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Holocaust

Von Georg Wiesholler

Wer hat es gewußt

In diesem Beitrag versuche ich der Frage nachzugehen, wer vor 1945 von Judenvergasungen in Auschwitz wußte bzw. wissen konnte. Neben den Stimmen einiger Historiker ziehe ich vor allem Memoiren bedeutender Zeitzeugen und Aussagen jüdischer Persönlichkeiten heran, zudem habe ich die Berichterstattung der zwei größten Tageszeitungen des neutralen Schwedens während des Krieges analysiert.

Der deutsche Historiker Dr. Peter Longerich, Professor für Moderne Deutsche Geschichte und Direktor des „Research Centre for the Holocaust and Twentieth-Century History“ an der „Royal Holloway, University of London“, sozusagen eine Kapazität auf diesem Gebiet, hielt am 30. April 2003 eine Vorlesung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main über das Thema: „Davon haben wir wirklich nichts gewußt! Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945.“ Er unterstellte in diesem Vortrag, daß die Deutschen von der Vernichtung der Juden gewußt haben mußten. Ziel des Seminars sei es, zur Klärung der Frage beizutragen, wie die nationalsozialistische „Judenpolitik“ in der Propaganda des Regimes dargestellt wurde, was die deutsche Bevölkerung tatsächlich über die Judenvernichtung wußte und wie sie auf diese Informationen reagierte.
Guido Knopp, der große Geschichtsklitterer, behauptete im Fernsehen:
„Hunderttausende an der Front und in der Heimat wußten, daß Juden vernichtet werden.“1
Prof. Julius Schoeps, der Sohn des Professors Hans-Joachim Schoeps, meinte in einer Besprechung des Buches „In Auschwitz wurde niemand vergast“ auch, daß die Deutschen alles gewußt haben müssen. „Wer wissen wollte, konnte wissen – Argumente gegen Lügen und Verdrehungen.“2
Er hätte seinen Vater fragen können. Hans-Joachim Schoeps wußte nämlich auch nichts. Ich war mit ihm befreundet. Er war einer der ersten, der nach dem Kriege nach Deutschland reisen durfte. Nach der Rückkehr referierte er bei der „45er Vereinigung“, einer Vereinigung konservativer Emigranten, und erzählte überhaupt nichts von der Vernichtung der Juden, sondern nur von den unglaublich üblen Zuständen im besetzten Deutschland.
Als erster möchte ich selbst diese Frage beantworten. Ich habe, obwohl ich drei Jahre während des Krieges in Schweden lebte und sehr viel gelesen habe, nichts von der Vernichtung gewußt. Mir waren die KL Dachau und Buchenwald bekannt, aber über die Vernichtung der Juden habe ich erst nach dem Krieg erfahren.
Willy Brandt behauptete nach dem Krieg, daß er schon 1942 von der polnischen Exilregierung in London erfahren hatte, daß Juden in polnischen Konzentrationslagern vernichtet werden. Ich frage mich, warum er dies in seinen Vorträgen, in seinen Büchern und Schriften (jeder kann das überprüfen), und vor allem in seiner Schrift „Der Zweite Weltkrieg“ (Hg. Komitee für Demokratischen Wiederaufbau, Stockholm 1944) nicht erwähnt hat? Vielleicht weil er es eben auch erst nach dem Krieg erfahren hat?
Im Sommer 1998 stieß ich in der Königlichen Bibliothek in Stockholm zufällig auf das Buch „Det judiska folkets öde“ (Das Schicksal des jüdischen Volkes), Stockholm 1944, von Hugo Valentin. Da ich ja den Zionisten Valentin persönlich gut kannte und ihn des öfteren besuchte – er war Gymnasiallehrer in Uppsala –, setzte ich mich hin und las das Buch noch einmal durch. Jetzt fiel mir auf, was ich beim Lesen damals nicht beachtete, nämlich daß er das Wort Auschwitz auch nur einmal erwähnte und dies ohne Hinweis auf eine Vernichtung von Juden.
Der bekannte Publizist Claus Jacobi schrieb in „Bild“, München:
„Ich habe nach dem Krieg versucht, auszuloten, wie weit herrschende Schichten von Staat, Wehrmacht und Wirtschaft eingeweiht waren, und befragte dazu, wen ich so weit kannte, daß ich auf eine offene Auskunft hoffen durfte – von Hitlers Steigbügelhalter Vizekanzler Franz von Papen bis zu Hitlers Nachfolger Großadmiral Karl Dönitz, von Ribbentrops ehemaligen Pressechef Paul Schmidt bis zu Friedrich Flicks engstem Vertrauten, Vetter Konrad Kaletsch. Vergebens: Nicht einmal der um Aufrichtigkeit bemühte Albert Speer, der Hitler – außer dem ‚Führer‘-Fahrer Julius Schreck – von allen Männern wohl am nächsten stand, konnte mir helfen. … Rudolf Augstein, Artillerieoffizier und Herausgeber des Magazins,Der Spiegel‘ erklärte, den Namen Auschwitz bis Kriegsende nicht gekannt zu haben.“3
Aufgrund meiner im Laufe der Zeit entstandenen Zweifel überprüfte ich „Svenska Dagbladet“ und „Dagens Nyheter“, die zwei auflagenstärksten Tageszeitungen Schwedens, für die Zeit von 1. Jänner 1944 bis zum 31. Dezember 1946, um etwas über Auschwitz zu erfahren. Ich wollte auch wissen, wann das Wort Auschwitz und Vergasung zum ersten Mal erwähnt wurde, weil ich nicht in Erinnerung hatte, diese Worte während des Krieges gehört oder gelesen zu haben. Nur in „Svenska Dagbladet“ wurde in der Kriegszeit über Auschwitz geschrieben. So berichtete sie am 28. Dezember 1944:
„Nach einer Untersuchung, veröffentlichte die Zeitung ‚Der Bund‘ (eine Schweizer Zeitung – d. V.) eine Mitteilung, die von einem Diplomaten stammt, daß 850.000 ungarische Juden unter den Verfolgungen getötet worden seien. Die meisten wurden in den fürchterlichen Gaskammern in Auschwitz ermordet.“
Die kurze Notiz wurde möglicherweise damals in der schwedischen Öffentlichkeit übergangen, nicht beachtet oder auch nicht geglaubt. Es war ja eine Mitteilung aus dritter Hand. Ich bemerkte damals, wie dies erst nach dem Krieg der Fall war, keine öffentliche Erregung oder eine ausführliche Erwähnung in der übrigen Presse.
Merkwürdig in diesem Zusammenhang ist daher schon der Bericht des schwedischen Botschafters in Ungarn, den er nach der Rückkehr im März 1945 auch in „Svenska Dagbladet“ veröffentlichte. Er erwähnte Auschwitz und die Vergasung überhaupt nicht. Er schrieb: „In voller Desperation begannen die Pfeilkreuzler mit der Hinrichtung von Juden. Sie jagten diese in einem Massenmarsch zur Grenze. … Wir fuhren längs der Straße nach Wien, wo sich der Todesmarsch hinzog.“4
„Dagens Nyheter“, dessen Herausgeber das jüdische Haus Bonnier ist, erwähnte den Namen Auschwitz zum ersten Mal am 5. Mai 1945, also kurz vor Kriegsende. Der Redakteur der „Dagens Nyheter“ sprach mit der Franziskanernonne McCarthy, die im Zusammenhang mit der Graf-Bernadotte-Aktion im März 1945 aus Bergen-Belsen nach Schweden kam und die vorher, laut ihrer Angabe, in Auschwitz war. Sie erzählte dem Redakteur u. a.: „Die polnischen Jüdinnen, die von Auschwitz (nach Bergen-Belsen – d. V.) kamen, füllten einen Waggon nach dem anderen. Darunter 50 Kinder, der Rest von 1.000, die im Lager geboren wurden.“
Gitta Sereny, die jüdisch-ungarische Speer-Biographin, schrieb, daß es ihr nicht gelungen sei, von Albert Speer die von ihr vermutete Wahrheit über Auschwitz und anderen Lagern zu erfahren. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihres neuen Buches „The German Trauma – Experience and Reflections 1938–2001“, Penguin Books, hatte sie ein Gespräch mit der britischen Tageszeitung „The Times“. Sie sagte u. a., „daß sie das Wort ‚Holocaust‘ mißbillige. … Warum in aller Welt haben diese Leute Auschwitz zu einer heiligen Kuh gemacht? … Auschwitz war ein schrecklicher Ort, aber kein Vernichtungslager.“5
In einem Gespräch im ZDF, Aspekte, am 15. Oktober 1999, sagte der Historiker Joachim Fest, der auch eine Biographie über Albert Speer geschrieben hat, daß Speer die Vernichtung der Juden in Auschwitz verneinte und daß es ihm auch durch noch so spitzfindige Fragen nicht gelungen sei, ihn in Widersprüche zu verstricken. Fest meinte abschließend: Dieses Geheimnis würde er ins Grab mitnehmen. Auch Heinrich Breloer konnte in seiner Speer-Biographie „Speer und Er“ (Hitler) über die Vergasung nichts erfahren. Wohl aber, daß er Hitler und Goebbels in der Reichskanzlei vergasen wollte.6
Franziska Augstein zitierte Joachim Fest und den Verleger Jobst Siedler, der die Speer-Biographie verlegte:
„Der Verleger und der Publizist trauten ihrem eigenen psychologischen Urteil und hielten Albert Speer für glaubwürdig, wenn er ihnen Mal um Mal beteuerte, daß er sich erst nach dem Krieg von den Ausmaßen der Verbrechen ein rechtes Bild gemacht habe.“7
SS-General Rochus Misch, Hitlers Adjutant (so in „Dagens Nyheter“), sagte in einem Gespräch mit „Dagens Nyheter“ am 19. September 2004:
„Daß es Konzentrationslager gab, wußten alle. Über die Vernichtungslager hörte ich erst nach dem Kriege.“
Ex-Kanzler Helmut Schmidt erklärte gegenüber Beckmann in der ARD am 12. Juli 2005, daß er, wie auch sein Vater und Großvater, nichts von der Ermordung von Juden in Auschwitz gewußt hätte.
In einem Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk am 21. September 2000, 4. Programm, sagte er Diplomat Rüdiger von Wechmar, daß er als Leutnant und sein Vater als Oberst im Generalstab von der Vernichtung der Juden und Zigeuner nichts gewußt hätten. Er habe davon erst in amerikanischer Kriegsgefangenschaft erfahren.
Norman Cohn, der an deutschen Kriegsgefangenen in den USA Befragungen durchführte, meinte, daß die Masse der Deutschen vor dem Schicksal der Juden einfach die Augen verschlossen hätten.8
Wenn man nichts wußte, hat man da die Augen einfach verschlossen und die Ohren zugestopft?
Richard von Weizsäcker erklärte in einem Gespräch mit der „New York Times“ über seinen Vater, den Staatsminister im Auswärtigen Amt, sozusagen Joachim von Ribbentrops Stellvertreter: „Ich glaube wirklich, daß er von den systematischen Massenmorden nichts wußte. … Die Ausführung der Judenmorde lag in der Hand weniger. Aber jeder Deutsche konnte miterleben, was jüdische Mitbürger leiden mußten. … Wer seine Augen und Ohren aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, daß Deportationszüge rollten.“9
Nach einem Aktenvermerk des Unterstaatssekretärs Luther vom 24. September 1942 ist Staatssekretär Ernst von Weizsäcker über die Mitwirkung des AA an den Judenevakuierungen (sic) aus der Slowakei, Kroatien, Rumänien, anderen besetzten Gebieten, und über die geplanten Judenevakuierungen aus Bulgarien, Ungarn und Dänemark informiert gewesen. Im Vermerk heißt es ausdrücklich, daß dieser Aktenvermerk von Weizsäcker zur Kenntnisnahme vorgelegt wurde. Am 12. Dezember 1941 legte Unterstaatssekretär Luther Staatssekretär von Weizsäcker (A.Z:: U.St.-D.-Nr. 5114-DIII 664 G) einen Vermerk vor, woraus hervorging, „daß 8.000 serbische Juden nach Ostpolen abgeschoben werden sollten“. Aber hier ging es um Deportation und nicht um Vernichtung.
Dagegen meinte Generalkonsul Dr. Manfred Steinkühler, von Weizsäckers Untergebener: „Allen Angehörigen des höheren Dienstes im Ribbentropschen Auswärtigen Amt war spätestens ab 1941 bekannt, daß die Juden physisch ausgerottet werden sollten, wie der Vertraute von Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, Gesandter a. D. Albrecht von Kessel, im Jahre 1967 bei Gericht zu Protokoll gegeben hat.“10
Dagegen fragt sich auch der Diplomat Erich Wickert, warum in diplomatischen Berichten der Ort Auschwitz während des Krieges nie erwähnt wurde.11
Bekannt ist auch, daß der ehemalige Bundespräsident Heuss, der in Goebbels Zeitung „Das Reich“ mitarbeitete, wiederholt sagte, daß er erst nach dem Kriege von der „Liquidierung der Juden“ erfahren habe.
H. Kurzke schrieb in der „Frankfurter Allgemeinen“: „Einen schlechterdings ‚richtigen‘, ‚gelungenen‘ Umgang mit den Stätten der NS-Verbrechen gibt es wahrscheinlich gar nicht. Das war vor einem halben Jahrhundert nicht anders. Mit den Pogromen hatten auch die Exilschriftsteller Ausdrucksschwierigkeiten, dies hatten sogar die Juden unter ihnen. So unglaublich wie es klingt: es gab in der Exilliteratur von 1933 bis 1945 fast keine Darstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung.“12
Den Memoiren Telford Tylors, Brigadegeneral und Hauptankläger bei den amerikanischen Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg, ist zu entnehmen, „daß er, einer der Intelligentesten und Bestinformierten auf der Anklägerseite, von der Judenvernichtung der Nationalsozialisten erst im Nürnberger Verfahren Kenntnis erlangt hatte“.13
Wie konnte Winston Churchill in seinen Büchern über den Zweiten Weltkrieg (6 Bände und über 4.448 Seiten) es unterlassen, fragte sich Professor Richard Lynn von der Universität Ulster, Auschwitz zu erwähnen? Es findet sich auch kein Hinweis auf den Völkermord an den Juden und auch keiner auf die sechs Millionen.
Der britisch-jüdische Psychologe und Verfasser einer Churchill-Biographie, Martin Gilbert, meinte zu Auschwitz:
„Zwischen Mai 1942 und Juni 1944 sind keine Nachrichten in den Westen gelangt, die für die vertriebenen Juden auf Auschwitz … als Vernichtungsort hingewiesen hätten. Auch hatte der Name Auschwitz für den keinen Eindruck hinterlassen, der dabei war, ein ausführlicheres Bild über das Schicksal der Juden zu erforschen. Das Geheimnis über die Gaskammern in Auschwitz wurde erst im Juni 1944 gelüftet.“14
Wie soll man sich erklären, daß auch General Dwight Eisenhower in seinem Buch „Crusade in Europe“ (559 Seiten) die Judenvernichtung nicht erwähnte. Ebenso schweigsam war General Charles de Gaulle in seinem dreibändigen Werk (2.054 Seiten) „Mémoires de Guerre“.
Der bekannte Publizist Prof. Raymond Aron, der in London zum engeren Kreis um de Gaulle gehörte und nach eigenem Bekunden keine Kenntnis von der systematischen Vernichtung europäischer Juden hatte, glaubte, daß die alliierten Behörden dies bewußt verschwiegen haben.15
In seinen Erinnerungen schrieb Raymond Aron: „Wir wußten um die Tätigkeit des Widerstandes, um die Repressionen durch die Gestapo, um die Deportation der Juden. Aber wie konnten wir in unserer Redaktion in London wissen, daß der Transport von Juden nach dem Osten etwas anderes bedeutete als die Deportation von Widerstandskämpfern, die durch die Gestapo erwischt wurden? Noch heute quälen mich Zweifel. Was wußten wir in London von diesem Völkermord wirklich? Haben die englischen Zeitungen berichtet? Und wenn sie es getan haben, in Andeutungen, Vermutungen oder in Fakten. Klar war mir nur in etwa folgendes: Die Konzentrationslager waren brutal, und die Zahl der Personen, die dort zu Tode kamen, waren sehr hoch, doch an die Gaskammern, an die technisierte Ermordung von Menschen habe ich, das muß ich gestehen, nicht gedacht, weil ich mir das nicht vorstellen konnte, und ich habe deshalb auch nichts davon gewußt.“16
Aber Anne Frank wußte es. Sie hatte ihr Wissen von englischen Sendern. Am 9. Oktober 1942 vermerkte sie in ihrem Tagebuch: „Wenn es in Holland schon so schlimm ist, wie muß es dann erst in Polen sein? Wir nehmen an, daß die Menschen ermordet werden. Der englische Sender spricht von Vergasungen (dies muß Prof. Raymond Aron überhört haben – d. V.), vielleicht ist es die schnellste Methode zu sterben.“17
Auch Joachim Fest wußte es. Er erfuhr es von seinem Vater, der 1942 Berichte von BBC über die Vergasungen von Juden hörte, aber glaubte, es sei Greuelpropaganda, wie sie von den Alliierten im Ersten Weltkrieg verbreitet wurden.
Belassen wir es bei dieser Zusammenstellung von Fakten. Wie soll man aber mit der Geschichte umgehen, gerade auch, was das Verhältnis von Deutschen mit Juden betrifft?
Leo Baeck, der renommierte Rabbiner, geht in seiner 1946 in Berlin erschienenen Schrift „Der Sinn der Geschichte“ nicht auf den Holocaust oder die Shoah ein. Baeck hatte im Alter von 72 Jahren das Lager Theresienstadt überlebt. 1946 referierte er in London über „Changes in Jewish Outlook“. Hätte er den Holocaust oder Auschwitz als Wende angesehen, dann hätte er dies hier sagen müssen. Er erwähnte dies nicht. Dafür fand Leo Baeck damals, kaum mehr als ein Jahr nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager, grundsätzliche Worte zum Umgang mit dem deutschen Volk:
„Wie der Schuldige gesucht werden soll, soll auch der Unschuldige gesucht werden, und wenn er in Not ist, soll ihm Hilfe zuteil werden. Die Hand, welche richtet und straft, soll die Hand sein, welche hilft; dadurch wird das Recht ein Ganzes. Die Hand, welche hilft, soll auch die Hand sein, welche richtet und straft; dadurch erst wird die Hilfe ein Ganzes. Beides zusammen ist die ganze Gerechtigkeit.“18
Aber seit 1945 werden die Deutschen pauschal beschuldigt, an dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte bewußt teilgenommen zu haben. Wie es zu dieser Beschuldigung kam, schrieb kein Geringerer als Martin Broszat, der verstorbene Leiter des „Münchner Instituts für Zeitgeschichte“, in einem Brief an den Holocaustforscher Saul Friedländer. Er schrieb, „daß er von der ‚geschichtsvergröbernden‘ Erinnerung der Opfer überzeugt sei,19 die, ‚absolut gesetzt‘, die ,wesentliche(n) Zugänge geschichtlicher Erkenntnis‘ versperre und ‚historischer Gerechtigkeit‘ nicht genügen könne. Die ‚intensive jüdische Erinnerung an den Holocaust‘ berge umgekehrt gleichsam die Gefahr, die Geschichte des Dritten Reiches ‚von hinten aufzurollen, anstatt sie, wie das der historischen Methode entspricht, nach vorwärts zu entfalten‘. Hier aber müsse die Forschung gegen Erinnerung angehen. … Auschwitz werde zum ‚Zentralereignis der Hitlerzeit‘, stelle die ‚ganze Geschichte in den Schatten‘ und mache die Judenvernichtung ‚sogar zum alleinigen Maßstab der geschichtlichen Perzeption dieser Zeit‘. … Geschichtswissenschaft selbst ist die beste, die gerechteste und authentischste Form der Erinnerung.“20
Während von den Deutschen nach wie vor verlangt wird, für die Judenverfolgung einzustehen und gerade die Kunstgut-Restitution mit großem Eifer betrieben wird, können sich Staaten wie Polen und Tschechien gerade zu einem Bedauern für das den deutschen Vertriebenen zugefügte Leid herablassen und verweisen im übrigen darauf, daß erlittenes Unrecht endgültig der Vergangenheit angehört und an Restitution beschlagnahmten Privateigentums etc. nicht zu denken sei. Während unschuldigen deutschen Opfern gegenüber also (mit tatkräftiger Unterstützung der Bundesregierung) ein Schlußstrich gezogen wird, gibt es nach Auffassung des damaligen Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland (und ehemaligem CDU-Bundesvorstandsmitglied) Michel Friedman für das deutsche Volk als kollektiver Täter keinerlei Schlußstrich:
„Die Erben des judenmordenden Staates bieten den Opfern und Nachkommen der Opfer Versöhnung an und sind erbittert, wenn dieses Wort zurückgewiesen wird. Es kommt ihnen in Wirklichkeit gar nichts anderes zu, als die schwere historische Verantwortung auf sich zu nehmen, generationenlang, für immer.“21

Anmerkungen

1 Hitler an der Macht, Phoenix, 20. August 2006, 13:15 Uhr
2 „FAZ“, 15. Jänner 1997
3 Claus Jacobi, Wie viele haben im Dritten Reich vom Holocaust gewußt, Bild-Zeitung, München, 18. Oktober 2003
4 „Svenska Dagbladet“
5 „The Times“, 29. August 2001
6 Heinrich Breloer in einem Gespräch mit Redakteuren des Senders Phoenix am 23. April 2005
7 „Süddeutsche Zeitung“, 11. Mai 2005
8 Hamilton, Alastair, The Appeal of Fascism, Dublin 1971, S. 162
9 Zit. n. Mensch & Maß, Folge 18/23. September 2003
10 Dr. Manfred Steinkühler, Von 1941 an, Leserbrief in der „FAZ“ vom 4. April 2006
11 „FAZ“, 19. April 1995
12 H. Kurzke, „FAZ“, 1. April 1989
13 „FAZ“, Magazin, 22. Oktober 1993

 
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