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Causa Grasser

Sieben Jahre hat die Staatsanwaltschaft gebraucht, um zu einer Anklage gegen Karl-Heinz Grasser zu kommen. Sieben existenzvernichtende Jahre, in denen dieser Mann keiner normalen beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte, sind ein rechtsstaatliches Skandal, besonders in einem Land, das schon Mörder nach kürzerer Haftzeit auf freien Fuß entläßt. 

Das mögliche Ergebnis hat Dr. Andreas Unterberger, ehemaliger Chefredakteur der „Presse“ und der „Wiener Zeitung“, auf seinem Internetblog www.andreas-unterberger.at am 22. Juli 2016 wie folgt zusammengefaßt: „700 Einvernahmen; 600 Hausdurchsuchungen, Kontenöffnungen und Telefonüberwachungen; 40 Rechtshilfeersuchen ans Ausland: Für diesen gewaltigen, an die Türkei erinnernden Aufwand ist das nun vorliegende Beweisergebnis äußerst mager. In etlichen … Punkten, in denen die Staatsanwaltschaft ebenfalls gegen Grasser Beweise zu sammeln versucht hat, mußte das Verfahren überhaupt eingestellt werden. In den zwei nun angeklagten Punkten scheint die Beweislage gegen etliche Mitangeklagte sehr dicht zu sein – aber gerade gegen Grasser nicht.“

Feststeht, daß via Meischberger Gelder für die Weitergabe relevanter Informationen geflossen sind. Doch kaum an Grasser, weshalb Unterberger seinen Freispruch für nicht unwahrscheinlich hält. Als eigentlichen Drahtzieher im Hintergrund sieht er Jörg Haider: „Er hat auch Politik so verstanden, daß in jenen Jahren nun die FPÖ zum Abkassieren dran ist, nachdem sich so lange nur die anderen beiden Parteien den Futtertrog geteilt haben. Haider wollte offensichtlich bei jeder größeren Transaktion der Bundesregierung mitschneiden. Vermutlich nicht für sich, sondern die Partei. Und der für solche Aktionen als Drehscheibe auserkorene Parteifreund war Meischberger. 

Grasser hingegen war in seinem Ehrgeiz eher ganz von seiner persönlichen Rolle erfüllt. Er wollte unbedingt zum besten Finanzminister der Republik zu werden. Da scheint es recht unwahrscheinlich, daß er sich persönlich bestechen hat lassen. Sein Verschulden dürfte eher auf anderer Ebene gelegen sein: Er dürfte seinen Parteifreunden Haider oder Meischberger aus Parteiloyalität oder Naivität bisweilen mehr erzählt haben, bisweilen ihrem Drängen, bestimmte Entscheidungen zu treffen, mehr nachgegeben haben, als er eigentlich gedurft hätte. Das war dann wohl ein Amtsmißbrauch, aber weit weg von der angeklagten Bestechung … .“

 
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