kirchenregiment entwunden werden sollte. Die Zeichen der regere ecclesiam Dei, Ring und Stab, werden ihm indirekt im Wormser Konkordat aberkannt, die äußeren Bischofsehren wie die Gewandung werden ihm, letztere als solemnior habitus belassen.“ (E. Eichmann)

Die Papsttums-Häresie

Das Papsttum hatte schon sehr früh eine Konzeption ausformuliert, die ihm eine vorrangige Kompetenz in der Gesamtkirche sichern sollte. Dies war vorerst jedoch eine eher theoretische Angelegenheit. Papst Gelasius I. formulierte am Ende des 5. Jahrhunderts die Zweigewaltenlehre gegenüber dem Kaiser und forderte Gleichrangigkeit und Unabhängigkeit des Sacerdotiums vom Regnum. Zusammen mit der ominösen „Konstantinischen Schenkung“ (an deren Authentizität das Papsttum bis ins 19. Jahrhundert gegen alle Evidenz festhielt!) war das Fundament für die „Papsttumshäresie“ (H. Waldmann) gelegt, wenngleich diese erst im 11. Jahrhundert wirkmächtig wurde. An dieser Geschichtslüge ist wohlgemerkt nicht (wie im „Risorgimento“ behauptet) der Umstand subversiv, daß dem Papsttum angeblich die weltliche Hoheit über einen Teil Mittelitaliens eingeräumt wurde (alle Reichsbischöfe übten die Landeshoheit über größere oder kleinere Gebiete aus und waren – bis 1803! – ein wesentlicher Bestandteil des Reichsregiments), sondern vielmehr die Behauptung, Konstantin der Große habe bei seinem Umzug nach Konstantinopel dem Papste die kaiserliche Herrschaft im Westen übertragen: „Im offenkundigen Widerspruch zu ihren evangelischen Voraussetzungen versuchte sie (die Papstkirche, Anm. H. L.), das Imperium an sich zu bringen, und so kam der theokratisch-guelfische Versuch zustande“ (J. Evola). Gregor VII. fordert für sich die kaiserlichen Insignien und lehrt im dictatus papae, daß nur der Papst eine gewisse Amtsheiligkeit besitze, der Kaiser hingegen nur durch persönliches Verhalten, nicht aufgrund seiner Herrscherwürde. Der Papst habe die Vollmacht, den Kaiser abzusetzen und dessen Untertanen vom Treueeid zu entbinden, während er selbst von niemandem auf Erden gerichtet werden dürfe (bis zu Heinrich III. war es Usus, daß der Kaiser unwürdige Päpste absetzen könne). Dem Herrscher wird nicht einmal mehr eine Mittlerstellung zwischen Klerus und Laien zugebilligt.
Konsequenterweise ändert Innozenz III. die bisherige Salbungspraxis: die Salbung des Hauptes mit Chrisam ist dem Bischof vorbehalten, denn der Kaiser ist nicht das Haupt, sondern nur der Schwertarm der Kirche und wird daher – nur noch mit Katechumenenöl – an Schulter und Arm gesalbt, „um zu zeigen, wie groß die Differenz zwischen bischöflicher Autorität und königlicher Macht ist“ (Innozenz III.). Der Charakter der Herrscherweihe als Sakrament wird von der scholastischen Theologie verneint und zum bloßen Sakramentale herabgestuft. Während ein Sakrament einen spirituellen Einfluß vermittelt, der die ontologische Statur des Empfängers, sein Wesen, gültig und unauslöschlich ändert, ist ein Sakramentale eine Segnungszeremonie der Kirche, die im Unterschied zum Sakrament nicht auf Christus und die Apostel zurückgeht und den ontologischen Status des Empfängers unverändert läßt. Während also früher die Herrscherweihe als Variante der Bischofsweihe betrachtet wurde, handelt es sich nun um eine reine Segnungszeremonie des Königs, die der Segnung des Almviehs oder der von Autos vergleichbar ist.
Als eine Art von Ausgleich gewinnt nun der Aspekt der Krönung als Ausdruck der rein weltlichen Herrschaft innerhalb des Weihezeremoniells an Bedeutung. Das Ritual der Kaiserkrönung zeigt mit jedem Ordo den Wandel „vom Königspriestertum Karls des Großen zum Papstkaisertum Innozenz“ (E. Eichmann) immer stärker. Am Ende leistet der Kaiser dem Papste Zügeldienste als Ausdruck seiner Vasallität, er ist theoretisch des Papstes erster Untertan und minister und erhält nicht einmal mehr die Kommunion in beiderlei Gestalte.
In der Bulle Unam sanctam Bonifaz’ VIII. mit ihrer Zwei-Schwerter-Theorie (der Papst ist Inhaber der geistlichen wie der weltlichen Macht und gibt letztere an Kaiser und Könige weiter – offenbar inhaltlich unvereinbar mit der Zweigewaltenlehre!) erreicht die „Papsttums-Häresie“ ihren Höhepunkt. Aber auf den Triumph von Unam sanctam folgt die Ohrfeige von Anagni, und das Papsttum erreicht mit seiner Selbstüberhebung nichts anderes als das Heraufziehen der ersten Ausprägungen einer laizistischen Staatsidee, verkörpert in den bürgerlichen „Legisten“ Philipps des Schönen von Frankreich: Wenn man den obersten politischen Gewalten die Sakralität abspricht, ist die logische Konsequenz, daß diese sich von der geistlichen Autorität freimachen wollen – die Neuzeit ist geprägt von diesem Verlangen (Reformation, Gallikanismus, Aufklärung, Josephinismus, Liberalismus). Der Aufstand der Territorialfürsten gegen die universalen Mächte hat noch eine gewisse Größe; letzter Nutznießer der Kämpfe zwischen Kirche und Reich war aber der „Dritte Stand“, der homo oeconomicus, geprägt vom Verlangen, sich die größtmögliche Zahl von Wünschen minderwertiger Art zu erfüllen: Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, dessen Wiedergewinnung das letzte Ziel des Kaisertums darstellt, wird abgelöst von dem Traum vom Schlaraffenland.
Ein wesentlicher Aspekt des Scheiterns der Reichsidee ist das Aufkommen des Aristotelismus. Nach platonischer Vorstellung hat das Reich die kosmische Ordnung auf Erden zu spiegeln; die Scholastik betont die Verschiedenheit der Souveränitäten, die nationalen Unterschiede anstatt der Einheit der Christenheit und steht am Anfang eines rein rationalen Politikverständnisses. „Der christliche Orient und die erste Hälfte des westlichen Mittelalters hatten die Weisheit, sich einen Platon zu halten. Wenn dies so geblieben wäre, hätten der Rationalismus in der Philosophie und Pragmatismus und Empirismus in der Politik nicht den Sieg davongetragen.“ (J. Hani).
Die großen Kaiserdynastien des Mittelalters haben im Gegensatz zu Frankreich keinen „langen Atem“ und verlöschen nach wenigen Generationen (die dynastische Situation in Frankreich mit der Kontinuität der Kapetinger über fast ein Jahrtausend hinweg entspräche im Reich, daß die Ottonen 1806 immer noch regiert hätten!!). Mit dem Erlöschen (man könnte auch sagen: mit der päpstlich betriebenen Ausrottung) der Stauferdynastie ist der vorläufige Fehlschlag der großen Reichsidee manifest; territorial sieht sich das Reich immer mehr auf Deutschland beschränkt, trotz aller Versuche u. a. der Luxemburger, die alte Italienpolitik fortzusetzen. In diese Zeit fällt das Entstehen der eigentlichen ghibellinischen Programmschrift Dantes De Monarchia. An den Kaiser Heinrich VII., dem „Lamm Gottes“. (Von Dante ergeht die Versicherung, daß sich in der Person Heinrichs VII. die Eintracht der Planeten, Sterne und Elemente verkörpere, daß er der vorherbestimmte Erneuerer der Weltordnung sei. Im Paradiese Dantes steht der Baum der Erkenntnis, und auf ihm horstet der Reichsadler, der die durch den Sündenfall verdunkelte menschliche Natur wieder zur irdischen Glückseligkeit führt. Weil das Reich im Heilplane inbegriffen ist, da es die Menschen auch zum ewigen Heil zu führen hilft, sieht Dante den Reichsadler im Himmel.)
Hinter dem Gralsmysterium, das sich im 12. Jahrhundert wie aus dem Nichts heraus manifestiert, verbirgt sich – das ist nur eine unter mehreren Interpretationsebenen! – auch die Restauration des Kaisertums nach byzantinischem Vorbild. Durch den papalistischen „Putsch“ wird das Kaisertum zutiefst verwundet – wie Amfortas. Was ist seine Rolle? Antwort darauf kann nur in Begriffen von Mythos und Ritual gegeben werden, und die Gralsliteratur kreist um eine Liturgie, die offenkundig byzantinisch inspiriert ist; nur eine byzantinische kirchliche Ordnung kann das Kaisertum gesunden lassen: „Der Hof des Grals, der zu neuem Glanz zu bringen gewesen wäre, ist das mittelalterliche Reich selbst.“ (J. Evola) …
In der historischen Situation des Spätmittelalters hätte die Möglichkeit einer faktischen Umwandlung des Reiches in einen „deutschen“ Territorialstaat bestanden, und deutschnationale Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts werden nicht müde zu beklagen, daß dies faktisch nicht geschah. In Wirklichkeit wurde nämlich im Gegenteil das deutsche Königtum vom Römischen Kaisertum „aufgesogen“ und verschwand als eigenständige Entität; zweifellos kann dieser Vorgang als providentia betrachtet werden. Gleichzeitig beginnt der Prozeß der „Staatswerdung der Einzelterritorien des Reiches, der 1648 in der Gewährung der vollen Länderhoheit gipfeln sollte. Vom – anachronistischen – deutschnationalen Standpunkt aus verhängnisvoll, weil die Entstehung eines einheitlichen Territorialstaates à la Frankreich verhindernd, stellt die Entwicklung für das Reich keine Verminderung, sondern eine ideelle Erhöhung dar; das Reich ist kein Staat, sondern eine Rechtsordnung über den Einzelstaaten – so sah es schon Kaiser Friedrich II.

Das Reich in der frühen Neuzeit

Es ist in einer gewissen preußisch-deutsch-protestantischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts üblich, die Reichsidee mit dem Ende der Staufer als endgültig erledigt zu betrachten; die ganze weitere Geschichte bis 1806 wird als fortgesetzter Verfallsprozeß betrachtet, symbolisiert durch das verhaßte Haus Habsburg. Diese Kreise vergessen in ihrer verengten Sicht völlig die territorial ins Weltweite gesteigerte Monarchie Karls V. und erst recht die Wiederauferstehung des Reiches in der Barockzeit.
In diese Epoche fällt auch die Wiederaufnahme der kaiserlichen Italien-Politik, und als Joseph II. Rom besucht, jubelt die Volksmenge ihm zu: „Siete a casa.“ (Ihr seid daheim) Es gibt wohl kaum ein irrigeres Schlagwort als die Auffassung nationalistischer Kreise nördlich wie südlich der Alpen, wonach der Barock eine Zeit des Niedergangs gewesen sei. Der Barock hat das Nationalitätenproblem gelöst, bevor es überhaupt entstand; er verlieh den so verschiedenen Ländern und ihren vielen Völkern die Einheit seiner kulturellen Sprache: die Einheit in der Vielfalt, die concordia disconcordantium, die Versöhnung der Gegensätze ist das Wesen des Barocks wie des Reiches. Dieser spezifisch österreichische Barock ist der Versuch einer Restauration des Heiligen Reiches unter der Obhut des Kaisers; in der Einigung der Künste und Wissenschaften unter der Führung imperialer Vernunft, die nichts zu tun hat mit der utilitaristischen Aftervernunft der Aufklärer und Positivisten, in einer Apotheose des Glaubens, des Wissens, einer Lebensordnung, in der Hoch- und Volkskultur keinen Gegensatz darstellen. Dieses Programm wurzelt in der historischen Situation der kaiserlichen Siege über Protestanten, Franzosen und Türken, im spanischen Großen Welttheater, im burgundischen Erbe, der italienischen Oper und des „großösterreichischen Bauwillens“ (Fr. Heer), der – trotz aller josephinischen und francisco-josephinischen Verengungen – im Kern bis 1918 durchgehalten wird (der Thronfolger Franz Ferdinand als Bauherr der Neuen Hofburg!); diese kaiserliche Weltbaukunst ist sinnliche Demonstration der Weltordnung, die kosmisch-irdisch in allen Lebensbereichen ist und in deren Zentrum der kaiserliche Hof steht …
Das letzte Rom des Abendlandes war das Wien der Habsburger, des letzten Kaisergeschlechtes, das barocke Wien; als sein Mittelpunkt war die Karlskirche gedacht, die Hagia Sophia des Westens, die Reichskirche des neuen Rom an der Donau. Der barocke „Reichsstil“ (H. Sedlmayr) als verjüngte Form des Mittelalters bedeutet den letzten gelungenen Versuch der unio mystica et terrena, was selbst große traditionale Denker wie R. Guénon und F. Schuon – vom französischen Cartesianismus geprägt – nicht erkannten. Unsere heutige Zivilisation als Produkt des puritanisch-protestantischen Westens (in katholischen Landen auch des Jansenismus) ist zweckrational, bürgerlich-merkantil, bürokratisch, technisch, ohne Eros, ohne Spiel. Spiel, Fest, Feier, Kult, Kunst gehören wesenhaft zusammen in einer traditionalen Gesellschaft; barocke Staatskunst ist hohes Spiel, weltenweit entfernt vom bierernsten Politikverständnis rationalistischer Spießbürger des 19. und 20. Jahrhunderts, einer engbrüstigen, engstirnigen Niederaufklärung, der historisch die Zukunft gehören sollte. Industrie, Technik, Maschinen sind in dieser höfisch-barocken Feierwelt nur dazu da, Feste zu gestalten, das Leben kunstvoll zu erhöhen; so noch die Aussage im Rosenkavalier Hofmannsthals, des großen neubarocken Dichters: „Leicht muß man sein! (…) Die nicht so sind, die straft das Leben, und Gott erbarmt sich ihrer nicht.“
Die Vielfalt der unzähligen kleinen Herrschaftsgebilde, deren Existenz das Reich sichert, bildet die Grundlage für die größte und freieste Kulturentwicklung, die je auf „deutschem“ Boden gewachsen ist. „Glücklich waren die Deutschen nur im alten Reich, in dieser so komplizierten, umständlichen, von tausend Reibereien und Streitigkeiten erfüllten Schloß-Ordnung. Der neue Staat (im 19./20. Jahrhundert) hat sie überanstrengt und überfordert und hat von Anfang an die politische Phantasie der Deutschen verdorben.“ (Fr. Heer)
Die „Vereinfachung“ dieser – in den Augen der Aufklärer – „unerträglichen“ Zustände beginnt mit der Eroberung Schlesiens durch Preußen; von dort führt ein direkter Weg nach Königgrätz: das neue Deutschland, das sich Preußen aus der Erbmasse des Reiches erbeuten sollte, wird herrisch-männisch, erobernd, militärisch. Die schrecklichste Eroberung Friedrichs II. ist jedoch, daß Joseph II. sich ihn zu seinem Vorbilde erwählen sollte. Sich der „Dialektik der Aufklärung“ unterwerfend, tut dieser unselige Kaiser alles, die traditionale Reichsordnung und damit die Grundlagen der eigenen Herrschaft zu zerstören – schon ein Jahrzehnt vor der französischen Revolution! Von dieser aus erblickt die Religion des Nationalismus das Licht der Welt und führt die ausdrückliche Verleugnung der alten Reichsidee herbei. Schon früher hatte es Umwälzungen gegeben, immer wollte man damit aber das gute alte Recht wiederherstellen: „Erst seit 1776 und 1789 gibt es die Vorstellung, daß eine Neuordnung rechtens ist, nicht obwohl, sondern weil sie dem Bestehenden widerspricht, daß eine Ordnung ungerecht ist, nicht obwohl, sondern weil sie althergebracht ist.“ (K. Schwarzenberg).
Und doch wirkt die Tradition nach: der Usurpatorkaiser Napoleon erklärt sich zum Nachfolger Karls d. Großen, läßt sich vom Papste weihen, heiratet die Tochter eines echten Kaisers. Um der Gefahr vorzubeugen, daß sich Napoleon zum Römischen Kaiser wählen lassen werde, erklärt Franz II. das Reich 1806 für aufgelöst (wozu er formaljuridisch nicht berechtigt war, was aber völlig den politischen Tatsachen entsprach).
Doch schon 1804 hatte er den Titel eines Erbkaisers von Österreich angenommen, nicht reduziert auf irgendein Territorium, sondern als Oberhaupt des Erzhauses (und damit unabhängig vom Verlust einzelner Länder). Österreich ist nicht das alte Kaisertum, es mußte vom – vorhersehbaren – Verlust des römischen Kaisertums unabhängig sein; daher wurde auch ein vom Reichsadler verschiedener – unnimbierter – Kaiseradler angenommen (der „Christliche Ständestaat“ sollte programmatisch den nimbierten Doppeladler des alten Reiches wiederaufnehmen) und eine neue Herrscherzählung begonnen. Andererseits waren Franz II./I. und dessen Nachfolger die Erben der römischen Kaiser, daher wurden für sie auch die liturgischen Gebete in der alten Form weiter verrichtet (erst Pius XII. streicht sie aus dem Missal). Natürlich konnte Franz I. keine Kosmokratie mehr beanspruchen und versagte sich auch 1815 der Neubegründung des Reiches, für welche die Voraussetzungen nicht mehr gegeben waren.

Literaturverzeichnis

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Eduard Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, 2 Bde.; Würzburg 1942
Franz-Rainer Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter; Stuttgart 2006
Julius Evola, Das Mysterium des Grals; Schwarzenburg 1978
Richard Faber, Die Verkündung Vergils. Reich – Kirche – Staat; Hildesheim 1975
Jean Hani, La Realeza sagrada. Del Garcón al cristianísmo rey; Palma d. M. 1998
Horst Haselsteiner/Heinrich Schuschnigg (Hg.), Die Kaiserreiche. Roms Erben; Wien
2004
Friedrich Heer, Das Heilige Römische Reich. Von Otto dem Großen bis zur Habsburgischen Monarchie; München 1977
Ders., Der Kampf um die österreichische Identität; Wien 1981
Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, 2 Bde.; Stuttgart 1980, 5. Auflage
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