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Sozialpartnerschaft statt Klassenkampf

Von Werner Olles

Zur Geschichte der Christlichen Gewerkschaftsbewegung in Deutschland

Lange vor dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests im Jahre 1848 kritisierten Männer aus dem christlich-konservativen politischen Spektrum die Primitivität und Brutalität der frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen. Franz von Baader schrieb, daß die Hörigkeit des Mittelalters weniger grausam und unmenschlich als die Lohnsklaverei mit ihren langen Arbeitszeiten, miserablen Wohnverhältnissen und der schlechten Ernährung der Arbeiter gewesen sei. Franz Reichensperger klagte die verabscheuungswürdige Barbarei der Kinderarbeit an und bezeichnete die Fabriken als „Brutnester der Korruption“. Auch der konservative Protestant Viktor Aime Huber hielt eine soziale Revolution für unvermeidbar und sprach sich für die „Selbsthilfe der arbeitenden Klassen“ aus.

Im Jahre 1843 wurde in Regensburg der erste katholische Arbeiterverein gegründet. Wenige Jahre später hob Adolf Kolping in Köln den „Katholischen Gesellenverein“ – der später unter dem Namen „Kolping-Familie“ bekannt wurde – aus der Taufe. Den sozialistischen Vorstellungen Ferdinand Lassalles und den kommunistischen von Marx und Engels stand man hier ablehnend gegenüber. Während die politische Linke die Entwurzelung der Lohnabhängigen für ihre revolutionären Zwecke benutzen wollte, setzte sich Kolping für eine Verwurzelung der Menschen in Familie, Beruf und Volk ein. Gegen den sozialistischen Klassenbegriff, der von einer gleichen Interessens-, Bewußtseins- und Klassenlage aller Arbeitenden ausging, stellte er den Wiederaufbau der Berufsstände in den Vordergrund und teilte die Werktätigen in verschiedene Ebenen ein: selbständige Handwerker, Gesellen und Fabrikarbeiter. Die von Heinrich Pesch sozialphilosophisch begründete Lehre vom „Solidarismus“ spielte hier eine wichtige Rolle. Nach ihr ist der Mensch aufgrund seiner Sozialnatur der Gemeinschaft zugeordnet, und beide sind zum Einstehen füreinander verpflichtet. Auch in der von Adolf Stoecker 1878 gegründeten „Christlich-Sozialen Arbeiterpartei“ ging es um konkrete sozialpolitische und zukunftsweisende Forderungen wie Alters-, Witwen- Waisen- und Invalidenversicherung, umfassenden Arbeitsschutz, gesetzliche Arbeitszeitregelungen und Beseitigung des Wohnungselends.
Aber die Hoffnung, daß sich in Deutschland nach englischem Vorbild neutrale Gewerkschaften bilden könnten, war ein Trugbild. Zu tief waren die politischen Meinungsunterschiede und zu breit die Kluft zwischen den verschiedenen Weltanschauungen. Die sozialistischen Gruppen machten die Mitgliedschaft von einem „politischen Glaubensbekenntnis“ abhängig, das weder der eher linksliberal ausgerichtete Berliner Handwerkerverein um Max Hirsch und Franz Duncker noch die christlichen Arbeitnehmer abzugeben bereit waren. So kam es zur Gründung der „Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine“ und schließlich Pfingsten 1899 auf dem Mainzer Gewerkschaftskongreß zur Geburtsstunde des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften. In ihm organisierten sich 23 Gewerkschaften und Arbeiterschutzvereine mit 82.000 Mitgliedern.
Von Anfang an mußte sich die junge christliche Gewerkschaftsbewegung gegen harte Angriffe aus den verschiedensten Richtungen zur Wehr setzen. Für die Sozialisten galten ihre Mitglieder als „Pfaffenknechte“ und „Unternehmersöldlinge“, für manche Protestanten waren sie zu „rom- oder „zentrumshörig” und für viele Unternehmer „verkappte Marxisten“. Tatsächlich setzten sie ihren volkspolitischen Willen der klassenkämpferischen Agitation der Linken entgegen. Dennoch ist die Behauptung, durch eine „Einheitsgewerkschaft“ hätte die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verhindert werden können, eine Legende, denn in fundamentalen Lebensfragen der Lohnabhängigen arbeiteten die drei Gewerkschaftsbünde zusammen. Gleichwohl hatte man der Auflösung und zwangsweisen Überführung in die Deutsche Arbeitsfront durch die neuen Machthaber nichts entgegenzusetzen. Die Gewerkschaftshäuser wurden von der SA gestürmt, die Führer in „Schutzhaft“ genommen. Viele christliche Gewerkschafter haben den Terror in den Konzentrationslagern letztlich nicht überlebt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlief die Wiedergründung von Gewerkschaften in den vier Besatzungszonen nach unterschiedlichen, von den Militärkommandanturen vorgegebenen Normen. In der SBZ wurde sofort der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) gegründet, der von Anfang an als ein willfähriges Instrument der kommunistischen Diktatur agierte. Die westlichen Alliierten favorisierten dagegen die Bildung einer totalen Einheitsgewerkschaft ohne alle beruflichen Untergliederungen. Dies war ein Diktat, das den Befürwortern christlicher Gewerkschaften keine Chance ließ, da die Alliierten sich strikt weigerten, hierfür Konzessionen zu erteilen. Dieser Irrweg kostete die „Christlichen“ nicht nur ihr gesamtes Vermögen und ihre Liegenschaften, sondern auch den traditionsreichen Namen „Deutscher Gewerkschaftsbund“ (DGB), den man im Gegensatz zum sozialistischen „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund“ (ADGB) vor 1933 getragen hatte.
Tatsächlich enthält die Geschichte der von den Alliierten erzwungenen Einheitsgewerkschaft seit 1945 eine endlose Kette parteipolitischer Neutralitätsverletzungen und brutaler Demütigungen gegenüber den christlich orientierten Kollegen. Die sich nun DGB nennende Einheitsgewerkschaft zeichnete sich durch eine bedingungslose Parteinahme zugunsten der Sozialdemokratie aus. Zynisch und hemmungslos agitierte man gegen die christlich-sozialen Funktionäre und Mitglieder in den eigenen Reihen, wobei allerdings gesagt werden muß, daß mancher dieser Funktionäre sich von einem Aufsichtsratsposten bei der Bank für Gemeinwirtschaft, der Neuen Heimat, der Volksfürsorge oder bei Co-op nur allzu gerne ködern ließ.
Zehn Jahre später war das Maß jedoch endlich voll.
Auf einer Delegiertenversammlung Mitte Oktober 1955 in Essen beschlossen die christlichen Gewerkschafter, eine neue Christliche Gewerkschaftsbewegung (CGD) zu gründen. Fünf Jahre später strich auch die Christlich-soziale Kollegenschaft im DGB die Segel und erklärte die Einheitsgewerkschaft endlich für gescheitert. 1959 fand in Mainz der Gründungskongreß des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands (CGB) statt. Nach dem für christliche Gewerkschaften traditionellen Berufsverbandsprinzip gliederte er sich in der „Drei-Säulen-Struktur“ als Gesamtverband Christlicher Gewerkschaften Deutschlands (CGD), Gesamtverband Deutscher Angestelltengewerkschaften (GEDAG) und Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften öffentlicher Dienst, Bahn und Post (GCÖD). Eine modernere, zeitgemäßere Konstruktion war damals noch nicht machbar. Erst Anfang der siebziger Jahre kam es zu einem Klärungsprozeß über das lange umstrittene Organisationsprinzip. Eine Satzungsänderung auf dem CGB-Kongreß in Nürnberg gestand den Einzelgewerkschaften nun das Recht zu, grundsätzlich alle Arbeitnehmer des entsprechenden fachlichen Bereiches zu vertreten und sich nach dem Industrieverbandsprinzip zu organisieren. Aus der mit weit über hunderttausend Mitgliedern größten CGB-Einzelgewerkschaft Christlicher Metallarbeiterverband (CMV) wurde so im Jahre 1991 die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM). Als stärkste Kraft innerhalb des CGB ist gerade die CGM bis heute den heftigsten Anfeindungen und Verleumdungen ihrer politisch linksaußen stehenden Konkurrenzorganisation IG Metall ausgesetzt. Nachdem die CGM besonders in den letzten Jahren eine sehr erfolgreiche Tarifpolitik vorweisen konnte und damit auch für potentielle neue Mitglieder attraktiv wurde – während die IG Metall wie auch die übrigen DGB-Einzelgewerkschaften kontinuierlich Mitglieder verloren – versuchte man mit allen Mitteln, die von der CGM abgeschlossenen Tarifverträge auszuhebeln. In ihrem anmaßenden Monopolanspruch geht die IG Metall sogar so weit, arbeitsgerichtlich prüfen zu lassen, ob die CGM überhaupt eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist.
Obwohl die CGM aus all diesen Beschlußverfahren siegreich hervorging, ihr also bestätigt wurde, daß sie eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist, führt die IGM ihre wahrheitswidrigen und polemischen Unterstellungen bis heute weiter fort. Zweck dieser Übung ist es primär, sich einen unliebsamen Konkurrenten vom Hals zu schaffen und die in der CGM Organisierten derart zu verunsichern, daß sie zur IGM übertreten.
Der CGB und seine Einzelgewerkschaften, die sich als christlich-soziale und freiheitliche Alternative zu Sozialismus und Klassenkampf verstehen, kämpfen an vorderster Front für ein freiheitliches Gewerkschaftswesen in Deutschland. Unabhängig von politischen Parteien, Regierungen und Unternehmen, bekennt er sich zur Demokratie, sozialen Marktwirtschaft, Sozialpartnerschaft und – in offenem Gegensatz zum DGB – zur im Grundgesetz verankerten Koalitionsfreiheit. Von den großen Volksparteien bekennt sich allein die CSU in ihrem Grundsatzprogramm zur grundgesetzlich vorgeschriebenen „gewerkschaftlichen Pluralität als wesentlichem Bestandteil einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung“. Damit hat sie immerhin als einzige Partei aus dem undemokratischen Alleinvertretungsanspruch der DGB-Gewerkschaften programmatische Konsequenzen gezogen.

Kontaktadressen: CGB, D-53179 Bonn, Konstantinstr. 13, CGM, D-70184-Stuttgart, Alexanderstr. 9 b

 
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