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„Nicht einmal ein Stresemann“

Von Werner Bräuninger

Parteien und Persönlichkeiten der nationalen Rechten in Deutschland 1945–1969


1945 war – trotz der über Deutschland hereingebrochenen Katastrophe – nicht das Ende der nationalen Rechten. Vielerlei Bewegungen und Parteien entstanden, oft freilich vom Verbot bedroht, wie es heute der NDP nicht anders ergeht.  Wer aber waren jene Personen und Persönlichkeiten, die es nach 1945 unternahmen, die nationale Rechte in Deutschland zu etablieren?  

Bereits im Winter 1945/46 formulierten Otto Schmidt-Hannover, der letzte Fraktionsvorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) im Reichstag, und Hans Zehrer, nachmaliger Chefredakteur der „Welt“, einst führender Kopf des „Tat-Kreises“, Herausgeber der „Täglichen Rundschau“ und Freund von Reichskanzler Schleicher, ein „Konservatives Manifest“, das als Programm der soeben lizenzierten „Konservativen Partei“ gelten sollte. Es stellte gewissermaßen eine aktualisierte Fassung des alten DNVP-Programmes dar. Strenge Rechtsstaatlichkeit und die Wiedereinführung der Monarchie unter den Farben Schwarz-Weiß-Rot waren seine wesentlichsten Inhalte. Überhaupt bildete die Erfahrung früherer deutschnationaler Abgeordneter und Vertrauter des letzten DNVP-Vorsitzenden Alfred Hugenberg die Grundlage für die politische Arbeit dieser Gruppierung. Auch in Hessen war schon im November 1945 eine konservativ-monarchistische „Nationaldemokratische Partei“ (NDP) gegründet worden, deren offen nationalsozialistischer Flügel bei den Kommunahlwahlen 1948 in Wiesbaden einen sensationellen Wahlerfolg erzielte, nämlich 24,4 % der Stimmen. Geführt von politischen Hasardeuren und Vabanque-Spielern, infiltriert von Spitzeln, zerfiel sie bald ins Nichts. Einen der frühesten organisatorischen Neuversuche, die nationale Rechte zu formieren, unternahm ebenfalls 1945 der Textilfabrikant Joachim von Ostau, ein ehemaliger Gaupropagandaleiter der NSDAP, mit der Gründung der „Deutschen Aufbaupartei“ (DAP). Ihm schloß sich Reinhold Wulle an, der in der Weimarer Republik mit Albrecht von Graefe die „Deutschvölkische Freiheitspartei“ geführt hatte und während der nationalsozialistischen Ära in einem Konzentrationslager einsaß. Wurde zunächst noch das „Fronterlebnis“ als Bindeglied allen gemeinschaftlichen Lebens propagiert, setzte sich doch schon bald die streng konservative Forderung nach einer „sozialen Monarchie“ durch. Auch eine „radikale Abkehr vom Nationalsozialismus“ wurde verkündet. Aus der DAP  ging dann schließlich die „Deutsche Rechtspartei“ hervor. Eine Sitzung ihres Zonenvorstandes in Hamburg am 27. Januar 1948 wurde noch mit einem Toast auf Kaisers Geburtstag (mit irgendeinem Heißgetränk) beschlossen, erinnerte sich Adolf von Thadden. In der „Deutschen Rechtspartei“ rangen Deutschnationale und Nationalsozialisten um die „richtige“ Weltanschauung, Einfluß und Ämter. Nach örtlichen Wahlerfolgen in Göttingen und Wolfsburg überflügelte die Deutsche Rechtspartei bei der ersten Bundestagswahl 1949 die FDP und zog mit fünf Mann in den Bundestag ein. Mit dem Alt-Parteigenossen Dr. Fritz Dorls und „Dr. Franz Richter“, der in Wirklichkeit Rössler hieß, brachte von Thadden 1949 für die Deutsche Rechtspartei zwei Trojanische Pferde in das Parlament – was Thadden allerdings nicht ahnen konnte –, die alsbald die Spaltung vorantrieben. Eine weitere Gruppierung war die gleichfalls von Ostau ins Leben gerufene „Gemeinschaft unabhängiger Deutscher“ (GuD). Zu ihr stießen bald Dorls, Graf Westarp und Otto-Ernst Remer, der am 20. Juli 1944 den Putsch gegen Hitler im Berliner Regierungsviertel niederschlug und zum Generalmajor befördert wurde. Die GuD schließlich bildete die Keimzelle der im Oktober 1949 gegründeten „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP), einer Bewegung, die sich offen zum historischen Vorbild NSDAP bekannte, oft unter Betonung von deren revolutionär-sozialistischem Flügel in der Tradition der Brüder Strasser.

Aufstieg und Verbot der SRP

Es war eine junge Partei, die Mehrheit ihrer Mitglieder war zwischen 20 und 40 Jahre alt, 95% waren Wehrmachtsangehörige gewesen. Ihr Führerkorps rekrutierte sich vornehmlich aus NSDAP-Mitgliedern, die ihr vor 1930 beigetreten waren. Zum Schutze ihrer Versammlungen bildete sie die „Reichsfront“, unverkennbar dem Beispiel der SA entlehnt. Von den nach eigenen Angaben zuletzt etwa 40.000 „Parteigenossen“ waren etwa 6.000 auch Angehörige der Reichsfront. „Nur dann, wenn es uns gelingt, jene Elite unseres Volkes zu organisieren, die Träger unseres Gedankens sein soll, ist unsere Parteiarbeit von Erfolg getragen. Dies bedarf wiederum einer Zusammenfassung der Frontsoldatengeneration des letzten Weltkrieges. Die Ausrichtung und Aktivierung dieser Generation nach unseren Zielen garantiert nicht nur den Bestand unserer Partei, sondern auch die Zukunft unseres Volkes“ hieß es in ihrem Gründungsaufruf. Wie ein Sturm fegte die SRP durch das Land, führte Großkundgebungen durch, stellte die ersten Bürgermeister und zog in die Bremer Bürgerschaft ein. Nach spektakulären regionalen Wahlerfolgen bis zu 10% der Stimmen und 12% bei der Landtagswahl in Niedersachsen wurde die SRP Ende 1952 vom Bundesverfassungsgericht verboten. Ohne die SRP wäre die Bildung einer Landesregierung in Niedersachsen nur schwer möglich gewesen. Die Regierungsbeteiligung einer Partei, deren Führerkorps sich fast durchweg zum historischen Nationalsozialismus bekannte und die sich als Stimme der zurückkehrenden Frontgeneration ansah, konnte der neue Staat nur schwerlich tolerieren. Unter dem ehemaligen Staatssekretär im Reichspropagandaministerium Dr. Werner Naumann sammelten sich ehemalige Gauleiter, HJ- und SS-Führer und sonstige höhere NS-Amtsträger und unterwanderten systematisch die damals noch stramm deutschnationale FDP (woran sich ihre heutigen Spitzenvertreter freilich nur noch ungern erinnern wollen). Wegen der Beteiligung so vieler ehemaliger hoher NS-Funktionäre wurde auch vom „Gauleiterkreis“ gesprochen. Viele seiner Angehörigen gelangten auch tatsächlich in führende Stellungen und erlangten Bundestagsmandate. Ein führender Kopf des „Gauleiterkreises“, Wilke, ehemaliges Mitglied der Reichsjugendführung, hatte es bis zum FDP-Fraktionsvorsitzenden gebracht, in Niedersachsen stellte ein Mitglied gar den Kultusminister. Doch schon 1953 wurde der Kreis von den Besatzungsbehörden ausgehoben. Die FDP aber, die zeitweise nur noch als „HJ-Führer-FDP“ tituliert wurde, brachten diese Geschehnisse an den Rand des Zerfalls. In den sechziger Jahren waren lediglich noch der ehemalige HJ-Führer Siegfried Zoglmann und Erich Mende die Garanten einer an nationalen Gesichtspunkten orientierten Politik.

Deutsche Reichspartei

Eine andere Sammlungsbewegung war die „Deutsche Partei“ (DP), Nachfolgerin der alten Deutschhannoveraner („Welfen“), in der sich „eine Koalition der Welfen, der Preußen und der Nazis“ zusammenfand. Sie verfiel in den späten fünfziger Jahren. Aus der „Deutschen Konservativen Partei“, der „Konservativen Vereinigung“ und der „Deutschen Rechtspartei“ ging dann die „Deutsche Reichspartei“ (DRP) hervor, die ab 1950 einen beständigen Faktor der nationalen Rechten in Deutschland darstellte. Schon in ihrem Namen legte sie Wert auf ein klares Bekenntnis zur Reichsidee. Adolf von Thadden kristallisierte sich als ihr wirkungsvollster Exponent heraus. Dieser, geboren 1921 auf dem pommerschen Gut Trieglaff, kämpfte im Krieg an fast allen Fronten, zuletzt als Oberleutnant, wurde schwer verwundet und kehrte nach Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurück. Seit 1953 war die DRP bundesweit durchorganisiert, in einigen Länderparlamenten vertreten und einer der Motoren des „nationalen Neutralismus“. Dieser Erfolg verbindet sich in der Hauptsache mit den Namen Adolf von Thadden, dem einstmaligen Staatsrat und Erbhofbauern Wilhelm Meinberg, seit 1955 alleiniger Vorsitzender, dem letzten Rektor der Universität Königsberg, Professor Hans-Bernhard von Grünberg, dem früheren Mitarbeiter Alfred Rosenbergs und nunmehrigen verantwortlichen Redakteur der Deutschen Wochenzeitung, Heinrich Härtle, dem bekannten Schriftsteller Hans Grimm, welcher in jener Zeit insbesondere mit seiner „Erzbischofschrift“ Aufsehen erregte, dem früheren Stuka-Oberst und Träger der höchsten deutschen Tapferkeitsauszeichnung Hans-Ulrich Rudel und dem einstigen Regierungsrat Otto Hess. Sie alle trugen zwar das Stigma der NS-Belastung, waren aber weit davon entfernt, ein untergegangenes System künstlich wiederbeleben zu wollen. Sie waren deutschnational bis ins Mark, ihre Realität war das Reich, aber sie wußten auch um die Realitäten, die das Jahr 1945 geschaffen hatte. Also betrieben sie Realpolitik im Sinne Bismarcks, welcher die Politik als „Kunst des Möglichen“ ansah.

Adenauer vereitelt Kandidatur Rudels

1953 wurde mittels eines von der CDU eingeleiteten „BlitzEntnazifizierungsverfahrens“ die Wahlkandidatur Rudels verhindert, und Adenauer selbst kündigte schließlich an, man werde gegen die DRP ein Verbotsverfahren wegen Verfassungswidrigkeit einleiten. Neben der Deutschen Reichspartei existierte noch die „Deutsche Gemeinschaft“ (DG) des Sektierers August Haußleiter, der sich sehr viel später bei den Grünen wiederfand. Doch überraschend schnell, so Gerhard Opitz in „Nation Europa“ (1987), „verloren schon in den frühen fünfziger Jahren alle Themen, die mit der NS-Zeit zusammenhingen, an Interesse. Eine gewisse NS-Nostalgie, die anfangs vorhanden gewesen sein mochte, bildete sich rasch zum privaten Sentiment zurück und verlor sich bald ganz.“ Einen Erfolg stellte das Wahlergebnis der DRP 1959 in Rheinland-Pfalz dar, mit 5,1 % gelang der Einzug in den Landtag. Verbunden ist dies mit dem Namen des früheren Berufssoldaten Hans Schikora, der mit seinen extrem nationalistisch orientierten Kameraden den Landesverband Rheinland-Pfalz in den Griff bekam. Doch im Januar 1960 wurde derselbe als „Nachfolgeorganisation der SRP“ verboten. Schwer zu schaffen machten der DRP auch die sog. „Hakenkreuzschmierereien von Köln“ zu Weihnachten 1959, die zwei DRP-Mitgliedern zur Last gelegt wurden. Diese wurden sofort aus der Partei ausgeschlossen. Die nachfolgenden Ermittlungen ergaben jedoch, daß es sich um eine Aktion östlicher Geheimdienste gehandelt hatte. Seit 1953, das Wirtschaftswunder hielt seinen Einzug, blieben alle nationalen Parteien, einschließlich der DRP, bundesweit unter der Sperrklausel. 1960 gab Wilhelm Meinberg den Parteivorsitz der DRP an Professor Kunstmann ab. Interne Machtkämpfe waren nun an der Tagesordnung.  1961 setzte sich von Thadden gegen Kunstmann durch. Doch die Partei dümpelte vor sich hin, bis sie sich schließlich wegen der Frage „Europa der Vaterländer“ oder „Nationalneutralismus“ sogar spaltete.

Gründung der NPD

So kam es zur Gründung der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) am 28. November 1964 im Döhrener Maschpark zu Hannover. Vorbereitend hatte der letzte große Parteitag der DRP in der Bonner Beethovenhalle im Juni 1964 den Beschluß zur Gründung einer „Nationaldemokratischen Union“ gefaßt, die Chiffre wurde zur Tarnung des Vorhabens verwandt. Es handelte sich bei der NPD um einen Zusammenschluß der alten DRP, der „Deutschen Partei“, der „Gesamtdeutschen Partei“ (GDP), eines Teils des „Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE) und von nichtorganisierten Einzelpersonen. Während der konstituierenden Treffen im kaiserlichen Yachtclub in Kiel faßte man den GDP-Funktionär Dr. Behr als Vorsitzenden ins Auge, der dann aber absagte. Schließlich einigte man sich auf den Bremer Betonfabrikanten Fritz Thielen, der allerdings 1967 aus der Partei ausgeschlossen wurde und den Adolf von Thadden beerbte. Professor von Grünberg hielt eine nachdenkliche Rede, in der er den Abschied von „Schwarz-Weiß-Rot“ begründete. Nach ihrem Selbstverständnis handelte es sich bei der NPD um eine „neue nationaldemokratische Partei konservativer Prägung“ (Berthold Rubin). „Konservativ sein“, so von Thadden, „bedeutet für uns die Erhaltung der inneren Werte, die jedem Volke Kraft verleihen, und das unbeirrte Festhalten am Ziel“. Überhaupt hat die national-konservative NPD der sechziger Jahre nur äußerst wenig mit jener Partei zu tun, über welche die jetzige Bundesregierung das Verbot verhängen will. Die Infrastruktur der neuen Partei wurde ganz überwiegend von der DRP gestellt. Ihre Zeitung „Reichsruf“ firmierte seither als „Deutsche Nachrichten“. Erwähnung finden muß aber auch der nicht zu unterschätzende geistige Einfluß einiger nationalpolitischer Periodika wie „Nation Europa“, gegründet von Arthur Ehrhardt, Herbert Graberts „Deutsche Hochschullehrerzeitung“, Herbert Böhmes „Klüter Blätter“ oder die „Deutsche Wochenzeitung“ von Waldemar Schütz.

Keine NSDAP-Nachfolgepartei

Entgegen dem weit verbreiteten Zerrbild handelte es sich bei der NPD nicht ausschließlich um eine Partei der „alten Nazis“, wie die Zeitungen der damaligen Zeit immer wieder behaupteten. Zwar gab es auf der Ebene der Amtsträger eine große Anzahl ehemaliger Parteigenossen, doch war diese nur unwesentlich höher, als etwa bei CDU/CSU, SPD oder gar der FDP. Dort aber fielen sie wegen der größeren Mitgliederzahl nur selten auf. In den Jahren von der Gründung bis 1969 verfügte die NPD über eine eindrucksvolle Galerie von Amtsträgern. Professor Ernst Anrich, der „Cheftheoretiker“ der Partei, einstiger Schulungsleiter des NS-Studentenbundes, dann von Hitler persönlich aus der NSDAP ausgeschlossen, weil er sich gegen dessen Selbstverständnis als „Führer-Papst“ wandte, später Dekan an der Reichsuniversität Straßburg, kam von der CDU zu den Nationaldemokraten und fand vor allem mit seinem Grundsatzreferat „Mensch – Volk – Staat – Demokratie“ auf dem Bundesparteitag 1966 Gehör. Professor Berthold Rubin, Ordinarius für byzantinische Geschichte in Köln, verfaßte ein „Nationaldemokratisches Manifest“, der Vorläuferin des Parteiprogrammes. Erwähnung finden sollen auch die Namen Emil Maier-Dorn, Karl Walrad Prinz zu Salm-Horstmar, des Historikers Udo Walendy, von Bürgermeister a.D. Wilhelm Gutmann, des ehemaligen Reichstagsabgeordneten und HJ-Obergebietsführers Werner Kuhnt, Dr. Felix Buck, Dr. Peter Kleist und Hans-Joachim Richard. Sie alle aber wurden von den Medien der Bundesrepublik – wegen ihres Engagements von 1933–45 – als „Ewiggestrige“ stigmatisiert – und damit die NPD. Neben diesen Männern aber, die vielfach gerade wegen ihrer Vergangenheit zu nationalen Demokraten wurden, wuchs eine große Anzahl junger Funktionäre heran, die mit dem Dritten Reich schon aus Altersgründen nichts zu tun gehabt haben konnten. Schon bald stellten diese die Mehrheit in der Partei. Bereits 1967 waren 52 % aller Mitglieder unter 40 Jahren. Die immer wieder zitierte Wendung von der NPD als „Nachfolgeorganisation der NSDAP“ läßt sich auch bei kritischster Betrachtung nicht aufrechterhalten, wenngleich es zahlreichen Provokateuren innerhalb der Partei immer wieder gelang, diese Frage aufs neue anzufachen. Nach den jüngsten Erkenntnissen wäre vielmehr zu fragen, wie viele von diesen bereits damals in irgendeinem Auftrag gehandelt haben.

Prominente Unterstützer

Auch an einflußreichen Förderern mangelte es der NPD in ihren Formationsjahren nicht. Zu ihnen zählten etwa der frühere Reichskanzler Franz von Papen, der Ex-Major im königlich preußischen Generalstab Waldemar Papst, der 1920 die Spartakistenaufstände in Berlin niederschlug, der Führer der „Schwarzen Reichswehr“ Pastor Buchrucker, der SA-Führer und „Rebell gegen Hitler“ Walter Stennes (zuletzt Militärberater bei Tschiang Kai-schek) und der Bildhauer Arno Breker. Zu einem kleineren „Skandal“ kam es noch, als Frau Winifred Wagner am Rande der Bayreuther Festspiele 1966 Adolf von Thadden empfing. Dies schien selbst dem Spiegel berichtenswert. Die NPD war die „Sammlung“ deshalb, weil es außer ihr auf dem rechten Parteienflügel nichts Relevantes mehr gab. Bereits 1967 zählte sie mehr als 30.000 Mitglieder. Sie entsandte in der Zeit von 1966 bis 1972 61 Abgeordnete in sieben Landtage. Zuvor machte sie mit aufsehenerregenden kommunalen Wahlerfolgen von sich reden. 50% ihrer Wählerschaft setzte sich aus Arbeitern zusammen. Es kandidierten für die NPD der Olympiasieger im Rudern, Dr. Frank Schepke, der erste Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Dr. Linus Kather, und der Völkerrechtler Dr. Fritz Münch (früher CDU). Der erste Ministerpräsident des Saarlandes, Dr. Hubert Ney, und der langjährige Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Edmund Rehwinkel, riefen dazu auf, NPD zu wählen. Peter Petersen, Führer des Bauernaufstands von 1929, saß für die NPD bis 1971 im schleswig-holsteinischen Landtag. Der „Vater der Weltraumfahrt“, Prof. Dr. Hermann Oberth, trat 1966 in die NPD ein. Dennoch, das Scheitern der NPD an der 5%-Hürde bei der Bundestagswahl 1969 brach ihr letztlich das Genick. In einer beispiellosen Kampagne aller gesellschaftlich relevanten Kräfte, von den etablierten Parteien, den Medien, Kirchen bis zu den Gewerkschaften wurde die NPD dämonisiert. Mit 4,3% der Stimmen wurde der Einzug in den Deutschen Bundestag verpaßt. 1971 trat von Thadden vom Amt des Parteivorsitzenden zurück; die Partei sei „unführbar“ geworden. 1975 verließ er wegen der Aufnahme Gerhard Freys in den Parteivorstand die von ihm maßgeblich repräsentierte Partei (von Thadden: „Auf diesen Sargnagel lege ich keinen Wert!“). Der Rest ist Geschichte. Die nationale Rechte hatte auf Jahrzehnte ausgespielt. Die NPD scheiterte – wenn man so will – an der nationalsozialistischen Vergangenheit. Aber: Die NSDAP war eine legale Partei der Weimarer Republik neben vielen anderen und wurde auch als solche behandelt, während der NPD von Beginn an das wirksame Stigma der politischen Kriminalität angeheftet wurde.
So auch heute. Carl Schmitt sah in der NSDAP des Jahres 1932 eine „unreife Bewegung“. Wer sie wähle, liefere Deutschland dieser Gruppe völlig aus. Derartige Ängste setzten sich bis weit in die Nachkriegszeit fort.
Otto Hess, langjähriges NPD-Vorstandsmitglied erklärte 1966 in einem Interview mit dem Spiegel: „Zu unseren Lebzeiten wird der sogenannte starke Mann nicht kommen, auch nicht in unserer Partei. Wir haben heute in der Bundesrepublik ja noch nicht einmal einen Karl Severing, einen Otto Braun, wir haben keinen Stresemann und keinen Brüning. Das waren Leute, gegen die ich in der Weimarer Zeit gestanden habe und denen ich heute tiefe Abbitte leiste. Ihr Format sucht man heute in Bonn vergebens“. Sechs Monate später öffnete sich Hess die Pulsadern.

 
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