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Landwirtschaft und Tierschutz

 

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

In den letzten 15 Jahren haben durchschnittlich 4.200 Landwirte pro Jahr ihren Hof aufgegeben, verkauft oder verpachtet. Die Zahl der Agrarbetriebe sank um 27 % von 239.100 auf 175.700. Damit ist einerseits ein Trend hin zu größeren Betrieben verbunden, so stieg die Fläche pro Betrieb um 30 % von durchschnittlich 31,8 ha im Schnitt auf 41,4 ha. Gleichzeitig ging jedoch die genutzte Agrarfläche um ganze 12 % oder 400.000 ha zurück – nicht nur durch Ausbreitung der besiedelten Zonen, sondern auch durch zunehmende Verwaldung.

Ohne entsprechende Förderung der Bauern wäre der Verlust an offener Kulturlandschaft, die auch einen touristisch attraktiven und für die Erholung der österreichischen Stadtbevölkerung wichtigen Raum bildet (Almen!), noch in viel stärkerem Maße vorangeschritten. Wenn über die Kosten für die Agrarsubventionen gestritten wird, bleibt aber in der Regel noch ein weiterer wichtiger Punkt für die Probleme der heimischen Landwirtschaft unbeachtet: daß nämlich die österreichischen Bauern Gesetze und Auflagen zu beachten haben, die nicht EU-weit gelten, hierzulande aber die Produktion verteuern und damit den ausländischen Konkurrenten einen erheblichen Vorteil verschaffen. Diese Gesetze sind teilweise aus dem Tierschutzgedanken motiviert und in ihrer grundsätzlichen Absicht positiv zu bewerten, wirken sich in der Folge aber nur nachteilig für unsere Bauern aus, ohne gleichzeitig den Tieren zu helfen. Der Unterschied zwischen Gesinnungsethik (strengere Bestimmungen zum Tierschutz sind prinzipiell gut und wichtig!) und Verantwortungsethik (welche konkreten Folgen werden die strengeren Bestimmungen haben?) wird an diesen Beispielen wieder einmal deutlich.

Käfighaltung von Legehennen

Seit Anfang 2009 sind Legehennen-Käfige sowie ausgestaltete Käfige in Österreich verboten. Damit war man der EU nur um drei Jahre voraus: Bereits mit Anfang 2012 sind konventionelle Käfige EU-weit verboten, während ausgestaltete Käfige weiterhin erlaubt bleiben. Hat das schnellere Umsetzen eines strengeren Tierschutzgesetzes im Endeffekt Tierleid verhindert? Nein. Denn die einzige Folge war, daß der Selbstversorgungsgrad an Eiern in Österreich in den letzten 20 Jahren auf 75 % gesunken ist. Frischeier stammen zwar meist von österreichischen Bauern, doch machen sie nur 34 % des Eierverbrauchs in Österreich aus. Über 50 % des Eierkonsums erfolgt über die Gastronomie oder in Form von verarbeiteter Ware wie Nudeln. Von der verarbeitenden Industrie werden aber bis zu 70 % der Eier importiert, in den letzten Jahren waren es vor allem Käfigeier aus Süd- und Osteuropa. Die strengere Bestimmung hat also nur zu einer Verlagerung der Produktion geführt, den Hühnern aber nicht geholfen.

Kastenstand für Schweine

Die österreichische Schweineproduktion blieb auch nach dem EU-Beitritt erfolgreich, in den letzten 15 Jahren lag der Selbstversorgungsgrad bei 98 %–107 %. Mit Anfang 2013 ist aber die Einzelhaltung trächtiger Sauen verboten, diese müssen in Gruppen gehalten werden. Nicht alle österreichischen Schweinebetriebe werden die diesbezüglich nötigen Investitionen aufbringen können, ein Rückgang des Sauenbestandes um bis zu 20 % ist möglich.

Genau in diese Phase großen finanziellen Aufwands fällt die Mißstandsfeststellung der Volksanwaltschaft, welche die Tierhaltungsverordnung aufgrund der erlaubten Einzelhaltung der Sau zur Besamung während des Deckungszeitraumes sowie des Ferkelschutzkorbes in der Abferkelbucht für gesetzwidrig hält. Ersterer erleichtert die Besamung, letzterer schränkt die Bewegungsmöglichkeiten der Sauen nach dem Wurf ein und verhindert – was sonst in vermehrtem Maße vorkommt – ein Erdrücken einzelner Ferkel durch das sich niederlegende Schwein. Ganz abgesehen davon, daß es im letzten Fall nicht nur ums Wohlbefinden der Sau, sondern auch der Ferkel gehen muß und daher Schutzmaßnahmen nötig sind, würde Österreich bei der Schweinehaltung viel strengere Bestimmungen einführen, als dies EU-weit üblich ist. Gerade beim Schweinefleisch ist der österreichische Verbraucher sehr preisbewußt, infolge einer neuen Gesetzeslage würde der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch in Richtung 60 % absinken. Die österreichischen Konsumenten würden Schweinefleisch aus genau jenen Haltungsformen importieren, die in Österreich verboten sind. Auch hier würde gelten: Für die Tiere nichts gewonnen, für die Bauern viel verloren, der Unterschied zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik eben. Aber wer denkt heute noch an so etwas?

 
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