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Ottokar Kernstock

Der steirische Priester und „Sänger auf der Festenburg“ Ottokar Kernstock ist als Dichter heute nahezu verfemt, wofür als Begründung immer wieder sein „Hakenkreuz-Lied“ herangezogen wird. Dieses in den ersten Monaten des Jahres 1923 verfaßte Gedicht war zwar tatsächlich der Fürstenfelder Ortsgruppe der NSDAP gewidmet, doch hatte sich Kernstock sofort, und zwar noch vor dem Marsch auf die Feldherrnhalle, von jeder propagandistischen Ausschlachtung dieses Gedichts distanziert und sich eine solche auch mittels offener Briefe verbeten. Als Begründung führte er an, daß er das Gedicht angesichts des Idealismus des Parteiprogramms und der ihm bekannten Fürstenfelder Ortsgruppe verfaßt habe, keinesfalls aber als Propaganda-Lied für die Gesamtpartei und schon gar nicht angesichts deren immer radikaleren Entwicklung, die er vom katholischen Standpunkt aus als verderblich empfand. Dabei war Kernstock nicht nur ein frommer katholischer Priester, sondern zugleich ein tief deutsch und national fühlender Mann. Daß er mit seinen österreichisch-patriotischen Gedichten während des Ersten Weltkriegs Töne angeschlagen hat, die für einen Priester kaum als angemessen erscheinen können, soll hier nicht bestritten werden. Die Qualität seines sonstigen dichterischen Schaffens steht damit aber in keinem Zusammenhang und sollte für sich genommen beurteilt werden. Daß Ottokar Kernstock vor den Augen der Moderne dabei keine Gnade findet – wie kann man im 20. Jahrhundert auch noch so romantisch dichten? –, muß ihm aber wohl nicht unbedingt zur Schande gereichen.

Heimat


Als schuldbeladen unter lauten Klagen
Das erste Paar aus Edens Pforten schritt,
Gab ihnen Gott, dass sie nicht ganz verzagen,
Ein kleines Stück vom Paradiese mit.

Die Heimat, wo den ersten Kuss du fühltest,
Mit dem die Mutter dich willkommen hieß,
Wo du die ersten Kinderspiele spieltest –
Die Heimat ist ein Stück vom Paradies.

Drum lehrt das Volk, dies edle Kleinod schützen!
Ruft laut, dass man’s in jeder Hütte hört:
Nicht wert ist, eine Heimat zu besitzen,
Der sich nicht tapfer um die Heimat wehrt.

CHRISTKINDLEIN KOMMT!


Das Kindlein wimmert, das Kindlein ist krank,
Die Mutter betreut es, mit kühlendem Trank
Die brennenden Lippen labend.
Sie würgt hinunter der Tränen Flut
Und lacht und schmeichelt: »Sei gut – sei gut!
Denk, heut’ ist der Heilige Abend!
    Christkindlein kommt!“

„Bald, Herzlieb, endet des Tages Lauf,
Vom Himmel stöbert’s, der Sturm wacht auf
Und wirbelt im Tanze die Flöckchen.
Dann harren wir traulich zum Ofen gerückt,
Das Feuer knistert, die Wanduhr tickt. . .
Da klingelt’s – es kündet das Glöckchen:
    Christkindlein kommt!“

„Aufspringen die Türen – im weiten Raum
Strahlt blendend ein leuchtender Wunderbaum;
Der schafft meinem Liebling Genesung.
Der Jubel macht eilig vergessen das Leid –
Heut’ ist ja der Gnaden glückselige Zeit!
Heut’ naht ja der Dulder Erlösung!
    Christkindlein kommt!“

Die Mutter plaudert, das Kindlein liegt
Schweratmend in ihren Schoß geschmiegt.
Mit einemmal sieht sie es lächeln –
Es öffnet die Augen weit und jäh,
Als ob es was wundersam Herrliches säh’.
Dann verzittert sein Röcheln. . .
Christkindlein kommt!“

Österreichische Volkshymne
(offizielle Bundeshymne der 1. Republik)


Sei gesegnet ohne Ende,
Heimaterde, wunderhold!
Freundlich schmücken dein Gelände
Tannengrün und Ährengold.
Deutsche Arbeit, ernst und ehrlich,
Deutsche Liebe, zart und weich –
Vaterland, wie bist du herrlich,
Gott mit dir, mein Österreich!

WEIHNACHTSZAUBER


O Nacht, in der der Heiland kam
Und Gottes Engel sangen,
Es hält dein Zauber wundersam
Die ganze Welt gefangen.
Heut’ klingt der Glocken Festgeläut’,
Als käm’s aus Himmelsfernen.
Die ärmsten Lichtlein gleichen heut’
Den strahlenhellsten Sternen.

In jedem Stübchen regt sich’s sacht,
Es rauscht auf allen Wegen
Geheimnisvoll die ganze Nacht
Von leisen Flügelschlägen.
Lebendig wird’s im dumpfen Stall,
Die stummen Tiere reden.
Ein Gottesfrieden herrscht im All
Wie einst im Garten Eden.

Heut’ birscht kein Fuchs, kein Raubzeug fliegt,
Der Wolf, des Waldes Schrecken,
Ruht, an die Hirschkuh traut geschmiegt,
In warmen Laubverstecken.
Gezwerge schweift durch Busch und Feld,
Es reigen Elfenpärchen –
Im deutschen Wald erwacht die Welt
Der lieben deutschen Märchen.

Doch ist’s nur wenigen erlaubt,
Den Zauber zu erspähen.
Denn nur, wer fromm an Wunder glaubt,
Der kann auch Wunder sehen.
Jetzt fegt das Land von Wundern leer
Der Spott, der Allvernichter,
Jetzt schau’n sie nur die Kinder mehr –
Die Kinder und die Dichter.

Buchtip:

Ottokar Kernstock 1848-192864 Seiten, brosch.€ 6.95

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