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Die Deutschen in Rumänien

Von Markus Gerhard Freilinger

In Siebenbürgen, das zu Ungarn gehörte und 1918 Rumänien zugeschlagen wurde, lebt die älteste auslandsdeutsche Volksgruppe. Die Besiedlung begann vor achthundert Jahren durch den ungarischen König Geza. Später kamen die Donauschwaben, im 18. Jhd. die Sathmarschwaben hinzu. Maria Theresia löste nochmals eine große Einwanderungswelle aus. Sie siedelte die Buchenlanddeutschen und die aus Religionsgründen aus Oberösterreich, Salzburg und Kärnten vertriebenen, protestantischen „Landler“ in Siebenbürgen an. Alle diese verschiedenen Deutschen behielten bis heute ihre Identität. Immer noch sieht ein Kenner sofort, ob er sich in einem Landler- oder einem Sachsendorf befindet. Ein deutsches Bauernhaus sieht gänzlich anders aus als das eines Rumänen. Vor allem der Dialekt und die eigenen Feste machen die Unterschiede zwischen den Deutschen aus. Insbesondere in den 80er und 90er Jahren verließen viele Rumäniendeutsche das Land. Heute leben von den ehemals 800.000 Deutschen in Rumänien nur mehr höchstens zehn Prozent in ihrer Heimat. Die rein altösterreichischen Landler wurden von der österreichischen Regierung ganz besonders schäbig behandelt. Jene, die zurück in ihre Heimat wollten, erhielten gerade einmal ein Durchreisevisum durch Österreich auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutschland. Von unseren bundesdeutschen Nachbarn wurden sämtliche „Heimkehrer“ herzlich aufgenommen und finanziell großzügig unterstützt.Die damalige SPÖÖVP- Regierung in Wien war zu keinerlei Maßnahmen indieser Richtung zu bewegen und medial wurde dieser Skandal totgeschwiegen.Nach dem Zweiten Weltkrieg ereilte die Minderheit in Rumänien als Deutscheein schlimmes Schicksal. Sie wurden enteignet, viele vertrieben, 75.000 indie Sowjetunion zu jahrelanger Zwangsarbeit verschleppt, wovon rund 10.000 umgekommen sind. Da Siebenbürgen 1942 erneut zwischen Ungarn undRumänien aufgeteilt worden war, hatten es die Deutschen im nördlichen, ungarischen Teil besser: die meisten waren schon zu Kriegsende geflohen, was ausdem rumänischen Teil nicht möglich war. Nach dem Krieg versuchten viele,über die grüne Grenze nach Ungarn zu gelangen, von wo aus sie nach Österreichund Deutschland abgeschoben wurden. Sogar ein bestens organisiertesSchlepperwesen existierte. Im Jahre 1977 kam es dann zu einem offiziellen Abkommen auf „Familienzusammenführung“ zwischen dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Präsident Nicolae Ceauçescu. Deutschland zahlte ab diesem Jahr pro Auswanderer zwischen 5.000,– und 15.000,– DM. Dieser Betrag wurde als eine Art Entschädigung für Ausbildung und andere Kosten, die dem rumänischen Staat erwachsen waren, deklariert. Der Immobilienbesitz der Auswanderer wurde aber nur mit einem Bruchteil des Wertes von damals 80.000,– Lei abgegolten. Deutschland zahlte einen sogenannten Lastenausgleich an die Auswanderer und entschädigte sie somit selbst.

Die Restitution

Die Entschädigung der Deutschen, aber auch der Rumänen, gestaltet sich bis heute sehr schwierig, weil im Unterschied zur Tschechoslowakei die Enteignungen nicht durch ein Dekret stattgefunden haben, sondern viele verschiedene Fallvarianten aufweisen. Die Lage der Deutschen gestaltete sich in Rumänien aber verhältnismäßig um vieles besser als in den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas. So wurden den nationalen Minderheiten 1952 per Verfassungsgesetz der Gebrauch der eigenen Muttersprache im öffentlichen Leben und als Unterrichtssprache, die Herausgabe von muttersprachlicher Literatur und die Pflege eines eigenen Kunst- und Theaterbetriebs garantiert. Und schon 1956 gab der rumänische Staat einen Großteil der 1945 enteigneten Häuser an die heimatverbliebenen deutschen Besitzer zurück! Rumänien hat also schon sehr früh mit der Restitution begonnen, wenn man bedenkt, daß sowohl Tschechien als auch die Slowakei bis heute in dieser Frage nicht einmal mit der Wimper zucken. Aber wie in Ungarn ist die Umsetzung oft äußerst mangelhaft. Die Vielzahl an Gesetzen und Durchführungsbestimmungen,die teilweise noch fehlende Rechtspraxis und die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten machen, so der Rechtsanwalt Detlef Barthmes von der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, bis heute gesicherte Aussagen zur rumänischen Restitutionsgesetzgebungunmöglich. In wichtigen Bereichen wie der Restitution von Grund und Boden fehlen noch immer die gesetzlichen Grundlagen. Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist Rumänien sehr bemüht, die Angehörigen der deutschen Minderheit – und zwar auch die Ausgewiesenen oder Ausgewanderten – gleichberechtigt im Restitutionsprogramm zu behandeln. Dabei will man die Güter tatsächlich zurückgeben und nicht bloß entschädigen. Der Hintergrund ist, daß sich der Staat dadurch viel Bargeld spart, das er sonst an Entschädigung zahlen müßte. In Serbien und Tschechien ist man hingegen in letzter Zeit sehr bemüht, deutsche Immobilien rasch zu verkaufen, um eine Restitution zu verunmöglichen. Leider wird auch dieser Umstand von der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet. Wer übrigens im Zuge des Lastenausgleichs von deutschen Behörden bereits entschädigt wurde und von Rumänien sein Eigentum zurückerhält, muß die deutsche Entschädigung zurückzahlen. Bei der rumänischen Entschädigungsvariante ist aber bisher nicht daran gedacht, auch den Boden zurückzugeben. Restituiert werden also bisher nur die Bauwerke, Äcker und Felder werden nicht zurückgegeben, ebenso nicht der Boden, auf dem Immobilien errichtet sind.

Deutsche Kultur in Rumänien

Was vielfach vergessen wird, ist, daß Nicolae Ceauçescu am Beginn seiner Regierungsszeit ein für sozialistische Staaten sehr fortschrittlicher Politiker war. Mitseinem Amtsantritt brach 1962 eine neue Ära an. Für die Minderheiten wurde eine Politik der nationalen Gleichberechtigung gemacht, die auch in der Verfassung ihren Niederschlag fand. Die Bestrebungen der rumänischen Staatsmacht,die Minderheiten gesellschaftspolitisch zu assimilieren, ohne ihre kulturellenEigenheiten zu zerstören, garantierte zwar den Volksgruppen die Pflege der eigenen Identität, führte aber gleichzeitig zu einer zunehmenden staatlichen Bevormundung.
1968 wurde sogar ein „Rat der Werktätigen deutscher Nationalität“ gegründet, der nach offizieller Propaganda die Interessen der Minderheit im Staatsganzen fördern sollte. In Wirklichkeit war er nichts anderes als ein Kontrollinstrument über die damals immerhin noch fast 400.000 Personen zählende deutsche Minderheit. Mit der anschließenden Gründung der „Karpatendeutschen Rundschau“ und der „Hermannstädter Zeitung“ konnte das Regime zusätzlich direkten Einfluß nehmen. Im Laufe der 70er Jahre verschlechterte sich aber die wirtschaftliche und politische Lage Rumäniens zusehens. Dies hatte auch auf die Minderheiten seine Auswirkungen. Jeder wollte das Land verlassen. Dabei war ja bereits ein Tor durch das „Schmidt-Ceauçescu Abkommen“ geöffnet. Als im Dezember 1989 das Ehepaar Ceauçescu ohne Gerichtsverfahren von Soldaten einfach erschossen wurde und die Grenzen offen waren, brachen die Dämme. Allein innerhalb der nächsten fünf Jahre wanderten über hunderttausend Deutsche in die BRD aus. 2002 zählte man nicht einmal mehr 60.000 Deutsche in Rumänien.

Ein Scherbenhaufen

Was jahrhundertelang gewachsen war, ist innerhalb weniger Jahre vergangen. Einerseits waren es handfeste wirtschaftliche Gründe, andererseits die Möglichkeit, bequem ins reiche Deutschland zu übersiedeln. Die bundesdeutschen Verantwortlichen werden manchmal kritisiert, daß sie die Ausreise aus Rumänien ermöglichten. Der Vorwurf geht freilich ins Leere, weil die Dämme erst dann tatsächlich brachen, als ohnehin de facto Reisefreiheit herrschte. Das Rad der Geschichte kann man nicht zurückdrehen. Die gute Gemeinschaft, die Nachbarschaften – eine Art Versicherung auf Gegenseitigkeit –, der Zusammenhalt in den sächsischen Dörfern, die zumeist rein deutsch waren und fast in Subsistenzwirtschaft arbeiteten, all das wurde zu Opfern der sich wirtschaftlich bessernden Lage. Wenn es den Rumänen auch nach wie vor schlecht gehen mag, ist die Situation heute keineswegs mit der katastrophalen Versorgungslage bis 1989 zu vergleichen! Dennoch gibt es kaum Beispiele von Menschen, die wieder in die alte Heimat zurückkehren. Dies wäre völlig gegen den Trend, denn auch in der rumänischen Bevölkerung versucht jeder, ins Ausland zu gehen, um dort ein besseres Leben führen zu können. Sollten einzelne Deutsche in der Pension zurückkehren, kann dies den Trend nicht umkehren. In den ehemals deutschen Häusern sind heute Rumänen als „Verwalter“ eingesetzt, die dort gratis leben und aufpassen, daß niemand einbricht. Die Häuser werden gerade noch im Urlaub genutzt. Die alten dörflichen Strukturen sind und bleiben kaputt! Interessant ist die Haltung der Rumänen zum „Auszug“ der Deutschen. Je gebildeter, desto mehr wird der Verlust dieser wirtschaftlich so wertvollen Minderheit bedauert. Je schlichter das Gemüt, um so gleichgültiger steht man der Situation gegenüber. Die breite Masse Rumäniens kämpft immer noch ums Überleben.

Deutsche Schulen für Rumänen

Daß nicht alle Strukturen tot sind, soll am Beispiel der deutschsprachigen Schulen illustriert werden. Einst Kaderschmiede für die Deutschen, bald allerdings auch schon für die rumänische Intelligenz, sind die 25 deutschen Lyzeen (Gymnasien) bis heute von so großer Qualität, daß sie jede PISA-Studie gewinnen könnten. Die Schüler sind mittlerweile allerdings fast ausschließlich Kinder mit rumänischer Muttersprache. Sie haben den Vorteil, neben der guten Schulbildung auch exzellent Deutsch zu lernen, die Unterrichtssprache ist in allen Fächern Deutsch. Die hervorragenden deutschen Schulen sind ein Beispiel, daß nicht alles Deutsche ausgelöscht ist, obwohl die deutsche Volksgruppe einem gewaltigen Aderlaß ausgesetzt war.
Noch sind nicht alle Deutschen ausgewandert, und wenn es auch viele nicht zu beschönigende Probleme, wie die auf den Kopf gestellte Alterspyramide, gibt, so können einzelne Persönlichkeiten doch Gewaltiges erreichen. In Hermannstadt (Sibiu) amtiert seit der letzten Wahl der Deutsche Klaus Johannis als Bürgermeister. Seine Partei hatte das Pech, nicht genügend Kandidaten aufzustellen, und fiel um mehrere Stadträte um, da Nachnominierungen rechtlich nicht vorgesehen sind. Am 6. Juni findet die nächste Wahl der Hermannstädter Stadtvertretung statt. Neutrale Umfragen prognostizieren Johannis und seinem Team 70–90 % der Wählerstimmen, da die Bevölkerung seine korruptionsfreie und erfolgreiche Arbeit schätzt. Diesmal ist es auch gelungen, eine komplette Liste mit jungen, dynamischen Leuten zu erstellen. Der Altersdurchschnitt der Kandidaten liegt deutlich unter 55 Jahren.
Auch dieses Beispiel zeigt, daß die Deutschen in Rumänien noch immer viel einbringen und vielleicht sogar die jahrhundertelange Symbiose wieder aufzuleben beginnt.


Offizielle Vertretung der Deutschen in Rumänien: Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien: Str. Gerneral Magheru 1–3, RO-2400 Sibiu (Hermannstadt), Tel.: (+40/269) 21 78 41, www.dfdr.sobis.ro
Die Siebenbürger Sachsen haben ein Vereinslokal in Wien: Haus der Heimat, Steingasse 25, Tel.: (+43/1) 714 18 03, www.vloe.at

 
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