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Die Zelluloid-Supermacht

Von Stefan Hug M.A.

„Das ist doch nur ein Film!“ So beschwört es mancher im Stillen, wenn sich ihm beim Ansehen eines Gruselfilms die Nackenhaare sträuben. Doch die Beschwörung ist meist vergeblich – Film und Fernsehen prägen den modernen Menschen zutiefst, weil sie so realistisch wirken. Aus Unterhaltung und Fiktion werden Bilder, die man für Tatsachen halten könnte. Das macht sich die Politik zunutze.

Zu unbestrittener Meisterschaft in der Kunst der subtilen Filmpropaganda haben es ohne Zweifel die USA gebracht, die die globale Filmindustrie spätestens seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts dominieren. Diese Dominanz wurde ihnen in Europa nur durch die Deutschen streitig gemacht, die nach dem Ersten Weltkrieg zur zweiten Weltmacht des Films aufstiegen, nachdem die Gründung der UFA 1917 mit dem Zweck erfolgte, die Propaganda des deutschen Kaiserreiches im Film anschaulich zu machen. Das Kaiserreich ging, die technisch hochentwickelten Studios der UFA blieben und produzierten in den zwanziger und dreißiger Jahren einen Erfolgsfilm nach dem anderen – darunter „Der Blaue Engel“ (1930) mit Marlene Dietrich.
Der direkte Zugriff des Staates auf die Filmproduktion, wie er bei der Gründung der UFA sichtbar wurde oder 1942 mit der De-facto-Verstaatlichung der gesamten deutschen Filmindustrie, kennzeichnet eine europäische Besonderheit. Wir sind gewohnt, mit dem Begriff „Propagandafilm“ solche Zelluloidstreifen zu bezeichnen, die unter diktatorischen Regimen mit politischen Absichten entstanden wie der antideutsche „Alexander Newski“ (1938) aus sowjetischer Produktion. Geschildert wird die Geschichte des gleichnamigen russischen Nationalhelden, der im Mittelalter die Ritter des Deutschen Ordens in der Schlacht auf dem Peipussee besiegte. Josef Stalin höchstpersönlich hatte den Regisseur Sergei Eisenstein, berühmt geworden durch „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925), mit der Regie des Filmes beauftragt. „Alexander Newski“ thematisiert den deutsch-sowjetrussischen Gegensatz – vor dem Abschluß des Nichtangriffspakts zwischen beiden Mächten ein Jahr später. Der Film wurde nach diesem Zweckbündnis aus den Kinoprogrammen genommen – bis zum Ausbruch des Krieges 1941. Danach wurde er wieder verstärkt gezeigt, um die Massen gegen den deutschen Feind zu mobilisieren.
„Friesennot/Dorf im roten Sturm“ (1935) aus deutscher Produktion durchlief ein spiegelbildliches Schicksal. Ein deutsches Dorf in Sowjetrußland erwehrt sich nach 1917 der neuen kommunistischen Machthaber: diese Botschaft war ab 1939 unerwünscht, und der Film wurde ebenfalls bis 1941 nicht mehr gezeigt.
Soviel zu den Propagandafilmen aus nationalsozialistischer und sowjetischer Produktion. Aber ist es nicht auch Propaganda, wenn in Demokratien der Staat Einfluß auf die Gestaltung der Filme nimmt? US-Präsident Roosevelt unterstützte beispielsweise aktiv Produktion und Verbreitung der Filme „Sergeant York“ (1941) und „Der große Diktator“ (1940) von und mit Charles Chaplin. Letzterer war eine eindeutige Hitler-Parodie, der erstere zeigte die Heldentaten eines US-Soldaten im Ersten Weltkrieg und brachte das bisher mehrheitlich pazifistisch-isolationisch gesinnte Amerika mental endgültig auf Kriegskurs. Roosevelt hatte sich 1940 dafür eingesetzt, daß die wirtschaftsrechtlich bedenkliche und eigentlich verbotene Verschränkung von Filmproduktion und Aufführung in eigenen Kinoketten, die viele der großen amerikanischen Filmgesellschaften aufwiesen, juristisch nicht geahndet wurde. Produzenten und Regisseure dankten ihm mit einer Flut von Militär- und Kriegsfilmen, die bis dahin eher als „Kassengift“ gegolten hatten. Roosevelt beruhigte mit einer demonstrativ vorgetragenen Friedensrhetorik die Bevölkerung und wandte sich so scheinbar gegen eine zukünftige Teilnahme der USA im europäischen Konflikt, während er hinter den Kulissen eifrig die Aufrüstung der US-Armee und die geistige Mobilmachung betrieb. Dem Film widmete er besondere Aufmerksamkeit, u. a. lud er während des Krieges Schauspieler und Regisseure ins Weiße Haus ein.
In den USA entstand so eine enge, aber nicht offen institutionalisierte Verbindung des Staates zur Filmwirtschaft, die spätestens seit dieser Zeit in ständigem Kontakt standen, nur durch kurze Phasen der Distanz während des Vietnamkrieges und danach unterbrochen.
Für den Film „Top Gun“ (1986) konnten die Produzenten auf die Möglichkeit zurückgreifen, auf Flugzeugträgern zu filmen und die packenden Start- und Landemanöver der Marinepiloten hautnah aufzunehmen. Muß man erwähnen, daß das Militär sich dafür vorbehielt, am Drehbuch mitzuschreiben und dies tatsächlich änderte? Private Beziehungen zwischen männlichen und weiblichen Militärangehörigen sind in der US-Armee unerwünscht. Im Drehbuch verliebt sich die Dozentin an der Militärakademie, die selbst Soldatin ist, in den Hauptdarsteller, einen draufgängerischen Piloten (gespielt von Tom Cruise). Das Militär änderte das Szenario dahingehend, daß aus der Soldatin eine zivile Dozentin wurde und somit den Richtlinien der Armee entsprochen wurde – keine Liebesbeziehungen zwischen Soldatinnen und Soldaten. Ist ein solcher Film, der in der Entstehung nicht nur in diesem Detail beeinflußt wurde und vor allem die militärtechnische Überlegenheit der US-Amerikaner über die Sowjets feierte, kein Propagandafilm?
Hollywood hat also mit wenigen Ausnahmen die Außen- und Militärpolitik der USA stets mit befürwortenden Filmen begleitet und somit den Wünschen der Mächtigen in Washington entsprochen. Ausnahmen sind hier lediglich die Phasen von der Spätphase des Vietnamkrieges bis zum Ende der siebziger Jahre und wenige Jahre nach dem Einmarsch in den Irak 2003.
Der patriotisch-konservative John Wayne versuchte sich 1968 als Regisseur und bekam massive Unterstützung von der US-Armee für seinen Film „Die grünen Teufel“, der aber bei den Kritikern durchfiel und die sich entwickelnde Anti-Kriegsstimmung an der „Heimatfront“ nicht ändern konnte. Danach schwappte eine Welle kriegskritischer und pazifistischer Filme durch das US-Kino, bis sich spätestens mit dem ersten Film der „Rambo“-Reihe (1982) ein revisionistisch-revanchistischer Blick auf den Vietnamkrieg etablierte – bezeichnenderweise im Jahr des Amtsantritts des US-Präsidenten Ronald Reagan. Dieser sah den Kommunismus eindeutig als Feind und den Vietnamkrieg als zwar fehlgeschlagene, aber prinzipiell richtige Sache.
Vor und kurz nach dem Einmarsch in den Irak 2003 wimmelte es ebenfalls von patriotischen Kriegsfilmen auf den Leinwänden der USA. Kurz danach begann die Stimmung in den Filmstudios aber ins Kriegskritische zu kippen, und das hält bis heute an. Denn die „Massenvernichtungswaffen“ Saddam Husseins – angeblicher Kriegsgrund – erwiesen sich als nicht existent, die US-Truppen wurden zunehmend in Guerillagefechte verwickelt und aus dem Hinterhalt angegriffen und erlitten hohe Verluste.

The American Way of Life

Doch eine sachliche Analyse der Zelluloid-Supermacht wäre unvollständig ohne einen Blick auf die zivile Seite der Hollywood-Produktion. Jenseits der selten hinterfragten Verherrlichung amerikanischer Militärmacht wirkt das Lebensmodell des „American Way of Life“ oft weitaus stärker. Die USA werden in dieser Hinsicht nicht mehr als übermächtige Gegner gefürchtet, sondern als vorbildliches Lebensmodell bewundert und geliebt. „Dallas“ (1978–1991) und „Denver-Clan“ (1981–1989): Große Autos, riesige Wohnungen, hochtechnisierte Küchenausstattungen, gepflegte Vorgärten – was nur für die obere Mittelschicht und die Oberschicht der Vereinigten Staaten Lebensrealität ist, wird von vielen Zuschauern im Ausland für bare Münze und den allgemeinen Standard in den USA gehalten. Und selbst dort, wo ausnahmsweise das Leben im Dreck thematisiert wird, scheint durch, daß die USA in den Himmel gehoben werden. Denn nirgends ist gesellschaftlicher Aufstieg so selbstverständlich und wird harte Arbeit so belohnt wie in den USA; dieser Anspruch findet sich perfekt abgebildet in dem Film „Das Streben nach Glück“ (2006): ein Schwarzer wird von seiner Frau alleingelassen, muß sich um seinen kleinen Sohn kümmern und schafft es dennoch mit eiserner Disziplin, eine Stellung in einer Bank zu bekommen. Selbst die Niederungen der Kriminalität stoßen nicht wirklich ab, sondern werden vor tropischer Kulisse zu attraktiven Filmhandlungen verarbeitet: „Miami Vice“ (1984–1989).
Im Gegensatz zu Propagandafilmen diktatorischer Regime läßt die Filmindustrie der USA ein bisweilen sehr hohes Maß an (Selbst-)Kritik am eigenen politischen System erkennen. Deutlich wird dies darin, wenn ein US-Präsident (Nixon) gezeigt wird, der mit unlauteren Mitteln arbeitet („Die Unbestechlichen“ 1976), oder – fiktiv – ein hoher US-Militär nach Terroranschlägen von Arabern die arabische Bevölkerung New Yorks unter Generalverdacht stellt und sie internieren läßt: „Ausnahmezustand“ (1998). Doch in beiden Fällen hat das System die Fähigkeit zur Selbstreinigung: der Präsident muß nach der Ermittlungsarbeit zweier Journalisten zurücktreten, der US-Militär wird verhaftet und seine widerrechtlichen Maßnahmen werden aufgehoben. Gerade diese Fähigkeit zur Selbstreinigung ist es, die die US-Amerikaner anderen Völkern und Staaten nicht zuerkennen wollen und deshalb weltweit intervenieren, um „democracy“ in ihrem Sinne zu installieren. Keine Frage, daß die US-Amerikaner selbst allein schon den Gedanken von sich weisen, andere Mächte müßten in den USA intervenieren, um diese auf den rechten Weg zu bringen. Im Gegenteil wird noch 200 Jahre nach dem Unabhängigkeitskampf gegen die Briten dieser Konflikt in farbenprächtigen Bildern inszeniert und eindeutig mit Schwarz-Weiß-Schemata gearbeitet: „Der Patriot“ (2000).

Der ewige Feind: Hunnen, Krauts, Nazis

Es ist dieser bestimmende Grundzug – das Böse, zumindest im politischen Bereich, weitgehend zu externalisieren und es anderen Nationen bzw. Menschen zuzuschreiben –, der die US-amerikanische Filmindustrie bei näherem Hinsehen so unsympathisch erscheinen läßt. So wimmelt es seit den siebziger Jahren in Action- und Agentenfilmen von arabischen Terroristen, die US-Amerikaner bedrohen, während der heimische Terrorismus eines Timothy McVeigh, der 1995 in Oklahoma mit einem Sprengstoffanschlag 168 Menschen tötete, filmisch praktisch ignoriert wird.
Bei der Zeichnung der Deutschen ist diese Externalisierung des Bösen zur Manie geworden, die seit fast 100 Jahren ohne wesentliche Abstriche durchgehalten wird. Bereits 1915, zwei Jahre vor dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, tobten Soldaten mit Pickelhauben (also Deutsche) über die Leinwände der US-Kinos. „The Battle Cry of Peace“ beschwor eine fiktive Invasion New Yorks durch diese Pickelhauben-Soldaten und rief die Amerikaner zum Schluß des Films zur Aufrüstung auf, um sich zu schützen. Muß man erwähnen, daß das Buch, das die Vorlage zum Film lieferte, von einem Mitglied der Familie Maxim geschrieben wurde – die in der Waffenindustrie beachtliche Anteile hielt?
1939 wurde mit dem Streifen „Confessions of a Nazi Spy“eine geradezu hysterische Angst vor deutschen Spionageringen in den USA geschürt. Diese gab es durchaus – aber sie arbeiteten wenig professionell und waren bereits 1938 durch Verhaftungswellen dezimiert worden. Die wesentlich effizientere Agententätigkeit der Sowjetunion, die später zur Weitergabe des Wissens von Nuklearwaffen führte, wurde nicht thematisiert.
Während des Kalten Krieges wurde in Filmen, die den Zweiten Weltkrieg behandelten, oft mit der Entgegensetzung von guten Wehrmachtsoffizieren und bösen SS/Gestapo-Schergen gearbeitet: „Der längste Tag“ (1962). Darin spiegelte sich weniger eine tatsächliche Differenzierung als das Bemühen, die Westdeutschen, die man als Bündnispartner brauchte, im Film etwas besser wegkommen zu lassen und die ideologiefixierten Schurken mit der DDR und der dahinterstehenden Sowjetunion gleichzusetzen.
Die friedliche Vereinigung Deutschlands nach dem Ende der Blockkonfrontation 1990 führte leider nicht zu einem Ende des Feindbilds „Deutscher“ in den Filmen Hollywoods. Im Gegenteil scheint es, als ob die Dämonisierung sogar noch zunimmt und „gute Deutsche“ fast gar nicht mehr vorkommen: so in „Schindlers Liste“ (1993) und „Der Soldat James Ryan“ (1998).
Die prominente Rolle, die die Judenvernichtung der Nationalsozialisten auf den Bildschirmen und Leinwänden einnimmt (z. B. „Das Tagebuch der Anne Frank“ 1965, „Holocaust“ 1978, „Sophies Entscheidung“ 1982, „Schindlers Liste“ 1993, „Die Grauzone“ 2001, „Unbeugsam“ 2008), mag nur zu einem Teil der Dimension dieses Verbrechens geschuldet sein. Andere Völkermorde, wie jener des Osmanischen Reiches gegen die Armenier 1915, werden filmisch dagegen kaum thematisiert. Der Grund liegt ganz simpel darin, daß die Juden in der Filmindustrie der USA seit jeher eine starke Rolle einnehmen und die Thematisierung der eigenen Tragödie selbstverständlich für sie an erster Stelle steht. Die Unterdrückung der Griechen durch die Türken wurde von einem griechischstämmigen Regisseur thematisiert (Elia Kazans „Die Unbezwingbaren“ 1963), die kanadisch-französische Produktion „Ararat“ (2002) nimmt sich des Völkermords an den Armeniern an – und stammt vom armenischstämmigen Regisseur Atom Egoyan.

Das impotente Europa

Welche Rolle spielt Europa in der globalen Filmpolitik? Leider fast keine (mehr), obwohl der Film in seinen Anfängen in Frankreich besonders stark war und französische Verleiher sogar die USA dominierten – vor dem Ersten Weltkrieg. Die Studios in Potsdam-Babelsberg waren in den zwanziger Jahren eine ernsthafte Konkurrenz für Hollywood, und deutsche Filmtechniker entwickelten im Zweiten Weltkrieg den Farbfilm, die zweite wesentliche technische Neuerung nach Einführung des Tonfilms. In Farbe erstrahlte so zum Beispiel der Durchhhaltefilm „Kolberg“ (1945), der am Beispiel des Widerstands einer kleinen pommerschen Stadt gegen die Napoleonische Besatzung die Deutschen zum Kampf gegen die Alliierten aufrief, die den Boden des Reichs bereits betreten hatten.
Als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges dominierten die USA die eine Hälfte des nun machtlos gewordenen Europa, die Sowjetunion die andere – und das fast fünfzig Jahre lang. Das hat seine Spuren hinterlassen, und vor allem ist zu bemerken, daß das Zusammenwachsen Europas nach 1989/90 weniger eine eigenständige Entwicklung ist, sondern vielmehr unter US-amerikanischen Vorzeichen geschieht – so schiebt sich beispielsweise die NATO immer näher an die Grenzen Rußlands heran. Die Befreiung vom Kommunismus ging nicht mit der Gewinnung einer eigenständigen europäischen Position einher, zumindest nicht in der Machtpolitik. Der Euro ist eine Konkurrenz zur Weltwährung Dollar geworden, der Airbus machte Boeing schon vor dem Mauerfall Konkurrenz, Frankreich protegiert seine Filmindustrie, und die europäischen Völker lachen nicht nur gerne über US-Komödien, sondern auch und gerade über solche aus heimischer Produktion.
Machtpolitisch ist Europa nach wie vor impotent, und das spiegelt sich in den Filmerzeugnissen wieder. Die Europäer mögen auch gute Krimis und gute Komödien drehen, doch wenn es um Agenten-, Militär- und Kriegsfilme geht, haben die USA die Nase unangefochten vorn (die „britische“ James-Bond-Serie wird übrigens seit Jahrzehnten von US-Amerikanern koproduziert). Das rührt daher, daß die Europäer seit dem Zweiten Weltkrieg ein gebrochenes Verhältnis zur Machtpolitik, besonders in ihrer militärischen Form, haben. Während US-Amerikaner Kriege und Kommandoaktionen (wie jüngst die Tötung Osama bin Ladens) weitgehend als legitimes Mittel der Politik sehen, ist dies in Europa verpönt. Dies gilt selbst in Staaten, die noch nach dem Weltkrieg eine relativ souveräne Außen- und Machtpolitik ausübten wie Frankreich und Großbritannien. Ganz besonders aber ist dies in Deutschland der Fall, wo Verdammung des Krieges und Verdammung des Nationalsozialismus Hand in Hand gehen und eine Symbiose bilden. Seit Jahrzehnten gehört die militärkritisch-pazifistische Haltung deshalb zum festen Handwerkszeug deutscher Filmproduzenten, und der deutsche Soldat ist in diesem Denken unausweislich mit Diktatur und Untergang verbunden.
Eine Gruppe von Hitlerjungen verteidigt in einem sinnlosen Kampf eine strategisch unwichtige Brücke ihrer Heimatstadt und findet dabei bis auf einen den Tod: „Die Brücke“ (1959) wurde zu einem der großen, auch internationalen Erfolge des deutschen Nachkriegskinos. Ein deutsches U-Boot wird nach langer Feindfahrt kurz nach der Rückkehr an die Atlantikküste von alliierten Flugzeugen versenkt: „Das Boot“ (1981). Im Bunker gibt der in seine Gedankenwelt eingesponnene Hitler sinnlose Durchhaltebefehle, während der Russe immer weiter in die Straßen Berlins vordringt: „Der Untergang“ (2004).

Österreich: Walzerseligkeit und Judenhass

Im deutschsprachigen Raum hat der österreichische Film bzw. der ausländische Film, der Österreich behandelt, eine Sonderstellung, weil Österreich bis auf eine kurze Phase von 1938 bis 1945 nicht zum neueren deutschen Staatswesen gehörte und bis 1918 mit Ungarn eine Großmacht im mittel-osteuropäischen Raum darstellte. In diesem Sinne ist der „Fall“ Österreichs tiefer als der (West-)Deutschlands, das selbst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder rasch zu ökonomischer Größe anwuchs und mit der Bundeswehr eine der größten Armeen in der NATO stellte. Österreich wurde dagegen 1918 über Nacht von einer bedeutenden europäischen Großmacht zu einer kleinen Alpenrepublik. Immerhin konnte es sich dann aber im Windschatten der Globalpolitik seinen Charakter eigenständiger bewahren als die ehemaligen „Reichsdeutschen“ – so ab 1955 als politisch neutraler Staat zwischen Ost und West. Die Vierzonenstadt Wien wurde in „Der dritte Mann“ (1949) verewigt, der nebenbei die Zithermusik weltweit bekannt und beliebt machte.
Die Großmachtrolle Österreichs wurde paradoxerweise manchmal am heftigsten beschworen, als das Land in Deutschland „eingemeindet“ war, bzw. nicht von der österreichischen Filmindustrie selbst, sondern von den Deutschen: „Der Kongreß tanzt“ (Deutsches Reich 1931) setzt die Hauptstadt während des Wiener Kongresses 1815 in Szene, auf dem die Neuordnung Europas beschlossen wurde. In der Zeit von 1938 bis 1945 war Wien neben Berlin, München und Prag einer der Hauptstandorte der großdeutschen Filmproduktion. „Wiener Blut“ (1942) ist ebenfalls zur Zeit des Wiener Kongresses 1815 angesiedelt.
Der filmische Blick auf die österreichische Geschichte ist geprägt von Walzerseligkeit und Judenhaß, wobei das letztere weit überwiegt. Viele der Filme zur k. u. k. Monarchie, dessen Gesellschaft und Militär behandeln deren Endphase und beruhen auf Romanen oft jüdischer Schriftsteller, die dem Antisemitismus österreichischer Prägung einen besonderen Platz in ihren Werken einräumen. Auf Werken Joseph Roths beruht „Radetzkymarsch“, der gleich zweimal verfilmt wurde: 1965 und 1995. Der sehr frei erzählte Welterfolg „Oberst Redl“ (1985) ist hier auch zu nennen: dieser verleugnet in der Armee seine jüdische Herkunft und wird eher als Opfer der Gesellschaft denn als Verräter dargestellt.
„Der junge Törless“ (1966) nach einem Roman von Musil zeigt Schikanen gegen einen Schüler in einem Internat. „Ein Sohn aus gutem Hause“ (1989) flüchtet sich während seiner Militärzeit in eine Affäre mit der Frau seines vorgesetzten Offiziers. Eine prominente Rolle nimmt auch die Tragödie der letzten Habsburger ein: „Mayerling“ (1956) und „Kronprinz Rudolf“ (2006). Die „Sissi“-Trilogie (1955–1957) mit der jungen Romy Schneider in der Hauptrolle wurde zum Welterfolg des österreichischen Kinos.
Jener Teil des österreichischen Kulturbetriebs, der im Ausland mehr geschätzt wird als im eigenen Land, lebt stark von der dauernden Denunziation des Österreichers und seiner Mentalität, die wahlweise als provinziell, klerikal-katholisch bis mehr oder weniger faschistisch dargestellt wird. Das schlägt sich auch in den Filmen nieder. „Der Herr Karl“ (1961) zeichnet einen Wiener Kleinbürger erst sympathisch, dann als gnadenlosen Opportunisten, Mittäter und Mitläufer des NS-Regimes. „Eine blaßblaue Frauenschrift“ (1984) nach einer Novelle von Franz Werfel demonstriert uns ebenfalls antisemitisch gefärbten Opportunismus und Selbstzufriedenheit, diesmal von seiten eines hohen österreichischen Beamten.
Den Ausbruch russischer Kriegsgefangener aus Mauthausen kurz vor Kriegsende schildert „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ (1994). Einem besonnenen Gendarmen und einer barmherzigen Bäuerin wird die große Masse der Mühlviertler entgegengestellt, die allesamt als Täter und Mitläufer erscheinen.
Die großen Leistungen und Siege der österreichischen Militärgeschichte finden filmisch keine Würdigung. Das ist zu einem Teil technisch bedingt; wenn in den USA Marine-Kriegsfilme gedreht werden, dann greifen die Regisseure automatisch auf Schiffe und U-Boote der Navy zurück, wenn das Drehbuch dem US-Militär gefällt. Wer aber sollte dem seit 1919 küstenlosen Österreich Drehort und Schiffe zur Verfügung stellen, um Tegetthoffs Sieg bei Lissa 1866 in Szene zu setzen? Die Italiener ganz gewiß nicht. Die Abwehr der Osmanen 1529 und 1683 vor Wien filmisch zu feiern, ist allein schon deswegen nicht opportun, weil das vom Kultur- und Politikbetrieb auf die heutige Zeit bezogen und als türkenfeindlich gedeutet würde.
Das zieht sich bis in die Gegenwart. UN-Soldaten haben einen schlechten Ruf, der oft nicht begründet ist. Sie – darunter viele Österreicher – waren entscheidend daran beteiligt, u. a. auf Zypern und den Golanhöhen Konfliktparteien auseinanderzuhalten und erfolgreich jahrzehntelang Frieden zu sichern. Das ging nicht ohne Todesopfer ab. Welcher Regisseur erzählt ihre Geschichte, würdigt ihre Leistung?

 

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