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Zwangsarbeit

Von Achim Lang

Vom Millionenheer der „Sklavenarbeiter“, vom letzten „noch nicht aufgearbeiteten Großverbrechen“ des NS ist sogar in der seriösen Presse die Rede, geht es um die Entschädigungszahlungen für die im Dritten Reich eingesetzten Zwangsarbeiter. Kein Wunder, daß die Debatte gerade jetzt aufbricht: hat sie doch unser tatsachenfernes und virtuelles Geschichtsbild voll frommer Lügenmärchen zur Voraussetzung, in dem fast alles in bezug auf das Dritte Reich anstandslos geglaubt wird, klingt es nur grauenvoll genug. Eine kritische Betrachtung des Themas „Fremdarbeiter im Dritten Reich“ zeigt freilich, daß die heute gängigen Klischees kaum greifen und eine äußerst differenzierte Betrachtung der Dinge angebracht ist.

Spricht man von den während des Krieges im Dritten Reich eingesetzten Fremdarbeitern, ist vorab eine Unterteilung in vier verschiedene Gruppen nötig.:
-Zur Zwangsarbeit eingesetzte KZ-Häftlinge
-Kriegsgefangene
-Zivile Zwangsarbeiter
-Freiwillige Fremdarbeiter
Von „Sklavenarbeitern“ im eigentlichen Sinn des Wortes kann nur bei den KZ-Häftlingen die Rede sein. Die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Lagern wie z.B. Dora-Mittelbau und auch die Todesraten unter den dortigen Insassen sind gut dokumentiert und brauchen hier nicht weiter ausgeführt werden. Festzuhalten ist jedoch auch, daß der Arbeitseinsatz in kriegswichtigen Betrieben außerhalb der Lagertore etwa im Generalgouvernement Polen für viele Juden die Rettung ihres Lebens bedeutete: Oskar Schindler ist nicht der einzige in Yad Vashem geehrte Wirtschaftsführer, der jüdische Zwangsarbeiter zum Einsatz brachte.
1944 waren bereits 1,9 Mio. Kriegsgefangene im Deutschen Reich als Arbeitskräfte eingesetzt. Sie wurden zwar „zwangsweise“ herangezogen, doch erfolgte dies in Übereinstimmung mit den Regeln des Internationalen Kriegsrechtes, nach dem Kriegsgefangene (außer Offiziere) zur Arbeit eingeteilt werden durften.
Im selben Jahr gab es darüber hinaus 5,7 Mio. zivile ausländische Arbeitskräfte im Deutschen Reich. Die Frage, wie viele von ihnen Zwangsarbeiter waren, läßt sich so leicht nicht beantworten. Ein prominentes Beispiel mag dies verdeutlichen: Georges Marchais, der 1997 verstorbene, langjährige Führer der kommunistischen Partei Frankreichs, hatte ab Dezember 1942 in einem bayerischen Messerschmitt-Werk gearbeitet, was er nach dem Krieg als „Sklavenarbeit“ darzustellen suchte. Doch von Marchais fand sich ein unterschriebener Arbeitsvertrag, außerdem war er zuvor schon zwei Jahre als Flugzeugmechaniker auf einem deutschen Luftwaffenstützpunkt in Frankreich beschäftigt gewesen: kaum glaublich, daß man hier auch nur im mindesten der Unzuverlässigkeit verdächtige Arbeitskräfte eingesetzt hätte!
Freilich gab es bei der Anwerbung alle Abstufungen von der Freiwilligkeit bis zum Zwang. Eine Untersuchung, wie sich die entsprechenden Prozentsätze je nach Land aufgeteilt haben, ist dem Autor nicht bekannt geworden. Zu bedenken ist dabei, daß wohl die meisten ehemals Freiwillige nach 1945 aus naheliegenden Gründen als zwangsverpflichtet gelten wollten. Das Deutsche Reich unterhielt jedenfalls in vielen der großen Städte Westeuropas Anwerbestellen für Fremdarbeiter, die sich aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in den besiegten Ländern auch regen Zuspruchs erfreuten: von den 1,3 Mio. Franzosen und den 250.000 Belgiern (jeweils nur Zivilisten, unberücksichtigt der Kriegsgefangenen), die 1944 in Deutschland arbeiteten, wird ein großer Teil freiwillig gekommen sein, gleiches gilt für die Skandinavier und selbstverständlich für die 590.000 Italiener.
Auch bei den „Ostvölkern“ gab es Werbebüros, die etwa in Polen schon wenige Monate nach der Kapitulation des Landes über 200.000 Freiwillige nach Deutschland geschickt hatten. Im März 1943 ehrte Generalgouverneur Hans Frank sogar am Krakauer Hauptbahnhof den millionsten polnischen Arbeiter, der nach Deutschland reiste, mit einer goldenen Uhr. Andererseits wurde in Polen nach dem Sieg Hitler-Deutschlands erstmals das Recht auf Arbeitslosenunterstützung eingeführt, eine sozialpolitische Verbesserung, die aber wie in Deutschland mit der Maßnahme verbunden war, daß Arbeitslosen auch eine Arbeit zugewiesen werden konnte. Unter Ausschöpfung dieser rechtlichen Grundlage wurde in Zusammenarbeit mit polnischen Organen ein gewiß nicht unbeträchtlicher Teil jener 1,7 Mio. Polen rekrutiert, die sich 1944 zur Arbeit in Deutschland befanden.
Andere Ostarbeiter wurden durch übertriebene Versprechungen ins Reich gelockt oder auch brutal zwangsverschickt. Ihre Unterbringung, oft in kasernierten Anlagen, die Verpflegung und die Arbeitsbedingungen haben vor allem anfangs sicher oft mehr als zu wünschen übriggelassen. Ein Pauschalurteil ist auch hier nicht möglich, Augenzeugenberichte bestätigen, wie sehr die Bedingungen von den jeweiligen Verantwortlichen in den Betrieben und in der NS-Hierarchie abhängig waren. Ostarbeitern war allerdings auch die Benützung von öffentlichen Einrichtungen wie Straßenbahnen, Schwimmbädern etc. verboten, wobei Ausnahmen im Ermessen der Verantwortlichen stand. Diese diskriminierenden Maßnahmen wurden erst 1944 aufgehoben, um Betriebsklima und Arbeitsleistung zu verbessern, Kulturprogramme, Sportveranstaltungen, Weiterbildungskurse usw. wurden eingeführt.

Bezahlt nach Tarif

Rechtlos waren die Ostarbeiter aber auch davor nicht. So waren die Arbeitsbedingungen durch entsprechende Reichsgesetzblätter festgelegt, die Anwendung von Körperstrafen, auch bei Zwangsarbeitern, strikt untersagt und – vor allem – die Fremdarbeiter in das deutsche Tarifsystem einbezogen. Ebenso galten für sie die Leistungen der Sozialversicherungen, waren Urlaubsanspruch und Familienheimfahrten vorgesehen sowie selbstverständlich freier Ausgang auch für die in Lagern Wohnenden. Wovon heute freilich nicht die Rede ist: Auch Zwangsarbeiter wurden also gemäß den Vereinbarungen des deutschen Tarifvertrages bezahlt! Davon wurde ihnen – etwa bei VW – ein Drittel des Netto-Gehaltes für Unterkunft und Verpflegung abgezogen. Freilich hat die deutsche Industrie damals die Möglichkeiten der Tarifverträge oft weidlich ausgenützt, um die Fremdarbeiter als möglichst billige Arbeitskräfte einzusetzen, doch selbst ein ungelernter Ostarbeiter, der am untersten Ende der Lohnskala rangierte, konnte am Ende des Monats oft mehr Geld nach Hause schicken, als er im Regelfall in seinem Heimatland hätte verdienen können.
Insgesamt waren über 7 Mio. Ausländer 1944 in Deutschland beschäftigt, das waren fast 20% aller Arbeitskräfte! Schon allein diese Zahl zeigt, daß es sich beim überwiegenden Teil nicht um Zwangsarbeiter gehandelt haben kann. Zu groß wären die Sicherheitsrisiken gewesen.
1943 erschien auch eine reich bebilderte Propaganda-Broschüre unter dem Titel „Europa arbeitet in Deutschland. Sauckel mobilisiert die Leistungsreserven.“ Auf 128 Seiten wird hier vom Leben der Fremdarbeiter berichtet. Sicher ist die Darstellung in vielem geschönt, doch angesichts der großen Zahl an ausländischen Arbeitskräften hatten die allermeisten Deutschen regelmäßig Kontakt mit Fremdarbeitern, in der Landwirtschaft, in den Betrieben und vielerorts tagtäglich auf der Straße: sie alle konnten leicht überprüfen, inwieweit die Behauptungen der in großer Auflage verbreiteten Broschüre der Wirklichkeit entsprachen. Zusammenfassend heißt es darin: „Für Millionen dieser Arbeiter, das verdient unterstrichen zu werden, bringt sogar der Aufenthalt in Deutschland bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen als sie in ihrem Heimatland Jahr und Tag vorgefunden haben. Der Generalbevollmächtigte für ihren Arbeitseinsatz, Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel selbst, der als Seemann die Welt und die Seele des Arbeiters kennengelernt hat, ist der Garant dafür, daß die fremdvölkische Arbeitskraft im Reich würdige Verhältnisse vorfindet… Der Arbeiter ist in Deutschland nicht wie in anderen Weltstaaten Ausbeutungsobjekt; Deutschland weiß jede Arbeitsleistung zu werten und zu schätzen.“ Auch wenn das Verhalten mancher Verantwortlichen vor Ort kaum entsprechend gewesen sein dürfte, lautete das verkündete Ziel dennoch: „Der ausländische Arbeiter… soll die Grundsätze nationalsozialistischer Menschenführung persönlich im Bereich der Arbeit kennenlernen und damit Fehlurteile berichtigen, denen er in seiner Heimat durch die Hetze der Feindmächte unterlag.“ „Es sollen diese fremdvölkischen Frauen und Männer durch das Erlebnis der Arbeit in Groß-Deutschland für ein großes und starkes Europa Vorkämpfer zur notwendigen Neuordnung des Kontinents werden.“

Zur Frage der Entschädigung

Einen echten, moralischen Anspruch haben gewiß die v. a. jüdischen KZ-Häftlinge, die zu Arbeitseinsätzen herangezogen wurden. Doch der bekannte jüdische Historiker Prof. Norman Finkelstein weist in einem Interview mit der Zeitung „Neue Revue“ (!) darauf hin, daß ein Großteil dieser Juden bereits deutsche Renten- oder Entschädigungszahlungen für ihre KZ-Haft erhalten haben. Der „Jewish-Claims-Conference“, jener von vielen jüdischen Organisationen 1951 gebildeten Vereinigung, die als zentraler Treuhänder in Deutschland und Österreich über Reparationen verhandeln sollte, wirft Finkelstein schwere Mißbräuche vor: sie habe über eine Milliarde Dollar für ehemalige jüdische Sklavenarbeiter nicht an die Opfer weitergeleitet, sondern stattdessen für jüdische Gemeinden im arabischen Raum ausgegeben. Finkelstein: „Damals argumentierte die JCC, daß es keine bedürftigen Nazi-Opfer mehr gäbe. Seltsam, daß nun – 50 Jahre später – die JCC alle diese bedürftigen Nazi-Opfer entdeckt und die deutsche Regierung für deren Armut verantwortlich macht.“
Was nun die echten zivilen Zwangsarbeiter anbelangt, muß man zwei Blickwinkel beachten. Betrachtet man die Sache generell, haben die Sowjetunion bzw. ihre Nachfolgestaaten keinn Anspruch auf Entschädigungszahlungen: wurden doch Millionen deutsche Kriegsgefangene rechtswidrig lange Jahre über das Kriegsende hinaus zur Zwangsarbeit in Rußland festgehalten und hunderttausende deutsche Zivilisten nach dem Krieg ebenfalls zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt. Von Staaten wie Polen und Tschechien, die deutsche Vermögenswerte in astronomischer Höhe einsacken konnten, soll hier erst gar nicht die Rede sein. Alle diese Staaten hatten mehr als genug Kriegsbeute eingebracht, um ihre NS-Opfer reichlichst zu entschädigen – daß Deutschland an die osteuropäischen Länder keine Reparationen zahlte, wurde mit genau diesem Argument jahrzehntelang begründet: heute scheint es vergessen. Bleiben aber individuelle Ansprüche von Einzelpersonen trotz dieser Erwägungen aufrecht, müßten alle deutschen Vertreibungs- und Zwangsarbeitsopfer von den Täterstaaten in gleicher Weise entschädigt werden – alles andere wäre übelster Rassismus.
Bedenkt man aber, welch grausamer Verfolgung die meisten zwangsweise repatriierten Fremdarbeiter in der Sowjetunion ausgesetzt waren – sie galten Stalin ja generell als Kollaborateure – wird man die Entschädigungszahlungen in einem anderen Licht sehen. Fast eine Million Sowjetbürger kämpften in den Formationen der Waffen-SS und anderer Freiwilligen-Verbänden gegen den Bolschewismus, weitere zwei Millionen standen als „Hilfswillige“ der Deutschen Wehrmacht zur Verfügung. Die Kollaborationsbereitschaft war gerade unter der Sowjetjugend überwältigend hoch und wurde nur durch die teils völlig ungerechtfertigten, teils aber auch durch den Partisanenkrieg provozierten Maßnahmen des deutschen Besatzungsregimes zerstört. So wird auch ein nicht unbeträchtlicher Teil der Ostarbeiter als Freiwillige ins Reich gegangen sein. Ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß ausgerechnet jüdisch-amerikanische Rechtsanwälte auf diese Weise den letzten überlebenden Kollaborateuren Hitler-Deutschlands Anerkennungszahlungen seitens der beiden Nachfolgestaaten des Dritten Reichs vermitteln.

 
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