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David Irving und die Kritik am Verbotsgesetz

Von Achim Lang

Als Mitte der 90er Jahre Gottfried Küssel und Hansjörg Schimanek zu 11 bzw. 15 Jahren Haft verurteilt wurden, regte sich abseits bestimmter rechter Magazine kein Wörtchen des Widerspruchs. Beide hatten eindeutig neonazistische Propaganda betrieben, doch ihr Gefährdungspotential für die Republik Österreich war gleich Null. Niemand fragte nach der Angemessenheit eines Gesetzes, das im wesentlichen für Meinungsverbrechen (sonstige Straftaten waren nicht begangen worden) junge Männer für eine Haftdauer hinter Gitter brachte, die Totschläger und Serienvergewaltiger nicht zu fürchten brauchten.
Auch als nach 3 g und 3 h des Verbotsgesetzes Menschen verurteilt wurden, weil sie Karl Renner zitiert oder in einem Gedicht den Satz „Licht wird wieder werden“ verfaßt hatten, herrschte nichts als Schweigen. Sogar für das bloße Bekenntnis zum deutschen Volkstum setzte es Haftstrafen.
David Irving ist dagegen ein anderes Kaliber. Als Autor anerkannter historischer Sachbücher erwarb er sich internationale Reputation, die freilich in den letzten beiden Jahrzehnten, nicht ohne eigenes Zutun, dahinschwand. Manche seiner Äußerungen über die Konzentrationslager und die jüdischen Überlebenden sind nicht anders als zynisch und die Opfer herabwürdigend zu bezeichnen. Leider läßt sich nicht leugnen, daß Irving den Pfad der Seriosität streckenweise verlassen und sich in einer Weise über die Folgen der NS-Judenpolitik ausgelassen hat, die als inakzeptabel zu bezeichnen ist, auch von einem Standpunkt aus, der die heute betriebene Instrumentalisierung und Dogmatisierung des „Holocausts“ ablehnt und dem es um eine ausgewogene und tatsachengerechte Geschichtsschreibung geht. Was auch immer die Gründe dafür gewesen sein mögen, festzuhalten ist, daß die Verurteilung David Irvings nach dem österreichischen Verbotsgesetz auf wesentlich sichereren Beinen stand als viele andere Verurteilungen zuvor (siehe „NO“, I/01), da er die Existenz von Gaskammern eindeutig geleugnet hatte.

Ein internationales Echo kritischer Stimmen

Dennoch hat die Verurteilung David Irvings erstmals national wie international Kritik am österreichischen Verbotsgesetz hervorgerufen.
In Österreich sind insbesondere der Chefredakteur der „Presse“, Michael Fleischhacker, und der Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, Andreas Unterberger, zu nennen, des weiteren Doris Piringer in einem Leitartikel der „Kleinen Zeitung“, Christian Ortner in einem weiteren Artikel der „Presse“, der Soziologe Christian Fleck in einem Gastkommentar für den „Standard“ und der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums Prof. Franz Matscher in einem Gastkommentar der „Presse“.
Auch in den deutschen Leitmedien „FAZ“ und „Welt“ gab es explizite Kritik, sogar die linksradikale „TAZ“ äußerte Zweifel an der Sinnhaftigkeit von gesetzlichen Meinungsverboten, wie sie auch in Deutschland gegeben sind. (Vgl. dazu nebenstehenden Kasten.) Neben mehreren Leitartikeln in der „Times“, dem „Independent“ und anderen britischen Zeitungen sprachen sich u. a. „El Mundo“ (Madrid), die israelische Tageszeit „Ha’aretz“, die Prager „Mlada Fronta Dnes“, die „International Herald Tribune“ und eine ganze Reihe weitere bedeutender internationaler Leitmedien gegen eine Verurteilung von David Irving aus, daneben so bekannte Publizisten wie Ralph Dahrendorf und sogar Deborah Lipstadt, jene Holocaust-Forscherin, gegen die David Irving seinen großen Prozeß geführt und verloren hat. Zustimmende Kommentare waren hingegen eher selten zu finden.
Markieren diese Artikel eine Trendwende? Lange Jahre war die Leugnung des Holocausts nur in Deutschland und Österreich strafbar. Noch 1992 prämierte der dänische Zweig von Amnesty International im Rahmen eines Wettbewerbs ein von der (jüdischen) Werbeagentur saatchi&saatchi gestaltetes Inserat, das das Recht auf Meinungsfreiheit auch für den bekannten Holocaust-Leugner Thies Christophersen vertrat, der während des Krieges eine Zeitlang als Offizier in Auschwitz stationiert gewesen und zum damaligen Zeitpunkt gerade von Deutschland nach Dänemark geflüchtet war. Erst in den Jahren danach zogen mehrere Staaten Europas mit vergleichbaren Gesetzen nach, wobei die Meinungsge- und verbote in Frankreich am weitesten getrieben wurden, wo mittlerweile sogar die Verurteilung des Sklavenhandels gesetzlich verordnet ist.
Neben reinen Zweckmäßigkeitserwägungen („David Irving nicht zum Märtyrer machen“) waren es genau diese Weiterungen, die weltweit viele Journalisten zum Nachdenken brachten: Wenn der Staat in Einzelfällen eine bestimmt historische Interpretation dogmatisieren darf, dann besteht, wie das Beispiel Frankreich lehrt, die Gefahr, daß Fall um Fall hinzukommt, bis Geschichte von Juristen und nicht mehr Historikern geschrieben wird. Und nicht zuletzt der Karikaturenstreit hat darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Westen nicht in dem einen Fall auf Meinungsfreiheit berufen kann, um dieselbe in einem anderen Fall außer Kraft zu setzen.

 
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