Archiv > Jahrgang 2006 > NO I/2006 > Geschichtsfälschung 

Christenverfolgungen in islamischen Ländern

Von General Dr. Franz Uhle-Wettler

Der Einfluß der „political correctness“ auf unser Geschichtsbild

Auch Historiker sind Kinder ihrer Zeit. Mithin werden auch sie von den Wertungen und Werten ihrer Zeit beeinflußt. Deshalb ist das, was gelegentlich als „political correctness“ – kurz PC – abgewertet wird, nicht unbedingt negativ zu beurteilen; Wertungen aus demokratischer Sicht sollten heute eher selbstverständlich sein. Fragwürdig wird die PC erst, wenn Historiker ihre Darstellungen nach dem politisch gewünschten Urteil ausrichten, also unbequeme Quellen manipulieren, essentielle Tatsachen verschweigen und wichtige Fragen nicht mehr stellen.

Wenig bekannt, schwierig nachzuweisen, aber gerade deshalb wichtig ist die indirekte Wirkung der political correctness. Als erstes ein Beispiel, geschildert anhand der „New York Times“ und der „International Herald Tribune“. 1993 veröffentlichte ein Amerikaner, John Sack, ein Buch über die furchtbaren Lager, die Polen 1945 für Deutsche errichteten und deren Kommandanten oft Juden waren.1 Der Münchner Piper-Verlag kaufte die Rechte, ließ das Buch übersetzen und 6.000 Exemplare drucken. Doch dann zog er sich von der Veröffentlichung zurück und ließ die 6.000 Exemplare einstampfen. Seine Begründung: „Das Buch könnte Fehldeutungen verursachen, indem es zu Vergleichen oder gar zum Aufrechnen des Holocaust gegen andere Verbrechen jener Zeit anstiftet.“2 Aber daß Narren die im Buch geschilderten Tatsachen mißbrauchen könnten, dürfte der Verlag schon vorher gewußt haben. Man wird also fragen müssen, wer wohl dem Piper-Verlag diese Möglichkeit noch einmal und so nachdrücklich geschildert hat, daß er sich zum Verzicht auf die Veröffentlichung veranlaßt sah.
Zu beachten ist, daß solche Ereignisse jedem Verlag warnend zeigen, womit er zu rechnen hat, wenn er die PC mißachtet, und wo die Grenzen der Meinungsfreiheit sogar bei Geschehnissen liegen, die nur indirekt mit den Ereignissen der Jahre 1933–1945 zu tun haben. Zudem ist der Schaden einzurechnen, der durch den vergeblichen Kauf der Rechte, durch Kosten für Übersetzung und Druck sowie für das Einstampfen und schließlich durch den entgangenen Gewinn entsteht. Solche Verluste kann heutzutage kaum ein Verlag riskieren.
Erscheint das Buch dann doch in einem anderen, kleineren Verlag, so dürfte die PC wohl auch sicherstellen, daß die Medien keine Rezension veröffentlichen und so auf das unerwünschte Buch aufmerksam machen. Bei dem allen ist bedeutsam, daß solche Manipulationen meist verborgen bleiben. Zwar haben die „New York Times“ und der „International Herald Tribune“ die Unterdrückung jenes Buches geschildert. Wer den Zeitungen wohl will, wird annehmen, sie hätten nur ein wichtiges Geschehen berichten wollen. Der Skeptiker wird es für möglich halten, daß man Vorwitzige warnen wollte.
Ein zweites Beispiel: 1977 veröffentlichte der vielleicht bekannteste amerikanische Militärhistoriker, Trevor Dupuy, ein weiteres Buch: The Genius War – the German army and general staff 1807–1945. Dupuy verfolgte einen für einen Amerikaner ungewöhnlichen Zweck: er wollte nachweisen, daß die deutschen Heere im 19. und 20. Jahrhundert allen anderen Heeren und auch dem amerikanischen Heer militärisch überlegen waren. Dupuy war als Berufsoffizier und Militärgeschichtslehrer der Offizierschule Westpoint unverdächtig. Zudem wurde das Buch sofort zum „Book of the Month“ des amerikanischen Historical Book Club gewählt. Folglich kaufte der Stuttgarter Motorbuch-Verlag schon am 19. Mai 1978 die Rechte und ließ das Buch von Theodor Fuchs übersetzen. Doch dann wurde es still. Dupuys Anfragen ließ der Verlag unbeantwortet. Schließlich antwortete er, die Übersetzung werde bald erscheinen. Anschließend ließ er wieder Anfragen Dupyus unbeantwortet – dann kam erneut die Antwort, bald werde die Übersetzung erscheinen – und so weiter. Jahr um Jahr verging. Am 20. Januar 1987 antwortete der Verlag noch einmal: die Vorbereitungen und die Übersetzung seien nun abgeschlossen – und bat noch einmal um Geduld.
Schließlich erhielt Dupuy am 2. Februar 1989 eine handschriftliche Notiz, eher einen Zettel,3 von der Chefsekretärin, Brigitte Weller, also nicht einmal von einem Verantwortlichen, man könne das Buch leider nicht veröffentlichen. Theodor Fuchs sei vor Abschluß der Übersetzung gestorben. Schon diese Begründung war fragwürdig; sie widersprach der Mitteilung des Verlages vom 20. Januar 1987. Zudem hätte ein anderer die Übersetzung fertigstellen können und schließlich hatte Herr Fuchs dem Verfasser dieses Aufsatzes schon 1984, fünf Jahre zuvor mitgeteilt, er habe die Übersetzung längst abgeschlossen. Er habe keine Möglichkeit, auf die Veröffentlichung zu drängen, aber die Verzögerung sei ihm unerklärlich.
Da Verlagsinterna nicht bekannt wurden, ist nicht nachzuweisen, daß auch hier die PC am Werke war. Doch die Vermutung liegt nahe: ein bedeutender amerikanischer Historiker, der – ohne deutsche Untaten zu verschweigen – die deutschen Heere und dabei die Wehrmacht als militärisches Vorbild sogar für die amerikanische Armee wertet, paßt nicht in das heutige deutsche Klima.
Noch ein Beispiel: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete, der amerikanische Verlag Sankt Marrtin’s, der über den englischen Verlag MacMillan zur deutschen Holtzbrink-Gruppe gehört, habe aufgrund der Kritik einer ungenannten Gruppe den Druck einer Goebbels-Biographie David Irvings abgebrochen. Der Verlag hatte eine Startauflage von 10.000 Stück geplant und mit einer Übersetzung ins Deutsche wäre zu rechnen gewesen.4 Die Unterdrückung des Buches bedeutete für den Autor, der von der Feder lebt, einen vielleicht existenzgefährdenden Verlust hoher Autorenhonorare und zusätzlich die Verringerung seiner Möglichkeit, für ein weiteres Manuskript einen Verleger zu finden.
Ein letztes Beispiel mag zeigen, bis zu welchen Höhen die politische Korrektheit sich steigern läßt. Der Suhrkamp-Verlag, wahrlich ein Hort bundesrepublikanischen Gedankenguts, veröffentlichte 2003 mit starker Empfehlung von Jürgen Habermas, den man fast als bundesrepublikanischen Staatsphilosophen bezeichnen könnte, die Studie des britisch-kanadischen Philosophen Honderich: „Nach dem Terror“, d. h. nach dem inzwischen sprichwörtlichen 11. September. Honderich war mit einer Jüdin verheiratet gewesen und hatte sich lange wegen des Holocaust geweigert, Vorträge in Deutschland zu halten.
Die erste Auflage des Buches wurde verkauft. Doch dann entdeckte der deutsche, sonst bisher nicht hervorgetretene Jude Micha Brumlik Passagen, die er als antisemitisch beurteilte. Interessant ist, was sofort geschah. Reihenweise fielen binnen weniger Tag sogar diejenigen um, die zur Veröffentlichung geraten hatten. Habermas erklärte, bei erneuter Lektüre finde auch er nun Bedenkliches, der Suhrkamp-Verlag gab bekannt, sein Lektorat habe versagt, und natürlich verzichtete der Verlag auf eine Neuauflage.5
Den genannten Beispielen ist das Wichtige gemeinsam:
-Ein unverdächtiger Verlag beurteilt ein Manuskript positiv, aber externe und meist unbekannte Kräfte verhindern die Veröffentlichung;
-damit werden zugleich andere Verlag gewarnt;
-den Historikern wird so deutlich signalisiert, wie und was sie zu schreiben haben und wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen.
Vermutlich ist diese indirekte Wirkung der PC die wichtigste. Doch sogar der historisch Interessierte kann sie nur selten erkennen.

Tocqueville 1835 über die politische Korrektheit

Die Demokratie gilt heute weithin als Hort der Meinungsfreiheit und Toleranz. Ob und wie weit das zutrifft, kann hier nicht untersucht werden. Aber es fällt auf, daß schon erstaunlich früh warnend auf die Wirkung des Zeitgeistes verwiesen wurde. „Die früheste Bücherverbrennung fand statt im demokratischen Athen“,6 und nicht in einem totalitären Staat jener Zeit. Viele Jahrhunderte später, 1835, schrieb Alexis Graf Tocqueville über den „Einfluß der Mehrheit auf das Denken“ in seinem prophetischen „La Démocracie en Amérique“:7 „Ich kenne kein Land, in dem im allgemeinen weniger geistige Unabhängigkeit und wirkliche Diskussionsfreiheit herrscht als in Amerika“ – eine bemerkenswerte Feststellung auf dem Höhepunkt der Metternichschen Gedankenverfolgung. Tocqueville fuhr fort: „In den demokratischen Republiken geht die Tyrannei anders (als in Despotien) zu Werk; sie geht unmittelbar auf den Geist los. Der Machthaber sagt hier nicht mehr: ‚Du denkst wie ich, oder Du stirbst‘; er sagt: ,Du hast die Freiheit, nicht zu denken wie ich (…), aber von dem Tag an bist Du ein Fremder unter uns. Du wirst Dein Bürgerrecht behalten, aber es wird Dir nichts mehr nützen (…) Du wirst unter Menschen wohnen, aber Deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. Wenn Du Dich einem unter Deinesgleichen nähern willst, so wird er Dich fliehen wie einen Aussätzigen; sogar wer an Deine Unschuld glaubt, wird Dich verlassen, sonst meidet man auch ihn. Gehe hin in Frieden, ich lasse Dir das Leben, aber es ist schlimmer als der Tod‘.“

Was können wir tun?

Wozu führt das alles? Darf man behaupten, die Werke der heutigen deutschen Historiker seien wertlos, weil sie zu sehr der PC folgen? Natürlich dürfen wir so nicht urteilen, wenn auch betont werden muß, daß die dargelegten PC-Aktivitäten nur Beispiele sind, denen andere an die Seite gestellt werden könnten. Doch wir verdanken den heutigen deutschen Historikern wertvolle Darstellungen der Jahre 1933–1945 (wenn auch kaum der ersten Jahre der westalliierten Besatzung).
Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß die PC so schwer erkennbar ist. Immerhin spricht sogar Joachim Fest in der Einleitung zur Neuauflage seiner Hitlerbiographie von der „Tabuisierung“ mancher Bereiche. Doch auch er beantwortet nicht die Fragen: Wer tabuisiert? Mit welchen Mitteln setzen sich die Tabuisierer durch? Wie weit reicht die Tabuisierung? Was wird tabuisiert? Mithin kann der Leser fast niemals erkennen, welchen Aussagen einer historischen Studie er vertrauen darf und wo Zweifel angebracht sind. Und wenn der Leser zweifelt, ist es oft schwierig und meist unheimlich zeitaufwendig, selber die Zweifel zu verifizieren oder zu falsifizieren. Wie wenig man gewichtigen Autoritäten vertrauen kann, zeigt zudem etwa die Bewertung der deutschen Luftangriffe „auf“ Guernica, „auf“ Rotterdam, „auf“ Coventry sogar durch Bundespräsident und Bundeskanzler, obwohl die Angriffe dort nicht den Städten, sondern militärischen Zielen galten.8
Das führt zu der Frage, was wir als Leser tun können. Hier kann es nur einen Anhalt geben. Die PC wirkt stets zugunsten der Sieger der beiden Weltkriege und zuungunsten der Deutschen, manchmal zuungunsten der Deutschen seit Luther, spätestens seit Bismarck. Also ist Vorsicht geboten, wenn Deutsches und dabei vor allem Preußen laut verurteilt und wenn „Westliches“, was das auch sein mag, deutlich hervorgehoben wird. Das gilt beispielsweise bei der  beliebten PC-These des „deutschen Sonderwegs“, des deutsch-preußischen Militarismus, des Untertanengeistes, des Kadavergehorsams, des Bombenkrieges, der Entstehung der Weltkriege und des Verhaltens der Wehrmacht.
Ein weiteres Kriterium ergibt sich unmittelbar aus der „political correctness“. Sie führt dazu, daß besonders diejenigen Historiker, die im „mainstream“ schwimmen, bekannt gemacht werden und Einfluß sowie Glaubwürdigkeit zugestanden bekommen. Mithin kann man fast eine Skala aufstellen: Je renommierter ein Historiker ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit – nicht Sicherheit! – daß er politisch korrekt schreibt und urteilt.
Doch die Frage bleibt, wo die Orientierungspunkte sind, die Signale, die uns zeigen: „Vorsicht – PC-Gefahr!“ Vielleicht sollten wir uns an einen der großen Philosophen der Aufklärung, an Antoine Rivarol erinnern: „Die zivilisiertesten Völker sind der Barbarei so nahe wie das geschliffene Eisen dem Rost. Völker und Metalle glänzen nur an der Oberfläche.“9 Rivarol klagte kein Volk speziell an und er nahm kein Volk aus. Es ist auch unwahrscheinlich, daß die Deutschen dem Bösen zugewandter waren oder sind als andere Völker. Hitlers Versuch, die Juden zum universellen Bösewicht zu machen, war weder der erste noch der letzte Versuch, eine ganze Menschengruppe zu kriminalisieren. Neu ist gegenwärtig nur, daß erstmalig eine Menschengruppe ihre eigene Kriminalisierung, oder korrekter: die Kriminalisierung ihrer Väter und Großväter sowie die Notwendigkeit ihrer Umerziehung anerkennt – und den Widerspruch durch PC-Methoden zu unterdrücken versucht.
General de Gaulle, der in zwei Weltkriegen gegen Deutschland gekämpft hat, rief uns bei seinem Staatsbesuch 1962 zu: „Gott, vor dessen Angesicht so unendlich viele Männer hingestreckt auf der Erde in unseren großen Schlachten gefallen sind, Gott weiß, wie schrecklich sie und wir gekämpft haben (…). Dennoch will jedes der beiden Völker die Erinnerung an den entfachten Mut und an die erlittenen Opfer bewahren, weil die Ehre der Kämpfenden unangetastet geblieben ist. Denn wenn auch eine schlechte Politik zu Verbrechen und Unterdrückung führt, so gehört doch die Hochachtung, die sich die Tapferen entgegenbringen, zum sittlichen Erbe des Menschengeschlechts.“
Wer sich an Rivarol und de Gaulle, aber weniger an renommierten heutigen deutschen Historikern orientiert, wird wohl ein Gefühl dafür entwickeln, wo die political correctness einem Autor die Feder geführt hat.

Ein Qualitätssprung bei der Vergangenheitsbewältigung?

Höchstwahrscheinlich ist nun aber auch ein „Qualitätssprung“ bei derjenigen Art der Vergangenheitsbewältigung zu vermelden, die zwar wissenschaftlich fragwürdig, aber weit verbreitet und deshalb wichtig ist. Zur Erinnerung: zu den Grundpfeilern des Marxismus gehört die Lehre, daß in allen Bereichen des Universums, vom Innersten der Atome bis zu den fernsten Galaxien, allmähliche Änderungen der „Quantität“ zu einer plötzlichen und in menschlichen Gesellschaften revolutionären Änderung der „Qualität“ führen. So bewirkt eine quantitative Änderung, Zuführung von Wärme, unabänderlich bei null sowie hundert Grad eine sprungweise Änderung der Qualität. Eis wird zu Wasser und dann zu Dampf.10 Das quantitative Wachsen des Bürgertums bewirkte in den absolutistischen Staaten den Qualitätssprung zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Die Grenzen der Doktrin sind allerdings offensichtlich: In den demokratisch-kapitalistischen Gesellschaften soll die quantitative Vermehrung des verelenden Proletariats mit naturgesetzlicher Sicherheit zu einem revolutionären Qualitätssprung, also über die Diktatur des Proletariats zur sozialistischen und schließlich kommunistischen Gesellschaft führen.11
Bisher waren dort, wo die von Politischer Korrektheit beflügelte Vergangenheitsbewältigung mit übergroßem Eifer und fragwürdigen Methoden betrieben wurde, nur quantitative Änderungen festzustellen. Noch vor vierzig oder dreißig Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, Soldaten pauschal als Mörder und die Wehrmacht pauschal, so hohe Politiker, als „marschierendes Schlachthaus“ zu bezeichnen. Doch seitdem haben Einäugigkeit, Verschweigen der dem gewünschten Urteil entgegenstehenden Tatsachen und Dokumente sowie manch anderes quantitativ weiter zugenommen, wie die Begeisterung über die Wehrmachtsausstellungen zeigt. Aber in einem Chorgesang fallen nur die lautesten Stimmen auf; wer Beifall begehrt, muß also noch lauter singen. So wird der Chorgesang immer lauter – eine quantitative Änderung – und kann in eine neue Qualität umschlagen. Dieser Qualitätssprung scheint nun zu geschehen.
Das läßt sich an den letzten Veröffentlichungen des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) der Bundeswehr zeigen. Das Amt veröffentlicht unter anderem die „Militärgeschichte – Zeitschrift für historische Bildung“; warum die Zeitschrift wichtig ist, sei später dargelegt. Sogar in einem einzigen der neueren Hefte finden sich gleich zwei Aufsätze, die die Vermutung nahelegen, der Qualitätssprung der Vergangenheitsbewältigung sei vollbracht.
Der erste Aufsatz hatte den „Mythos“ Tannenberg und damit „eine deutsche Legende“ als Titel.12 Schon das weckt Interesse. Immerhin ist sogar genialen Heerführern die Einschließung und damit Vernichtung eines feindlichen Heeres nur selten gelungen: Hannibal bei Cannae, Caesar bei Ilerda, Napoleon gegen weit unterlegene österreichische Truppen bei Ulm und Moltke bei Metz sowie bei Sedan. Hindenburg sowie Ludendorff konnten 1914 bei Tannenberg die sogar etwas stärkere russische 2. Armee in einer mehrtägigen Schlacht einschließen – wozu sie vor der nur ein bis anderthalb Tagemärsche entfernten russischen 1. Armee praktisch alle deutschen Truppen abzogen, obwohl diese Armee dauernd einzugreifen drohte. Warum ein solcher Sieg so sehr „Mythos“ und „Legende“ sein soll, daß man dies in den Vordergrund stellen muß, ist schwer zu begründen. Doch das ist hier nicht Thema. Also möge der Hinweis genügen, daß Niveau und Aussage des Aufsatzes dem Titel entsprechen.
Gegen Ende des Aufsatzes wird sichtbar, was man wohl als Qualitätssprung der Vergangenheitsbewältigung bezeichnen kann. Der Aufsatz berichtete eine Schandtat: bei der Einweihung des Tannenbergdenkmals am 18. September 1927 wurden „bezeichnenderweise“ die republikanischen und jüdischen Veteranenverbände „ausgeschlossen“.13 Also: Rassismus, Antisemitismus, Verneinung der legalen sowie demokratisch legitimierten republikanischen Staatsordnung und Verneinung der verbal beschworenen Frontkämpfergemeinschaft in einem einzigen Bubenstück! Wahrlich eine Schandtat.
Zweifel kann allerdings aufkommen, wenn man beachtet, daß die Einweihung des Denkmals in Gegenwart des Reichspräsidenten v. Hindenburg, des Reichkanzlers und zweier Reichsminister stattfand.14 Diese sollen gemeinschaftlich die Schandtat zugelassen und gedeckt haben? Immerhin hat Hindenburg sich noch 1932 für das ihm vom Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten übersandte „Gedenkbuch“ mit den Namen der 12.000 jüdischen Gefallenen in „ehrfurchtsvoller“ Erinnerung an die „für das Vaterland“ gefallenen „Kameraden“ mit „kameradschaftlichem“ Gruß bedankt.15 Wo war da, als Hitler schon vor den Toren stand, Hindenburgs (angeblicher?) Antisemitismus?
Angesichts der Zweifel bat der Verfasser dieses Aufsatzes am 11. Juli 2004 den Amtshef des MGFA um Mitteilung, worauf sich der Bericht über die Schandtat stützt. Nach fünf Wochen dankte der Amtschef am 19. August für das Interesse an den Veröffentlichungen des MGFA. Aber der erbetene Hinweis auf die Quelle für jene Schandtat fehlte. Neuer Brief am 16. Oktober 2004. Antwort am 4. November: Die Quelle sei dem Amtschef nicht bekannt und er könne die Verfasser des Aufsatzes nicht anweisen, ihm die Quelle zu nennen (warum?). „Mit freundlichen Grüßen.“ Da bleibt nur die Annahme, daß es die Quelle nicht gibt. Das würde dann freilich bedeuten, daß die Schandtat erfunden wurde.
Diese Vermutung wird durch die noch heute verfügbaren Unterlagen gestützt.

Erfindet das MGFA deutsche Schandtaten?

Zur „Ausschließung“ der republikanischen Frontkämpferverbände: Die als liberal zu wertende „Vossische Zeitung“ berichtete am 20. September 1927, das der SPD nahestehende Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold habe die Beteiligung „abgelehnt“, weil es eine nationalistische Demonstration erwartete.16 Bei dieser Beurteilung dürften parteipolitische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Dafür ist bezeichnend, daß die SPD-Regierung Preußens sich bei der Einweihung des Denkmals trotz Teilnahme des Reichspräsidenten und der Reichsregierung durch nachgeordnete Organe vertreten ließ. Der „Vorwärts – Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ sprach von einer „ausgeprägt nationalistischen“ Kundgebung,17 obwohl die im Mittelpunkt der Veranstaltung stehende Ansprache des Reichspräsidenten vorher dem Reichskanzler Marx und dem Außenminister Stresemann vorgelegt und gebilligt worden war. Jedenfalls von „Ausschließung“ der republikanischen Frontkämpferverbände keine Spur; diese wollten von vornherein nicht teilnehmen.
Bei der Beurteilung dieser Haltung kann man auf das Urteil von Arthur Rosenberg, also eines Historikers und kommunistischen (!) Reichstagsabgeordneten und mithin eines unverdächtigen Zeugen verweisen. In seiner zweibändigen Geschichte der Weimarer Republik urteilt er mehrfach, die Mißachtung eines maßvollen Nationalgefühls durch die Linke habe wesentlich dazu beigetragen, daß die Republik wenig Anklang fand.18 Man wird also die Haltung der politischen Linken nicht automatisch billigen müssen.
Die „Ausschließung“ der jüdischen Frontkämpferverbände? Der Festausschuß hatte den ehemaligen Feldrabbiner Dr. Lewin, einen evangelischen und einen katholischen Geistlichen um eine Ansprache beim einleitenden Gottesdienst gebeten. Doch nachdem das Programm veröffentlicht worden war, entstanden Schwierigkeiten. Folglich schrieb nach einer erfolglosen Besprechung, aber vor der Einweihung der Festausschuß am 13. September 1927 dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, er halte „eine Ansprache des Herrn Rabbiners bei Beginn der Weihefeier“ nicht mehr für möglich. Der Grund: weil „der gleiche Anspruch von Vertretern anderer, nicht zur evangelischen und katholischen Kirche gehörenden Religionsgemeinschaften mit dem gleichen Recht erhoben wurde. Da eine längere Folge von Festansprachen sich selbstverständlich verbot, mußten diese auf die Vertreter der beiden Kirchen beschränkt werden, welche die weit überwiegende Mehrheit der Tannenbergkämpfer umfaßt. Die Vertreter der übrigen kleineren Religionsgemeinschaften19 sind bereitwillig auf den Vorschlag eingegangen, eine kurze Ansprache bei der Kranzniederlegung zu halten. Auch Herr Rabbiner Lewin hatte sich damit einverstanden erklärt. Wir bedauern, daß er durch die Berliner Instanzen des deutschen Judentums zur Änderung seines Standpunktes veranlaßt worden ist (…) Mit der Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung zeichne ich ergebenst – Kahns, Generalmajor, Vorsitzender“.20
Bei der Beurteilung dieser Darstellung des Festausschusses ist zu beachten, daß dieser ebenso Partei war wie der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, der dem Festausschuß „kleinlichen Geist“ vorwarf.21 Doch man darf wohl heutige Gebräuche zur Bewertung heranziehen. Der Verfasser hat mehrfach auf dem britischen Soldatenfriedhof in Rom am Memorial Day, dem britischen Volkstrauertag teilgenommen. Gerade in Italien dürften in den indischen und afrikanischen Truppen der britischen Streitkräfte zahlreiche Hindus, Moslems, Sikhs, Lamaisten usw. sowie Juden gefallen sein, wie auch die Grabsteine auf dem Friedhof zeigen. Doch stets sprach – ebenso wie 1927 am Tannenbergdenkmal – nur ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher. Anscheinend hat keiner der Botschafter der ehemaligen britischen Kolonien sowie Dominien Anstoß daran genommen, daß kein Imam, kein Rabbi, kein Hindupriester usw. sprachen, denn sie nahmen alle an der Feier teil. Man wir also die Reaktion Dr. Lewins nicht automatisch als berechtigt anerkennen müssen. Unbestreitbar ist, daß er eingeladen war und sich aus eigenem Entschluß oder aufgrund des Druckes der „Berliner Instanzen“ (Festausschuß) zurückzog, weil ihm nur bei der Kranzniederlegung Rederecht und Redezeit eingeräumt wurden.
Der jüdische Frontsoldatenverband? Der Landesverband Ost- und Westpreußen“ des Reichsbundes gab eine Presseerklärung heraus,22 in der es einleitend heißt, er habe sich „zu seinem großen Bedauern und schweren Herzens entschließen müssen, der Feier auf dem Schlachtfelde von Tannenberg fernzubleiben.“ Im ursprünglichen Festprogramm sei eine Ansprache des Feldrabbiners Dr. Lewin beim einleitenden Gottesdienst vorgesehen gewesen, doch dann sei an diesen das Ansinnen gestellt worden, „an anderer Stelle im späteren Verlauf der Feier die Ansprache zu halten“. Deshalb seien sie, die jüdischen Frontkämpfer, der Feier „ferngeblieben“. Das bestätigt die zitierte Darstellung des Festausschusses. Also wiederum von „Ausschließung“ keine Spur.

Noch ein Qualitätssprung

Doch damit nicht genug der Fragwürdigkeiten in einem einzigen Heft der Militärgeschichte“. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt hat einen Wissenschaftlichen Beirat, dem ein Professor der Universität Potsdam vorsitzt. Dieser veröffentliche im gleichen Heft einen Aufsatz über „Deutsche Kriegsziele im Ersten Weltkrieg“. Inhalt und Tendenz des Aufsatzes entsprechen dem Niveau der Zeitschrift. Der Aufsatz gipfelt in der Darstellung von Zielen, die in vollem Sinn des harten Wortes idiotisch und zudem schandbar waren: Die deutschen territorialen Kriegsziele sollten sich „auf Drängen Ludendorffs“ im Osten bis zum Ural erstrecken.“23 Die Nutzanwendung folgt sofort: Mit dem Gewaltfrieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918 bereiteten „die Deutschen selbst den Boden für Versailles“, wo dann ein Verständigungsfrieden „keine Chance mehr“ hatte. Schon hierzu ist anzumerken, daß das Aufrechnen zurecht verpönt ist. Doch das gilt anscheinend nicht, wenn das Aufrechnen, hier von Brest-Litowsk gegen Versailles, die Deutschen belastet. Dabei kann unberücksichtigt bleiben, ob Brest-Litowsk in diesem Aufsatz korrekt oder politisch korrekt beurteilt wurde.24
Der Verfasser dieses Aufsatzes hat sich mit Ludendorff intensiv beschäftigt und dessen territoriale Kriegsziele wahrlich kritisiert.25 Aber von riesigen und sogar „bis zum Ural“ reichenden Annexionen hatte er in den amtlichen Dokumenten und in den Berichten der Zeitzeugen nie etwas gefunden. Also bat er den Verfasser des Aufsatzes am 28. Dezember 2004 um Mitteilung der Quelle für die Annexionsgelüste „bis zum Ural“. Die Bitte wäre leicht zu erfüllen gewesen – wenn es die Quelle gäbe. Doch die Bitte blieb unbeantwortet. Da bleibt wiederum nur die Vermutung, daß in einem Aufsatz sogar des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des MGFA die Darstellung der deutschen Geschichte eine neue Qualität erreicht: Man stellt deutsche Idiotien und Schandtaten auf fragwürdigster Basis dar, als reichten die tatsächlichen nicht aus.

Zur Bewertung

Bleibt die Frage nach dem Ursprung der Fragwürdigkeiten. Fahrlässigkeit wäre anzunehmen, wenn die Autoren sich auf fragwürdige, nur unzureichend geprüfte Quellen gestützt hätten. Aber das ist wohl auszuschließen. Es gibt keine halbwegs glaubwürdigen Darstellungen, auf die sich die Autoren der beiden Artikel irrtümlich stützen konnten. Mithin bleibt nur, daß die Autoren deutsche Schandtaten schöpferisch erfunden haben und wußten, daß der Amtschef des MGFA sie dabei notfalls decken würde – und sie auch tatsächlich deckte. Also: ein Qualitätssprung.
Natürlich sind die beiden genannten Aufsätze bei isolierter Betrachtung unwichtig. Aber sie sind nur so unwichtig wie die Bewegung des Zeigers in einem Instrument – der Wichtiges anzeigt. Das MGFA ist das größte deutsche Geschichtsforschungsinstitut; neuartige Tendenzen dort können also Wichtiges anzeigen.
Der Einfluß des MGFA läßt sich, neben seiner Größe, auch aus der Verbreitung seiner Veröffentlichungen abschätzen: die Zeitschrift Militärgeschichte wird anderen Zeitschriften beigelegt und wird bis zur Ebene Kompanie, Schiff bzw. Staffel verteilt. Sie unterrichtet also unter anderem die gesamte Bundeswehr. Deshalb muß der Leser annehmen, daß nicht die Meinung eines unmaßgeblichen Historikers – „Freiheit der Wissenschaft“ – sondern gesicherte Ergebnisse der Geschichtswissenschaft mitgeteilt werden, die vernünftigerweise nicht angezweifelt werden können.
Noch wichtiger ist, daß derartige Aufsätze weithin sichtbare Signale setzen. Die Historiker des MGFA sowie die Militärgeschichtslehrer an den Universitäten sowie Offizierschulen der Bundeswehr können deutlich erkennen, was sie zu lehren sowie welche Auffassungen sie zu vertreten haben, um vorwärts zu kommen, und welche wissenschaftlichen Methoden beim MGFA geduldet werden. Diese indirekte Wirkung derartiger Aufsätze dürfte nicht gering sein und dürfte sich noch bei den Offizieren der kommenden Generation auswirken.
Eine weitere Wirkung könnte sich auf Dauer als die negativste erweisen. Noch einmal sei an die weitverbreitete Begeisterung über die Wehrmachtausstellungen erinnert. Nur wenige traten einer Ausstellung entgegen, die sich schließlich nach heftigem Zögern das Urteil selbst sprechen mußte. Derartiges hat Folgen. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ Wer Schandtaten erfindet, kann sich nicht wundern, wenn das hieraus erwachsende Mißtrauen auch seine zutreffenden Darstellungen deutscher Schandtaten trifft.
Zum Schluß eine Arabeske: Der Chefredakteur der „Militärgeschichte“, unter dem die beiden hier dargelegten und ähnliche Aufsätze erschienen, wurde im Dezember 2004 befördert. Er wurde Amtschef des MGFA. Was darf man nun vom MGFA erwarten?

Zur Beurteilung dieser Vergangenheitsbewältigung

In diesem Zusammenhang kann interessieren, wie die deutsche Art der Vergangenheitsbewältigung im Ausland gesehen wird. Kein Zweifel: Kenntnis auch der dunklen Seiten der deutschen Geschichte ist notwendig.26 Fraglich ist also nur, wie diese Vergangenheitsbewältigung heute betrieben wird. Schon Goethe und Schiller haben in den „Zahmen Xenien“ beklagt: „Daß der Deutsche doch alles zu seinem Äußersten treibet.“ Das berechtigt zu der Frage, ob die Deutschen auch die Vergangenheitsbewältigung „zum Äußersten“, also notfalls bis zur Erfindung neuer Schandtaten treiben. Allerdings wird die deutsche Vergangenheitsbewältigung im Ausland oft positiv beurteilt. Diese Zeugnisse werden gern zitiert. Aber es gibt auch andere Stimmen, die freilich selten zitiert werden. Einige Beispiele:
Frankreich: Ein ehemaliger deutscher Jude, heute Franzose, Alfred Grosser, der als „Altmeister der historisch-politischen Aufklärung“ gilt („FAZ“), schreibt 2005: „Die dumme Behauptung, Hitler sei gewissermaßen die Krone des Baumes der deutschen Geschichte gewesen und nicht nur ein dicker Ast neben anderen, hat die deutsche Öffentlichkeit dazu geführt, den ganzen Baum mitsamt der Wurzeln zu fällen.“ An anderer Stelle spricht Grosser davon, daß die Auseinandersetzung um die nationalsozialistische Vergangenheit oft (!) „masochistische Züge annimmt“.27
England: Unter dem Titel „Die russischen Kriegsromane der 1990er Jahre – Eine Frage der nationalen Identität“ untersucht Prof. Frank Ellis von der Universität Leeds in der „Salisbury Review“,28 also in einem Blatt des Deutschland und den Deutschen meist abgeneigten britischen konservativen Establishments, die neue russische Kriegsliteratur. Nicht umsonst ist die Zeitschrift nach Robert Cecil, 3. Marquess of Salisbury, benannt, der von den späteren Bismarck-Jahren bis ins 20. Jahrhundert hinein die englische Außenpolitik als Außenminister oder Ministerpräsident bestimmte. Ein Amerikaner, Robert Langer, schreibt ihm eine „strong antipathy towards the German people as a whole“, eine starke Abneigung gegen das gesamte deutsche Volk zu.29 Dieser Hintergrund läßt erwarten, daß die deutsche Vergangenheitsbewältigung und das, was die heutige deutsche politische Klasse gern als „neue deutsche Bescheidenheit“ rühmt, auch in der „Salisbury Review“ positiv beurteilt wird. Doch die Erwartung täuscht.
Prof. Ellis verweist einleitend darauf, daß viele Völker Schwierigkeiten mit den dunklen Seiten ihrer Geschichte haben (allerdings nicht die Briten, denn die fochten im Zweiten Weltkrieg einen „good war“): „Die gaullistische Propaganda war auf den Mythos gegründet, die Franzosen hätten sich selbst befreit und allgemein der deutschen Besatzung Widerstand geleistet; so versuchte sie die Franzosen, Vichy verschweigend, in einen der Sieger zu verwandeln (…) In Deutschland schufen die edelmütigen und entschlossenen Bemühungen von Politikern der Rechten und der Linken, die Nazi-Vergangenheit zu bewältigen, unglücklicherweise einen psychologischen Terror, der ebenso widerlich ist wie alles, was Goebbels auferlegte. Auf allen Ebenen des Erziehungssystems und der deutschen Medien wird den Deutschen unaufhörlich das Gehirn gewaschen (…) Daß Günther Grass’ neue Novelle ‚Im Krebsgang‘, die Deutsche als Opfer schildert, ein Tabu-Brecher wurde, bezeugt die Macht der Deutschland seit 1945 beherrschenden politisch korrekten Orthodoxie. Die Bereitschaft so vieler Deutscher, sich an endloser Selbstgeißelung zu beteiligen, und so zu denken, wie das Establishment bestimmt, ist geistesgeschichtlich ebenso unnormal wie der französische Bombast über Widerstand gegen Nazi-Besatzung und Selbstbefreiung.“
Griechenland: Gregor Manousakis, ehemaliger Diplomat und Politologe, beschreibt mehrere Fälle rabiater „Vergangenheitsbewältigung“ (z. B. Fall Jenninger) als Beispiele eines „linken McCarthysmus“, einer (Meinungs-) „Tyrannei“, bei der „generell die Nation und ihre Geschichte diffamiert werden“.30
Estland: Der jüngst verstorbene Staatspräsident Meri warnte 1995 in Berlin vor dem Abgleiten in eine „Canossa-Republik“ und urteilte, man könne einem Volk nicht trauen, das sich selbst nicht traut.31
Bleibt die Frage, was angesichts der geschilderten Seltsamkeiten zu tun ist. Vielleicht sollten wir uns an Erich Kästner halten:
Was auch immer geschieht:
Nie dürft Ihr so tief sinken
von dem Kakao,
durch den man euch zieht
auch noch zu trinken.

Anmerkungen

1 John Sack: An eye for an eye, Basic Books Inc.,
New York 1993. Auf Deutsch dann unter dem Titel „Auge um Auge“ im Kabel-Verlag 1995 erschienen.
2 Pressemitteilung am 5. Februar 1995; Rückübersetzung aus dem Englischen der „International Herald Tribune“.
3 Ablichtung der Mitteilung und auch andere diesbezügliche Schriftstücke sind im Besitz des Verfassers dieses Aufsatzes.
4 FAZ vom 6. April 1996.
5 Ausführlich hierzu u. a. „FAZ“ vom 12. und 13. August 2003.
6 A. Demandt: Der Idealstaat – Die politischen Theorien der Antike, Köln 1993, S. 54. – Verbrannt wurden gemäß Staatsbeschluß die Schriften des Philosophen Protagoras.
7 A. de Tocqueville: La démocracie en Amérique, dt.: Die Demokratie in Amerika, aus dem Kapitel: Der Einfluß der Mehrheit auf das Denken, zit. nach Fischer TB Frankfurt 1956, S. 97 f.
8 Zu Guernica M. Merkes: Die dt. Politik im spanischen Bürgerkrieg, Bonn 1969, S. 180 ff.; K. A. Maier: Guernica, Freiburg 1975, und insbesondere die Studie von H.-H. Abendroth, Professor an der britischen Universität Leicester: Guernica, in MGM 1/1987. Prof. Abendroth kommt zu dem Urteil, der These eines gegen die Zivilbevölkerung der Stadt gerichteten Terrorbombardements widerspräche allem, was aus den vollständig erhaltenen Akten und Aufzeichnungen Beteiligter ermittelt werden kann. Doch er schließt seine Studie mit einer bemerkenswerten Feststellung: Die Behauptung eines Terrorbombardements werde durch die widersprechenden Tatsachen nicht zu überwinden sein, denn die These sei „als antifaschistisches Kampfsymbol“ unverzichtbar. – Zur Beurteilung Guernicas durch den Bundespräsidenten s. die Pressemitteilung des Bundespräsidialamtes vom 27. April 1997. Wichtig auch der Antrag der SPD und der Grünen/Bündnis 90 (13. Wahlperiode, Drucksache 13/7509) sowie die Bundestagsdebatte am 24. April 1998 mit der bei einer Gegenstimme angenommenen Entschließung, der zufolge der „gezielte Luftangriff auf Zivilisten, Frauen, Kinder und Männer“ ein „Verbrechen“ war, für das sich der Bundestag „entschuldigt.“
Zu Rotterdam die amtliche niederländische Darstellung L. d. Jong: Het Koningrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldorlog, s.Gravenhage 1969, III, S. 343 ff., dazu auch A. Wagenaar: Rotterdam mei’40, Amsterdam 1970, S. 308 ff.; H. Boog: Luftwaffe operations against the Netherlands 10–15 May 1940, in: Viftig Jaar na de Inval, hrsg. von A. Kersten, s’Gravenhage 1990; C. Bekker: Angriffshöhe 4000, München 1976, S. 108 ff; die vorgenannten Studien zusammenfassend F. Uhle-Wettler: Höhepunkte und Wendepunkte der dt. Mil.geschichte, 2. Aufl., Hamburg 2000, S.187 ff.
Allgemein zur Luftkriegführung im 2. Weltkrieg und mit umfangreichen Literaturangaben H. Boog: Bombenkrieg, Völkerrecht und Menschlichkeit im Luftkrieg, in: H. Poeppel und andere (Hrsg): Die Soldaten der Wehrmacht, München 1998, sowie ders. mit Artikeln über Guernica, Rotterdam, Coventry sowie die deutsche, britische und amerikanische Luftkriegsdoktrin in F. Seidler und A. de Zayas (Hrsg): Kriegsverbrechen in Europa und im Nahen Osten im 20. Jahrhundert, Hamburg 2002.
9 E. Schalk: Die französischen Moralisten, II, 1953, S. 165, zit. nach W. Schneider: Das Buch vom Soldaten – Weltgeschichte einer historischen Gestalt, Düsseldorf 1964, S. 250
10 F. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („Anti-Dühring“), zit. nach Ausgabe Berlin 1959, S. 154; K. Marx: Das Kapital, 1, Berlin 1960, S. 323; Wissenschaftliche Weltanschauung, 7 Bände (Ost)Berlin 1959 ff., Teil 1: Dialektischer Materialismus, Bd. 3: G. Klaus: Das Verhältnis von Quantität und Qualität, S. 32 ff.; Grundlagen der marxistischen Philosophie, hrsg. von einem Autorenkollektiv der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Philosophie, zit. nach 4. Aufl. dt. Berlin 1961, S. 255 ff.; J. Stalin: Über dialektischen und historischen Materialismus, zit. nach dt. Moskau 1947.
11 Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, zit. nach Ostprobleme Nr. 20 und Nr. 25 (1961), S. 611, 612, Wissenschaftliche Weltanschauung, Teil II: Historischer Materialismus, Bd. 4, (Ost)Berlin 1960: W. Eichhorn: Klassen, Klassenkampf, Staat und Revolution, S. 37 ff., 52 ff.; Ulrich Werner (Pseudonym für F. Uhle-Wettler): Der sowjetische Marxismus, 2. Aufl. Darmstadt 1964, S. 51 ff.
12 Der Mythos Tannenberg – Eine deutsche Legende, in: Militärgeschichte, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr, 1/2004, S. 10 ff.
13 A. a. O., S. 13.
14 „Vorwärts – Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei“, 19. September 1927.
15 Faksimile-Abdruck des Schreibens vom 3. Oktober 1932 bei S. Poliakov: Hitler und seine Diener, Berlin 1961, S. 531.
16 Vossische Zeitung, 20. September 1927.
17 Vorwärts, 19. September 1927, „Vossische Zeitung“, 20. September 1927.
18 Arthur Rosenberg: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, 2 Bde., Frankfurt 1955, passim.
19 Gemeint waren vermutlich Freireligiöse, Baptisten, Methodisten, Altkatholiken, Pietisten, Zeugen Jehovas usw. Zur Beurteilung der Parallelisierung der jüdischen mit anderen, kleineren Glaubensgemeinschaften durch den Festausschuß: 1927 gab es in Deutschland etwa ein Prozent Juden. Dabei ist ungewiß, nach welchen Kriterien gezählt wurde. Falls die Zählung nach Herkunft („Rasse“) und nicht nach der Religionszugehörigkeit erfolgte, dürfte die Zahl derjenigen jüdischen Tannenbergkämpfer, für die Dr. Lewin sprechen sollte, wegen der getauften Juden, der Freidenker usw. noch erheblich unter einem Prozent gelegen haben.
20 Abdruck in: „Der Schild – Zeitschrift des Reichsverbandes jüdische Frontsoldaten“, 26. September 1927.
21 Stellungnahme der Redaktion von „Der Schild“ („kleinlicher Geist“), ebenda.
22 „Der Schild“, 19. September 1927.
23 M. Görtemaker: Deutsche Kriegsziele im Ersten Weltkrieg, a. a. O., S. 24 ff.
24 Zum Vergleich von Brest-Litowsk und Versailles s. das Vorwort „Zur Bedeutung von Versailles“ von F. Uhle-Wettler zu Arndt-Verlag (Hrsg): Das Versailler Diktat, Kiel 1999, sowie F. Uhle-Wettler: Der Krieg. Gestern, Heute – Morgen“, Hamburg 2001, S. 91 ff.
25 F. Uhle-Wettler: Erich Ludendorff in seiner Zeit, 2. Aufl. Berg 1996; zu Ludendorffs territorialen Kriegszielen dort S. 295 f., 301 ff., 306 ff.
26 Der Verf. hat in seinen Buchveröffentlichungen unter anderem verwiesen auf den Kommissarbefehl, den Barbarossabefehl, das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen, den Genozid an den Juden, Himmlers Posener Rede usw.; s. u. a. F. Uhle-Wettler: Der Krieg (wie Fußnote 74), S. 98 ff., 108 ff.; sowie Höhepunkte und Wendepunkte der deutschen Militärgeschichte, Hamburg 2000, S. 52 f., 60 f.
27 Henning Köhler in der Rezension zu A. Grosser: Wie anders ist Frankreich?, in „FAZ“ vom 29. September 2005.
28 „Salisbury Review“, Vol. 22, Nr. 1, Autumn 2003.
29 R. Langer: The diplomacy of Imperialism 1890–1902, 2 Bände, New York 1935, S. 791, 793.
30 G. Manousakis: Irrationale Elemente deutscher Politik – Von Bismarck bis Schröder, Athen 2005, S. 90, 95, 100.
31 Lennart Meri: Festansprache anläßlich des 5. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1995 in Berlin.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com