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Treue und Glaube

Von Benedikt Kaiser

Das ideengeschichtliche Vermächtnis von Antoine de Saint-Exupéry

Weltweit berühmt ist der französische Schriftsteller und Pionier des Luftverkehrs Saint-Exupéry (1900–1945) insbesondere aufgrund seiner Bestseller-Erzählung Der kleine Prinz, die in dutzende Sprachen übersetzt wurde und von der bis heute 135 Millionen Exemplare abgesetzt werden konnten. Weniger bekannt ist zumindest im deutschen Sprachraum die politische und philosophische Essenz des Gesamtwerkes. Exupérys Gedanken kreisen um Gott, die Liebe (zu Gott und den Menschen) und das Prinzip der Treue (zu seiner Einheit, im Glauben). Im folgenden soll der Kerngehalt seines Oeuvres kursorisch vorgestellt werden.

Wenn man Antoine de Saint-Exupéry auf irgendeine Art und Weise jenen Literaturliebhabern faßbar machen wollte, die wenig oder keine Kenntnisse seiner Texte haben, wäre es zwar verkürzend, aber nach Ansicht des Verfassers als erste Annäherung sinnvoll, seinen Stil und Inhalt als eine Art Mischung aus Ernst Jünger, Henry de Montherlant und Georges Bernanos zu begreifen.1
Mit Jünger besitzt er die Gemeinsamkeit, kenntnisreich wie auch abgeklärt über die Ritterlichkeit, das Erlebnis sowie das Momentum der Schlacht bzw. der Schlachtbeobachtung zu schreiben; mit Montherlant verbindet Saint-Ex, so der Spitzname bei den Kameraden, die elitäre und aristokratische Grundhaltung; mit Bernanos teilt er den unbedingten Glauben an Gott und die Fähigkeit, diesen begreiflich in Romanwerke einzuweben2, ohne dem Leser mittels Bekehrungseifer zu begegnen.
Antoine de Saint-Exupéry, 1900 in Lyon zur Welt gekommen, sitzt als 12jähriger das erste Mal in einem Flugzeug, was ihn nach eigenem Bekunden in Ekstase versetzt. Zu jung für den Einsatz im Ersten Weltkrieg, schließt er 1917 erfolgreich die Schule ab und immatrikuliert sich im Fachbereich Architektur, da er an der Französischen Marineschule abgelehnt wird. Es sind dies die Leidenszeiten des jungen Flugbegeisterten, der von „Job“ zu „Job“ wechselt, ohne aber seiner Passion näherkommen zu können. Erst 1926 erhält er eine Anstellung in einem Flugunternehmen, ein Jahr später wird er Postflieger zwischen Frankreich und den Kolonien im Norden Afrikas, 1929 nimmt er sogar eine leitende Stelle im argentinischen Luftverkehr ein. Neben diesen Tätigkeiten als fliegender Kurier unternimmt Saint-Exupéry Rekordversuche. Seine Abenteuerlust und die Suche nach dem Neuen, dem Unbekannten, lassen ihn dabei zweimal infolge eines Absturzes lebensbedrohlich verletzt werden. Einmal – in der libyischen Wüste – überlebt er dank Nomaden, die seinen Kameraden und ihn finden; das andere Mal, beim Flug von der US-amerikanischen Ostküste an die südamerikanischen Ausläufer Feuerlands im Jahre 1938, bleiben nachhaltige gesundheitliche Schäden zurück. Diese Erfahrungen braucht der Tat-Mensch Exupéry offensichtlich für seine literarische Geburt. Er verarbeitet sie im Südkurier (1928), dem Nachtflug (1931) sowie in Wind, Sand und Sterne (1939). Im letztgenannten Werk, im Original Terre des hommes, positioniert sich der Autor kurz nach seinem Feuerland-Abenteuer mittelbar gegenüber dem Vorwurf der Todessehnsucht. „Mensch sein“, heißt es, bedeutet „Verantwortung fühlen“. Und weiter führt der Protagonist aus: „Ich pfeife auf Todesverachtung. Sie ist nur ein Zeichen geistiger Armut oder jugendlicher Unreife, wenn“ – und das ist entscheidend für ihn – „sie nicht in einer übernommenen Verantwortung wurzelt.“3

Nutzloses Dienen

Verantwortung übernehmen in der Stunde des allgemeinen Zerfalls der französischen Armee 1940: Das heißt für Saint-Exupéry, „dennoch die Schwerter halten“ (Gottfried Benn), auch wenn die Niederlage greifbar ist. Das heißt auch, das scheinbar „nutzlose Dienen“ (Henry de Montherlant4) exemplarisch vorzuleben. In dieser Haltung des verlorenen Postens kann man einen Stil erkennen. Und Saint-Exupéry war durchaus überzeugt davon, daß Stil und Haltung, Stil und Persönlichkeit zusammengehören. „Denn der Stil ist die Seele. Und man erschafft nur insoweit diese Seele, als man sich einen Stil schmiedet. […] Sich bewußt werden, heißt, einen Stil erwerben. […] Im Stil steckt die Bemühung, und sie ist Handlung.“5
Der handelnde, tätige Mensch – Vita activa (Hannah Arendt) – ist eines der Leitmotive Saint-Exupérys, und der Drang nach Handlung hieß bei ihm ganz konkret: Sehnsucht nach dem Fliegen. Endlich – und gesundheitlichen Widrigkeiten zum Trotze – in der Luftwaffe, erhält Saint-Ex nach einem Aufklärungsflug über Arras, unweit von Lille, das Kriegsverdienstkreuz mit Palme, was ihn veranlaßt, 1942 die – von den nationalsozialistischen Besatzern verbotene – Erzählung Flug nach Arras zu publizieren. In ihr beschreibt er nicht nur das Leben mit den Kameraden, das Dienen trotz der sich anbahnenden Niederlage, sondern durchdenkt auch die Option der résistance gegen die Feinde Frankreichs: „Der erste Akt des Widerstandes, kommt er zu spät, ist immer verlustreich. Aber er ruft den Widerstand wach. Vielleicht geht aus ihm wie aus einem Samenkorn ein Baum hervor.“ Saint-Ex zeigt sich überzeugt, daß „[d]ie Niederlage sich als der einzige Weg zur Erneuerung erweisen [kann], trotz ihrer Häßlichkeiten.“6 Anders als für viele konservative, rechte und faschistische Schriftsteller seiner Zeit ist die Kollaboration nach dem Untergang jedoch im Sinne Saint-Exupérys keine adäquate Lösung, sie würde die Treue zur Heimat negieren. Viele französische Rechtsintellektuelle, die die deutsche Karte spielen, hätten dem eben zitierten Satz und der Interpretation der Niederlage als Chance für eine Neugeburt Frankreichs vollends zugestimmt, nicht aber der Diagnose von Frankreichs Schwäche. Für Saint-Exupéry, bei Drucklegung des Manuskripts Flug nach Arras bereits im US-amerikanischen Exil, spaltet die Niederlage das intakte Hexagone, sie „zerlegt, was ganz war“7. Für das Gros der Kollaborateure war Frankreich hingegen bereits durch die Epoche der Dritten Republik (1871–1940) fragmentiert und in feindliche ideologische Blöcke geteilt. Frankreich habe verloren wegen einer inneren Zerrissenheit, die es für Dekadenzerscheinungen anfällig machte. Diese Überlegung läßt Saint-Exupéry nicht gelten. Die Treue zum Vaterland Frankreich verbietet ihm Derartiges. Man fühlt sich unweigerlich an das englische „Right or wrong – my country!“ à la française erinnert.

Kritik der Gleichheit

Dabei ist Saint-Exupéry – strenggenommen – kein Republikaner8, das Prinzip der Gleichheit – fundamentaler Bestandteil der französisch-republikanischen Trias „Liberté, Egalité, Fraternité“ – lehnt er ab. In der Moderne sei ständig eine solche Gleichheit aller Menschen gepredigt worden. Weil aber der Einzelne, der Mensch, die Persönlichkeit, vergessen wurde, ist der Begriff für Saint-Exupéry unscharf und überholt: „Wie soll man die Gleichheit auf der Ebene der Individuen, zwischen dem Weisen und dem Rohling, dem Dummkopf und dem Genie, definieren? Wenn wir sie festlegen und verwirklichen wollen, verlangt die Gleichheit auf der Ebene der Stoffe, daß diese alle denselben Platz einnehmen und dieselbe Rolle spielen. Das ist absurd.“9 Gleichheit existiere nur in konkreten Einheiten, nicht als Abstraktum: „Man kann nur innerhalb einer Einheit Bruder sein. Wenn es kein einendes Band für sie gibt, sind die Menschen nebeneinander gestellt und nicht miteinander verbunden. Man kann nicht Bruder schlechtweg sein. Meine Kameraden und ich sind Brüder in der Gruppe 2/33. Die Franzosen in Frankreich.“10 In seinem Fragment gebliebenen, 1948 posthum veröffentlichten Werk Citadelle, das in der deutschen Übersetzung unter dem Titel Die Stadt in der Wüste firmiert und dessen erste Seiten er Ende der 30er Jahre ausgerechnet dem späteren collabo Pierre Drieu la Rochelle vorlas, ergänzt er diese Kritik: „Ich wurde gewahr […], daß er [der Mensch, B. K.] ebenso wertlos ist, wenn er in der Masse aufgeht, wenn er sich von ihr beherrschen läßt und sich ihren Gesetzen unterwirft.“11 Die Konsequenz aus dieser Haltung läßt sich unschwer erkennen: „Verachte deshalb die Urteile der Masse! Denn sie führen dich auf dich selbst zurück und hindern dich am Wachsen.“12 Die Kritik der abstrakt-universalen Gleichheit und der „Vermassung“13 darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Saint-Exupéry durchaus von Liebe beseelt ist. Zuallererst gilt diese Liebe Gott. Die fortschreitende Säkularisierung wird von ihm beanstandet – eine religiöse Renovatio sei erforderlich, die Religion müsse „die Menschen ergreifen, sie kann sie sich nicht unterwerfen“.14 Dafür muß sich der Mensch jedoch einiger Dinge gewahr werden: „Jedes Herzklopfen, jedes Leid, jedes Verlangen, jede Schwermut am Abend, jede Mahlzeit, jede Mühe bei der Arbeit, jedes Lächeln, jede Müdigkeit im Laufe des Tages, jedes Erwachen, jedes Wohlbehagen beim Einschlafen – sie alle erhalten ihren Sinn durch den Gott, der durch sie hindurch zu lesen ist.“ Saint-Exupérys kritisches Bild vom Menschen seiner Zeit bedeutet nicht, daß er den Menschen für unwiderruflich gefühlstot hält; noch sei der Mensch zur Liebe fähig. Denn schon „das Verlangen nach Liebe ist Liebe“15, schreibt er, und sieht darin die Hoffnung keimen, daß der einzelne Mensch als liebendes Wesen – durch die Nächstenliebe, die Gottesliebe – weiterhin existiert und die Grundlage für erneuertes, achtungsvolles Zusammenleben schaffen kann. Franz Werfels Diktum „Ohne Divinität keine Humanität“ könnte auch als eine Lehre derartiger Reflexionen des Fliegerschriftstellers begriffen werden.

Heimatlos rechts

Weshalb positioniert sich der gottgläubige16, konservative17 und sogar nationale18 Schriftsteller 1940 ff. im Lager der Alliierten, neben USA und UdSSR? Wieso geht er nicht den – zweifellos zum Scheitern verurteilten – Weg seines guten Freundes Drieu la Rochelle19? Es ist nicht die Sympathie zum „Westen“, dessen kapitalistische Wirtschaftsordnung er als Schaden für die Geistigkeit wertet20, und, erst recht nicht, zum „Osten“, bei dem er ideologisch keine Übereinstimmungen erkennt. Vielmehr tragen zwei andere Faktoren dazu bei. Zum einen ist Saint-Exupéry nicht Willens, die Zusammenarbeit mit Besatzern zu unterstützen. „Wagnis“ und die „Treue bis zum Tod“ gegenüber dem Eid und seinem Lande bezeichnet er pathetisch als „Pflichterfüllungen“, die dazu beitragen, „das Edle im Menschen hervorzubringen“.21 Kollaboration bedeutet in dieser Lesart Verrat an der selbst postulierten Treue und Verrat an Frankreich. Zum anderen entwickelt Saint-Ex, der auch jedweden Antisemitismus beharrlich ablehnt und sich daher mit keinem Flügel der französischen Rechten akklimatisieren kann, nie die heute naiv anmutende Sympathie für Hitlers Deutschland, wie sie beispielsweise für Drieu, Lucien Rebatet, Exupérys Kritiker Robert Brasillach oder, noch in erhöhter Intensität, für Alphonse de Châteaubriant mindestens bis 1942 kennzeichnend war. Für Saint-Exupéry – wie ja durchaus auch für die collabos – ist klar, daß es keine Nischen im „Weltbürgerkrieg“ (Sigmund Neumann22) geben würde. Er stellt fest, daß es nunmehr zwei Möglichkeiten für einen französischen Patrioten gäbe; „entweder ist man bereit, Hitlers Sklave zu sein oder man lehnt ihn in Bausch und Bogen ab.“23 Er entscheidet sich für die Ablehnung, auch weil er bei den Nationalsozialisten keinerlei Ehrfurcht vor dem von Gott geschaffenen Menschen finden kann. Der NS ist für ihn eine Ideologie der totalitären Gleichheit und der Gleichschaltung, in der ein „Roboter eines Termitenhaufens“24 die Stelle der menschlichen Persönlichkeit einnimmt. Im Umkehrschluß heißt das nicht, daß Saint-Exupéry im Lager der heterogen zusammengesetzten Résistance allzu große Beliebtheit erfährt. Die zeitgenössischen Marxisten reiben sich nicht nur an seinem Antimarxismus, und für Anhänger der parlamentarischen Demokratie wird der berühmt gewordene „Brief an die Franzosen“ keineswegs als eine Werberede für ebendiese Regierungsform wahrgenommen. Saint-Ex spricht in „preußischer“ Diktion vom Dienen als oberstem Prinzip, von der Überwindung von jedwedem „Parteigeist“, er ruft, auch und insbesondere angesichts der Besatzung, die Franzosen zum Haß gegen „Parteien, die Klüngel und die Spaltungen“ auf.25 Dies stellt keine Brandrede für die Parteiendemokratie dar, sondern hier spricht die Hoffnung auf ein geeintes und starkes Frankreich, ohne aber analog jenen mit Haß zu begegnen, die sich – im unerschütterlichen Glauben, durch ihr Engagement etwas Positives für das Land leisten zu können – für die Option ‚Kollaboration‘ entschieden hatten. Saint-Exupéry weiß um die tödliche Sprengkraft interner Auseinandersetzungen und er leidet daran. Schon als Beobachter im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) zeichnet er auf: „Im Bürgerkrieg ist die Grenze unsichtbar und geht durch das Herz der Menschen hindurch …“26 Jürgen Hatzenbichler stellt daher zu Recht fest, daß weder die Sieger noch die Verlierer des Zweiten Weltkrieges für das kämpften, wofür Saint-Exupéry eintrat.27

Totalitarismuskritik „avant la lettre“

Saint-Exupéry startet am 31. Juli 1944 zu seinem letzten Aufklärungsflug im Großraum Grenoble, von dem er nie zurückkehrt. Ob er von der deutschen Flak abgeschossen oder Opfer eines Unfalls wurde, ob er gar den Freitod vorzog, ist bis heute nicht gänzlich geklärt. Offiziell wird zwar ein deutscher Abschuß vermutet, aber sein letzter Brief vom Tage des Fluges, in dem der Abschied anklingt, nährt Spekulationen über ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben: „Sollte ich abgeschossen werden, werde ich rein gar nichts bedauern. Vor dem künftigen Termitenhaufen graust mir. Und ich hasse ihre Robotertugend.“28 Klar ist nicht nur aufgrund dieser Zeilen, daß die Welt nach dem Krieg, so wie sie sich für Saint-Exupéry abzeichnete, nicht seinen Vorstellungen entsprach. Von der Nachkriegsordnung erwartete er nichts, in keinem der möglichen Kriegsresultate. Es bietet sich an, aufgrund des hohen Grades an Verbitterung und der frühzeitigen Kritik an Totalitarismen wie auch an einer Massengleichschaltung in Richtung des erst später so apostrophierten „eindimensionalen Menschen“ (Herbert Marcuse), die Empfindungen Saint-Exupérys ausführlich zu zitieren: „Wir sind erstaunlich gründlich kastriert. So sind wir schließlich nun frei. Man hat uns Arme und Beine abgeschnitten, dann ließ man uns frei herumlaufen. Doch ich hasse diese Epoche, in der der Mensch unter dem allgemeinen totalitären Druck zu sanftem, höflichem und ruhigem Vieh wird. […] Was ich am Marxismus hasse, das ist das Totalitäre, zu dem er führt. […] Was ich am Nazismus hasse, das ist das Totalitäre, das er wesensmäßig anstrebt. […] Doch was wird aus den Vereinigten Staaten und aus uns, ja auch aus uns, in dieser Epoche eines allgemeinen Funktionärtums? Der Epoche des Robotermenschen, des Termitenmenschen, des Menschen, der hin- und herpendelt zwischen Fließbandarbeit […] und Skatspielen? Des Menschen, der seiner ganzen Schöpfungskraft beraubt wurde und der nicht einmal mehr in seinem Dorf einen Tanz oder ein Lied hervorzubringen vermag. Des Menschen, den man mit einer Konfektionskultur, mit Standardkultur versorgt, so wie man das Rindvieh mit Heu versorgt. So sieht er aus, der Mensch von heute.“29 – Man möchte meinen, daß dies nicht die Worte eines Menschen sind, der sich mit der zu erwartenden Friedensgesellschaft arrangiert hat. Saint-Exupéry geht als „heimatloser Rechter“ in die Geschichte ein, der, bei aller Deutlichkeit seiner vertretenen Positionen, nie den Respekt vor dem Gegner aus den Augen verlor. „Ein Mensch verdient Achtung“, so ein in der heutigen Sphäre der Politik längst durch denunziatorische Meinungsmache und Verleumdungen desavouiertes Lebensprinzip Saint-Exupérys, „einerlei, welche Ideen er vertritt.“30
Dieses ritterliche Leben Saint-Exupérys vor Augen, erscheint der Autor von "Der kleine Prinz" nicht nur als Schöpfer ebendieses intelligenten und geistreichen Kinderbuches (das – wie der Autor beabsichtigte – verständlicherweise auch Erwachsene begeistert), sondern ebenso als Denker der Kameradschaft, der Kühnheit, der Treue, der gegenseitigen Achtung und der freien, starken Persönlichkeit. Aber er ist noch mehr als das. Mit seiner tiefen Verwurzelung im christlichen Glauben, den er, bei aller Verzweiflung, nie verlor, verkörpert Antoine de Saint-Exupéry überdies die ewig gültigen Säulen des Lebens: Glaube, Hoffnung, Liebe (1 Kor 13,13).

Anmerkungen

1  Alain de Benoist zieht zumindest in bezug auf die Aphorismen einen ähnlichen Vergleich: Für ihn stehen Saint-Exupérys aristokratische Natur und die Kritik der bürgerlichen Werte Montherlant und Bernanos nahe. Vgl. Benoist, Alain de: Saint-Exupéry, Antoine de, in: Vordenker. Staatspolitisches Handbuch, Bd. 3, Schnellroda 2012, S. 190 f.
2  Gleichwohl eingeschränkt werden kann – und eingeschränkt wurde –, daß Saint-Exupérys Katholizismus auffallend wenig Jesus Christus enthält. Ihn deswegen als „Mystiker ohne Glauben“ zu bezeichnen, erscheint weit übertrieben. Die Kritik hingegen, das Katholische sei bei ihm vor allem anderen die Betonung der christlichen Wertegebundenheit und die Faszination für den Ritus, die Autorität, den Stil, trifft allem Anschein nach zu. Zur Diskussion vgl. insb. Estang, Luc: Antoine de Saint-Exupéry, Hamburg 1958, S. 129–132.
3  Saint-Exupéry, Antoine de: Wind, Sand und Sterne, in: ders.: Gesammelte Schriften in drei Bänden, Bd. 1, München 1978, S. 175–340, hier: S. 210.
4  Unbedingt lesenswert ist die gleichnamige, neu aufgelegte Textsammlung Montherlants: Nutzloses Dienen, Kaplaken, Bd. 29, Schnellroda 2011.
5  Saint-Exupéry, Antoine de: Carnets, Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 239–357, hier: S. 300.
6  Ders.: Flug nach Arras, in ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 1, a. a. O., S. 341–487, hier: S. 422 f.
7  Ebd., S. 465.
8  Nicht einmal die Hymne der Republik schätzte er: „Nun aber enthält die Marseillaise vor allem den Haß des Pöbels auf alle Führergestalten.“ In: ders.: Carnets, a. a. O., S. 243.
9  Ders.: Flug nach Arras, a. a. O., S. 479.
10  Ebd., S. 474.
11  Ders.: Die Stadt in der Wüste, in: Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 2, S. 135.
12  Ebd., S. 183.
13  Es ließen sich zahlreiche weitere kritische Ausführungen nennen. In seinen aphoristischen Carnets führt er u. a. aus, „daß die Herrschaft der Masse die bedrückendste und ungerechteste ist, die es geben kann.“ Und: „Wenn das Individuum nicht die Masse tyrannisieren darf, so darf die Masse ihrerseits nicht das Individuum erdrücken.“ Carnets, a. a. O., S. 268 f.
Man fühlt sich nicht nur an dieser Stelle an Alexis de Tocqueville und Nicolás Gómez Dávila erinnert.
14  Ders.: Die Stadt in der Wüste, a. a. O., S. 455.
15  Ebd., S. 536.
16  Insbesondere in Die Stadt in der Wüste häufen sich die Referenzen an Gott. Unter anderem läßt Saint-Ex seinen Protagonisten Kaid beten: „Denn du bist, o Herr, das gemeinsame Maß für den einen wie für den anderen. Du bist der Knoten, in dem alles Tun sich verknüpft.“ Ebd., S. 643.
17  „Solange ich nichts Besseres habe, halte ich mich an den Rahmen, der mir überliefert ist… Und das heißt, im guten Sinne, konservativ sein.“ Ders.: Carnets, S. 248. [kursiv im Original]
18  Dies allerdings immer maßvoll und nie im chauvinistischen Sinne, davor schützte ihn schon der Glaube: „Ich kann sagen, daß mir der italienische Katholik, der über die Charakterbildung, die Rolle, den Sinn des Menschen ebenso denkt wie ich, näher steht als einer, dessen Verwandtschaft nur durch den Klang der Sprache […] und die Bodeneinteilung ihren Ausdruck findet. Vaterland ist das geistige Erbe.“ Carnets, a. a. O., S. 277. Hier trifft sich der katholische Solitär mit dem anti- oder zumindest nichtkatholischen Solitär Julius Evola, dessen „Das Vaterland ist die Idee“ gleichermaßen das gemeinsame geistige Erbe als Bedingung für eventuelle Kooperation bewertete und keinen „Materialismus des Blutes“ tolerierte, wie er von den Rosenberg-Nationalsozialisten vertreten wurde.
19  Interessante Verquickung: Das Gesicht Saint-Exupérys wurde wiederholt mit dem Gesicht des jungen Mannes auf dem berühmten, „Gilles“ (1719) genannten Gemälde Antoine Watteaus verglichen. Und in der Tat ähneln sich beide Profile frappierend deutlich. Drieu la Rochelle wiederum, Bewunderer Watteaus wie Saint-Exupérys gleichermaßen, wählte für den wichtigsten Protagonisten in seinem Hauptwerk Die Unzulänglichen (Berlin 1966) den Vornamen Gilles. Gilles ist zudem der Titel der frz. Originalausgabe (Paris 1939/42).
20  Estang, Luc: Antoine de Saint-Exupéry, a. a. O., S. 120. Zur Kapitalismus- und Sozialismus-Kritik Saint-Exupérys, vgl. dessen Carnets, S. 341–357.
21  Saint-Exupéry, Antoine de: Frieden oder Krieg?, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., 137–165, hier: S. 159.
22  Entgegen der gängigen Annahme, daß Ernst Nolte der Urheber des heute für die Epoche der globalen ideologischen Kriege verbreiteten Begriffs „Weltbürgerkrieg“ ist, war es vielmehr Sigmund Neumann (1904–62) – ein deutscher Politikwissenschaftler und Hitler-Flüchtling –, der diesen Begriff prägte. Nolte verlieh dem Begriff allerdings mehr Öffentlichkeitswirksamkeit. Vgl. Kunze, M.: Zweiter Dreißigjähriger Krieg – internationaler Bürgerkrieg/Weltbürgerkrieg. Sigmund Neumanns Beitrag zu einer begriffsgeschichtlichen Kontroverse, in: Schale/Thümmler/Vollmer (Hrsg.): Intellektuelle Emigration, Wiesbaden 2012, S. 127–153, hier: S. 141.
23  Ders.: Kriegsbriefe an einen Freund, in: ders. Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 167–180, hier: S. 170.
24  Ders.: Brief an einen Ausgelieferten, in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 181–203, hier: S. 199.
25  Ders.: Brief an die Franzosen, in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 211–219.
26  Ders.: Blutendes Spanien, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 89–111, hier: S. 93.
27  Vgl. Hatzenbichler, Jürgen: Antoine de Saint-Exupéry – der Menschen Kultur, in: Querdenker. Konservative Revolutionäre, Engerda 1996, S. 57–70, hier: S. 69.
28  Saint-Exupéry, Antoine de: Brief an Pierre Dalloz, in ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 235–238, hier: S. 238.
29  Saint-Exupéry, Antoine de: Brief an einen General, in ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, a. a. O., S. 221–230, hier: S. 228 f.
30  Ders.: Carnets, a. a. O., S. 282.

 
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