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Adelserhebungen in Österreich

Von Nikolaus von Preradovich

Die Habsburger und nach ihnen die Lothringer führten von der Mitte des 15. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zwei Haupttitel: Erwählter Deutscher König und gekrönter Römischer Kaiser. Als Träger dieser Vorrechte hatten sie unter anderem allein das Prärogativ, den Adel in seinen verschiedenen Graden zu verleihen. In der Zeit, welche vom Tode des Vorgängers bis zur Krönung des Nachfolgers verstrich, übten die Kurfürsten von Bayern und Sachsen das Recht der Adelserhebung als Reichsvikare aus. Manche, z. B. Karl Theodor von Bayern, nutzten diese Möglichkeit weidlich, vielleicht sogar über die Maßen, aus.

Der Adel teilte sich in Österreich in folgende Abteilungen: „von“, Edler, Ritter, Freiherr, Graf, Markgraf, Fürst und Herzog. Der zuletzt genannte Rang wurde mit einer einzigen Ausnahme, Hohenberg, allenfalls als zweiter Titel verliehen: Fürst v. Auersperg, Herzog von Gottschee, oder Fürst v. Liechtenstein, Herzog von Troppau und Jägerndorf. Die mitgeteilten Titel und die nachfolgenden Zahlen beziehen sich nur auf den Reichs- und Erbländisch-österreichischen Adel. Der Römische Kaiser und Deutsche König verfügte jedoch noch über zahlreiche andere Möglichkeiten der Erhebung: den Erbländisch-lombardischen, den Erbländisch-niederländischen, den Ungarischen und den Böhmischen Adel, die selbstverständlich desgleichen verliehen worden sind.
In der Zeit von 1701–1918 verliehen die habsburgischen – Leopold I., Joseph I., Karl VI., Maria Theresia (als Landesherrin in den Erblanden, Ungarn und Böhmen) –, ab dem Jahre 1745 die lothringischen Kaiser-Könige Franz I. Stephan, Joseph II., Leopold II., Franz II. als römischer Kaiser und der I. als Kaiser vom Hause Österreich, nach ihm Ferdinand, Franz Joseph und Karl 38mal den Fürstenstand, erhoben 240 Männer zu Grafen, 3.053 zu Freiherren und 10.563 Erfolgreiche in den einfachen Adel oder den Ritterstand. Eine eindrucksvolle Leistung?!
In den Jahren 1817 und 1818 sind 145 Bewerber in den Adelsstand erhoben worden. In den Jahren 1917 und 1918 waren es 508, während in den beiden Jahren zuvor „nur“ 235 Homines novi erhoben worden waren. Die letzten zwei Jahre der österreichisch-ungarischen Monarchie ist derselben als Kaiser von Österreich und König von Ungarn Karl I. bzw. IV. vorgestanden. Seine Umgebung nannte ihn den „Seeadler“. Auf Befragen kam die Antwort: Weil er jeden adelt, den er sieht. Franz Joseph hat in den beiden letzten Jahren seiner Regierungszeit noch nicht einmal die Hälfte jener Erhebungen bewilligt, die sein Nachfolger für angemessen hielt.
Nochmals und ganz eindringlich: Es handelt sich bei den mitgeteilten Zahlen nur um den Reichs- und den Erbländisch-österreichischen Adel bis 1806 und den österreichischen Adel bis 1918. In Ungarn liegt eine Statistik dieser Art nicht vor. Kenner behaupten jedoch, daß es in Budapest noch einfacher gewesen wäre, sich eines Prädikats und einer Krone zu versichern, als in Wien. Ebenso wie der Lebens- und der Baustil wird auch der Adelsstil von Norden nach Süden immer barocker! In Norddeutschland – und zwar sowohl östlich als auch westlich der Elbe – ist der echte Edelmann „von“, in Süddeutschland führt er mit Mehrzahl den Freiherren- und in Österreich den Grafentitel. In Norditalien ist „man“ Marchese (Markgraf), und in Süditalien bringt man es zum Duca (Herzog).

Die großen Orden

Nach der Schlacht bei Kolin 1757 stiftete die Kaiserin, Königin von Ungarn und Böhmen im eigenen Recht den Militär-Maria-Theresien-Orden. Dies war eine Auszeichnung, die erstmals den Anspruch auf den Adel mit sich brachte. Ursprünglich ist dem Ordensträger automatisch der Ritterstand zugekommen. Auf Ansuchen wurde er in den Freiherrenstand erhoben. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 erhielt der Ausgezeichnete automatisch den österreichischen oder den ungarischen Adel. Auf Ansuchen konnte er den österreichischen Freiherrenstand oder das ungarische Baronat erlangen. Die gleiche Feststellung, die eben schon gemacht wurde, nämlich die zunehmende Höhe der Titel von Nord nach Süd, läßt sich auch bei den höchsten Tapferkeitsauszeichnungen treffen. Der preußische Orden Pour le mérite brachte keinerlei Standeserhöhung mit sich. Der bayerische Militär-Max-Joseph-Orden schloß den persönlichen Ritterstand ein. Der Theresienorden brachte automatisch den erblichen Adel und auf Ansuchen den Freiherrenstand.
Neben dem Theresienorden existierten noch weitere Möglichkeiten, um einen Anspruch auf die Erwerbung des Adels oder Freiherrenstandes zu erreichen. Der Orden der Eisernen Krone wurde 1805 vom Kaiser der Franzosen und König von Italien, Napoleon Bonaparte, gestiftet. Nach dem Zusammenbruch des Regno d’Italia ließ Kaiser Franz I. von Österreich die Auszeichnung wieder aufleben. Der Orden der Eisernen Krone III. Klasse brachte auf Ansuchen den Ritterstand. Dieselbe Dekoration II. Klasse wurde mit dem Freiherrenstand belohnt.
Im Jahre 1808 stiftete Kaiser Franz I. zu Ehren seines Vaters Leopold II. den Kaiserlichen Leopold-Orden. Das Ritterkreuz dieser Dekoration brachte – wie der Name schon andeutet – den Ritterstand, das Kommandeurkreuz den Freiherrenstand mit sich. Offensichtlich haben die darauf basierenden Erhebungen jenen Kreisen, die sich mit diesen Dingen befaßten, Bedrückung verursacht. Deshalb wurde am 18. Juli 1884 ein Kaiserliches Schreiben veröffentlicht: Ab diesem Zeitpunkt würde die Verleihung nicht mehr eine wie immer geartete Standeserhöhung mit sich bringen.
Bis zu dem eben erwähnten Datum bestand noch die weitere Möglichkeit, sich durch die Erwerbung des Königlich-ungarischen St. Stephan-Ordens eine Standeserhebung bereiten zu können. „Nach den Statuten erlangten früher die Großkreuze dieses Ordens zugleich die Würde eines Wirklichen, die Kommandeure den Titel eines Geheimen Rates, die kleinen Kreuze aber den Anspruch auf die taxfreie Erhebung in den Freiherren-, unter Umständen selbst in den Grafenstand. Dieses Vorrecht wurde mit dem Allerhöchsten Handschreiben vom 18. Juli 1884 aufgehoben.“ Durch die Verleihung des Kleinkreuzes konnten nur Angehörige alter ungarischer Adelsfamilien mit dem Grafenstand erfreut werden.

Der Offiziersadel

Der Möglichkeiten existierte immer noch eine: Der sogenannte „Systemmäßige Adelsstand“. Er konnte ausschließlich von Offizieren erworben werden. In jener Verordnung, die sich mit dieser Materie befaßte, wurde folgendes bestimmt: „Die Erhebung in den Adelsstand konnte auf erworbene Ansprüche gestützt werden von Offizieren des Soldatenstandes, die 30 Jahre in der Linie aktiv gedient, an mindestens einer feindlichen Begebenheit teilgenommen und ein stetes Wohlverhalten an den Tag gelegt haben; dann von solchen Offizieren, welchen die zweite Voraussetzung ermangelt, nach 40jähriger Dienstzeit.“ Im Rahmen dieser Bestimmungen wundert es, daß nicht sämtliche Offiziere nach den vorgesehenen Dienstzeiten sich des einfachen Adels erfreuen konnten: Der jeweils Betreffende ist mit 20–22 Jahren zum Offizier befördert worden. Nach 30 Jahren ist er demnach Anfang 50 gewesen. An feindlichen Begebenheiten aber hat es zu keiner Zeit gemangelt. Als Beispiel mein Urgroßvater, General Peter v. Preradovich, der südslawische Nationaldichter: Er erlangte 1838 den Offiziersrang, machte die Feldzüge 1848/49 gegen Sardinien, 1859 gegen Frankreich/Sardinien, 1866 den Kampf zwischen dem Deutschen Bund und Preußen mit. An „feindlichen Begebenheiten“ hatte er somit keinen Mangel. Nach 30 Dienstjahren als Offizier, 1868, hätte er – sofern er es nötig gehabt hätte – um den Adel ansuchen können.
Der Anspruch bestand somit bis 1918 bei der Verleihung des Theresienordens und bei der Nutzung des „Systemmäßigen Adels“.
Im Königreich Preußen bestand nur in einem einzigen Fall ein Anspruch auf eine Adelserhebung: Bei der Verleihung des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler. Ein Vetter von mir, Lupold v. Wedel-Parlow, meinte dazu: „Die Ritter vom Schwarzen Adler hatten es in den allermeisten Fällen nicht nötig, geadelt zu werden.“
Zur Krönung dieser Ausführungen: Fünf Männer, die es im Verlauf ihrer Laufbahn vom Bürger bis zum Grafen gebracht haben:

-Anton Graf Prokesch v. Osten (1795–1876) K. k. Feldzeugmeister (Gen. d. Inf.) und Botschafter, Adel und Ritter 1830, Freiherr 1845, Graf 1871
-Alexander Graf Hübner (1811– 1892) K. u. k.  Botschafter und k. k. Minister Adel und Freiherr 1854, Graf 1888
-Friedrich Graf v. Beck-Rzikowsky (1830–1919), K. u. k. Generaloberst, Adel und Ritter 1861, Freiherr 1878, Graf 1906
-Heinrich Graf Calice (1831–1912), K. u. k. Botschafter, Adel und Freiherr 1871, Graf 1906
-Viktor Graf Dankl v. Krasnik (1854–1939), K. u. k. Generaloberst, Adel und Freiherr 1917, Graf 1918
Gott hatte ein Einsehen! Von den fünf jungen gräflichen Geschlechtern sind vier bereits erloschen.
Zum Abschluß ein zu Herzen gehendes Beispiel:
Die Tochter eines Militärarztes heiratet einen Hauptmann. Sie heißt Luise Woinowich, geb. Uriel. Der Vater wird geadelt: Woinowich, geb. v. Uriel. Der Mann wird geadelt: v. Woinowich, geb. v. Uriel. Der Vater wird zum Generaloberstabsarzt befördert und in den Freiherrenstand erhoben: v. Woinowich, geb. Freiin v. Uriel. Zuletzt erreicht der Gatte den Dienstgrad General der Infanterie und eine weitere Erhebung. So lautet am Ende ihr Name: Luise Freifrau Woinowich v. Belobreska, geb. Freiin v. Uriel. Und dies alles im Verlauf von nur zwölf Jahren: 1904–1916. Stets von neuem: Nicht die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern die österreichisch-ungarische Monarchie ist (war) das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gewesen.

 
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