Archiv > Jahrgang 2007 > NO II/2007 > Wie Kunst die Welt retten kann 

Wie Kunst die Welt retten kann

Da sich die Krim-Tataren im Zweiten Weltkrieg an die deutsche Seite gestellt hatten, ließ sie Stalin in die mittelasiatischen Republiken der Sowjetunion deportieren und gleichzeitig alle Spuren ihrer Kultur auf der Krim vernichten. Nur der Khan-Palast in Bachtschyssaraj blieb unangetastet – aus dem einzigen Grund, weil Puschkin ein Gedicht über den Tränenbrunnen geschrieben hatte, der einen zentralen Platz in diesem jahrhundertealten Bauwerk einnimmt.
An Puschkin rührte selbst ein Stalin nicht. Kann es einen schöneren Beweis dafür geben, daß Poesie tatsächlich die Welt retten kann oder zumindest ein Stück von ihr?
Mehr noch: Der Regisseur Hans Jürgen Syberberg ist der Auffassung, daß der Kunst eine Modellfunktion innewohne, und sie daher bestimmte Entwicklungen erst möglich mache. So sei der Naturverlust in der Kunst durch die abstrakten Strömungen der Moderne dem Naturverlust der modernen Lebens- und Wirtschaftsweise mit ihren zerstörerischen Folgen für die Umwelt zwingend vorausgegangen. In seinem Werk „Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Kriege“ schreibt er: „Richtig aber ist nicht, daß die Kunst so ist, weil die Welt so ist, sondern die Welt ist so, weil die Kunst so ist, wie sie ist. Die Modell-Funktion der Kunst entscheidet das Gesicht der Welt, nicht nur im historischen Gedächtnis, sondern in jeder gegenwärtigen Tat, privat oder öffentlich, in Politik, Wirtschaft oder geistigem Leben wird die Welt so sein, wie es die Kunst wagt vorzumachen, mit Kampf, Abwehr und Klagen. Das wußten die, die das Gemeine preisen, unbewußt oder mitlaufend, kollaborierend oder ganz gezielt. Die Welt wird am Ende so aussehen wie ihre Kunst sie hinterläßt.“
Aus diesem Grund hat die Reflexion über die Kunst, über Inhalt und Anspruch, Bedeutung und Botschaft von Kunstströmungen und Stilepochen in der Neuen Ordnung immer eine wichtige Rolle gespielt (in den letzten Jahren mit Beiträgen über den Geist des Barock, das „deutsche“ in der deutschen Kunst, die Romantik in deutscher und französischer Auffassung, den Weltstandort der flämischen Kunst sowie in einer ganzen Ausgabe mit Schwerpunkt auf einer Kritik moderner Architektur wie abstrakter Kunst). Und aus diesem Grund wurden in jeder Nummer – vereinzelt freilich nur – Gedichte abgedruckt, was in Zukunft, wenn es der zur Verfügung stehende Platz zuläßt, verstärkt geschehen soll.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com