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Ende der Entwicklungshilfe?

Von Wolfgang Dvorak-Stocker

Afrika im Elend. Erneut soll die Entwicklungshilfe erhöht, sollen den Ländern südlich der Sahara ihre Schulden erlassen werden? Bob Geldof, der Organisator der Life-8-Konzerte, rief: „Es muß einfach etwas getan werden, selbst wenn es nichts nützt!“ Doch wenn Entwicklungshilfe schadet? Dieser Auffassung sind nicht nur europäische und amerikanische Kritiker, auch Afrikaner wie der kenianische Ökonom James Shikwati, der Politologe Roger Tangri aus Botswana und der ghanesische Ökonom George Ayittey vertreten diese Auffassung. Der Bekannteste ist Andrew Mwenda aus Uganda, der seine lukrative Tätigkeit für die Weltbank einstellte, als diese seine Analysen nicht hören wollte.
„Ignoriert Afrika. Alle Hilfe verschleiert nur die Inkompetenz unserer Despoten“, ruft Mwenda in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 29. Juni 2007 den europäischen Ländern zu. Und in der „Schweizer Weltwoche“ 41/06 präzisiert er: „Entwicklungshilfe ist nicht die Lösung, Entwicklungshilfe ist das Problem.“
Seine Argumente:
lEntwicklunghilfe ist eines der wichtigsten Instrumente, mit denen sich die korrupten Regierungen Afrikas an der Macht halten. Uganda allein hat 69 Minister und 109 Präsidentenberater. Die Entwicklungsgelder werden nicht für Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit investiert, sondern finanzieren ein System der Günstlingswirtschaft.
Afrikas Regierungen sind an wirtschaftlicher Entwicklung nicht interessiert, weil sie dadurch an Einfluß verlieren würden. Wer sich heute regimekritisch verhält, wird keinen Arbeitsplatz, keine Handelslizenz oder keinen günstigen Kredit bekommen. All diese Instrumente der Machtsicherung fehlen, sobald sich eine unabhängige ökonomische Mittelschicht herausgebildet hat.
lAfrika leidet nicht unter Handelsbeschränkungen der europäischen Länder, im Gegenteil: „Es ist eine Lüge zu behaupten, daß wir keine Chancen auf dem europäischen Markt bekommen, wir haben ja schon lauter Sonderkonditionen.“ So dürfe Uganda fast unbegrenzt Zucker nach Europa exportieren, doch kann das Land nicht einmal die Inlandsnachfrage befriedigen, „geschweige denn ein lausiges Kilo nach Europa schicken“. Auch die zollfreie Exportquote für Rindfleisch, die die EU zugestanden hat, habe kein afrikanisches Land bisher ausgefüllt.
Schuldenerlaß ist kontraproduktiv: „Vor 6 Jahren hatte Uganda 3,2 Milliarden Dollar Schulden, 2 Milliarden wurden uns erlassen. Zur Feier des Tages kaufte die Regierung für 35 Millionen Dollar einen Präsidentenjet. Heute hat Uganda bereits wieder 4,9 Milliarden Schulden. Soll solches Verhalten noch belohnt werden? Botswana und Mauritius, zwei Ausnahmeländer mit einer vernünftigen Budgetpolitik, zahlen ihre Schulden immer zurück. Die müssen sich ja dumm vorkommen. Ein Schuldenanlaß gibt falsche Anreize, er … schafft eine Kultur der Verantwortungslosigkeit.“
lEs stimmt nicht, daß den afrikanischen Ländern die Mittel der Bildungs- und Gesundheitsvorsorge fehlen. Die Mittel sind vorhanden, aber sie werden für militärische Zwecke und für das Klientelsystem des Nepotismus ausgegeben. Die grassierende Korruption kostet Afrika jedes Jahr 148 Milliarden Dollar. Uganda finanziert zwar 45 % seines Staatsbudgets durch internationale Hilfe, treibt aber gleichzeitig nur etwas mehr als die Hälfte der möglichen Steuern ein, weil die Reichen und politisch Mächtigen dank Korruption keine Steuern bezahlen müssen. Ohne Entwicklungshilfe wäre dies wohl anders.
lDie Entwicklungshilfe hat die Abhängigkeit Afrikas verschärft: Großbritannien führte Uganda zu Ende der Kolonialzeit mit ganzen 70 Verwaltungsbeamten, heute arbeiten mehrere Tausend ausländische Hilfsexperten im Land.
Jede Kolonialregierung wäre heute besser als die meisten afrikanischen Regierungen, sagt Mwenda in der Weltwoche und legt nach: „Ihr macht Euch solche Sorgen um uns. Wieso kommt Ihr nicht und rekolonialisiert unsere Länder, stürzt unsere Politiker und bringt Schweizer Regierungsstandards nach Afrika?“
Mit diesem Argument will Mwenda freilich nur die Mitleidsrhetorik der europäischen Länder aufbrechen. In Wirklichkeit ist er davon überzeugt, daß Afrika ohne Entwicklungshilfe seinen Weg alleine finden würde. Richtige Entwicklungspolitik sei die Vergabe günstiger Kredite für private Firmen und Investitionen großer Weltkonzerne in Afrika, weil beides dazu beitragen würde, daß sich eine breite Mittelschicht herausbildete.
Von dem verkündeten neuen Marschallplan will Mwenda gar nichts hören: Der Marschallplan habe in Deutschland seinerzeit nur 2 % des Bruttoinlandsproduktes ausgemacht, die Länder südlich der Sahara erhalten schon jetzt 13 % ihres Bruttoinlandsproduktes. „Das ist der größte Geldtransfer in der Geschichte.“ Doch wieviel Geld kommt davon wirklich nach Afrika? Nach einer Untersuchung der Hilfsorganisation „Action Aid“ sind sage und schreibe 61 % der westlichen Entwicklungshilfe „Phantomgelder“. Besonders extrem sieht es in den USA aus: „Von den 69 Milliarden Dollar, die zum Beispiel die USA im Jahr 2003 an Entwicklungshilfe aufwendeten, waren gerade einmal 27 Milliarden Dollar real. Der Rest floß auf Umwegen über Firmen und teure Beratungshonorare wieder in die USA zurück“, berichtete die Zeitschrift „Nation und Europa“ (7–8/05). Auch Mwenda weiß, welches Geschäft die Entwicklungshilfe ist: „Für Euch ist Afrika ein wunderbarer Markt. Die Hilfsindustrie setzt im Jahr 60 Milliarden Dollar um. Zigtausende Europäer und Amerikaner werden davon bezahlt. Die sind alle daran interessiert, daß das extravagante und korrupte System bestehen bleibt.“ Kein Wunder, verdienen doch technische Experten laut „Action Aid“ bis zu 27.000 Dollar – monatlich.
Es ist allerdings kaum zu erwarten, daß der Westen die Entwicklungshilfe bald einstellt. Der jetzige Slogan lautet „Poverty trap, big push, take-off“ und entspricht exakt dem Ansatz der Entwicklungspolitik der 50er Jahre. Weil Afrika arm sei („Armutsfalle“), habe es kein Geld für Investitionen. Mit entsprechender Anschubfinanzierung könne es zu einem fulminanten Wachstumsprozeß kommen. Doch das hat schon in den 50er und 60er Jahren nicht funktioniert. In den 70ern versuchte der Westen, die „Grundbedürfnisse“ der Menschen zu subventionieren: Gesundheit, Nahrung, Unterkunft und Bildung. In den 80ern förderte man den Export und man verlangte „Strukturanpassungen“, also durch Sparen im öffentlichen Sektor die gewaltigen Haushaltsdefizite in den Griff zu bekommen, in den 90ern lautete das Schlagwort „nachhaltige Entwicklung“, doch davon konnte keine Rede sein: Diese Zeit ging als das „verlorene Jahrzehnt“ in die Geschichte der Entwicklungspolitik ein. Sämtliche Strategien haben in Afrika versagt, trotz des Einsatzes von 600 Milliarden Dollar (ohne private Spenden und humanitäre Nothilfe), resümiert der amerikanische Ökonom William Easterly in seinem im Oktober 2006 im Campus Verlag erschienenen Buch „Wir retten die Welt zu Tode“.
Doch aus welchem Grund ist die Lage Afrikas so katastrophal? In den 60er Jahren war die Weltbank davon ausgegangen, daß Afrika die Armut bis zum Jahr 2000 überwinden könne. Damals konnte beispielsweise Südkorea mit dem goldreichen Ghana bei weitem nicht mithalten – heute ist seine Volkswirtschaft vierzigmal leistungsfähiger als die des westafrikanischen Landes. Allen afrikanischen Ländern geht es heute schlechter als am Ende der Kolonialzeit. Die Durchschnittseinkommen sind gesunken, während sie überall sonst auf der Welt gestiegen sind. Afrika fällt immer weiter zurück.
Der „Merkur“ lieferte in seiner Ausgabe vom November 2006 interessante Zahlen: „Nigeria wie Hongkong erhöhten im Zeitraum 1960–1985 ihre Investitionen in Maschinen etc. pro Arbeiter um 250 Prozent. Die Produktivität der nigerianischen Arbeiter wuchs um 12 %, die Hongkongs um 328 %; im selben Zeitraum erhöhten Gambia und Japan die genannten Investitionen gar um 500 % – die Produktivität pro Arbeiter wuchs in Japan um 260 %, in Gambia um 2 %.“
An dieser Stelle werden Untersuchungen interessant, die der kanadische Psychologe J. Philippe Rushton in seinem Buch „Rasse, Evolution und Verhalten. Eine Theorie der Entwicklungsgeschichte“ (auf Deutsch im Ares Verlag 2005) veröffentlicht hat: Demnach kommt die Bevölkerung der Länder des subsaharischen Afrikas auf einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten von nur 85. Dies scheint aus europäischer Sicht fast nicht vorstellbar, sind doch hierzulande Menschen mit einem so geringen Intelligenzquotienten zumeist schon äußerlich zu erkennen. Doch Rushton zitiert unterschiedlichste, im Laufe der letzten Jahrzehnte durchgeführte Studien, die alle das gleiche Ergebnis erbrachten und selbstverständlich so durchgeführt wurden, daß bloße kulturelle Unterschiede zu keiner groben Verzerrung des Ergebnisses führen konnten. Wie es sein könnte, wurde mir klar, als ich den Film „Forrest Gump“ sah, der den fiktiven Lebensweg eines Amerikaners erzählt, der, mit ähnlich geringer Intelligenz, doch mit beträchtlichen menschlichen Qualitäten ausgestattet, letztlich sein Schicksal meistert. In solcher Weise müßten wir uns gemäß den genannten Studien auch die Masse der Schwarzafrikaner vorstellen. Treffen sie zu, wird die Zukunft des „schwarzen Kontinents“ nicht gerade rosig sein. Denn es gibt zwar sicher auch intelligente Afrikaner (beim genannten IQ handelt es sich ja um einen Durchschnittswert), doch Intelligenz und Durchsetzungsfähigkeit korrelieren nicht unbedingt miteinander. Oft genug hat in der Weltgeschichte die brutale Beschränktheit reüssiert.
Im stillen hofft man, Andrew Mwenda möge mit seiner im Grunde optimistischen Prognose recht behalten: daß die afrikanischen Länder auf sich allein gestellt ihre Probleme eher in den Griff bekommen, als mit einer fortgesetzten Entwicklungshilfe, die nur die korrupten Regime am Leben erhält. Im jeden Fall gilt, was Konrad Adam in der Welt vom 26. Juni 2006 festgestellt hat: Die europäischen Länder verschärfen mit ihrer großzügig gewährten Entwicklungspolitik und ihrer ebenso großzügig gewährten Asylpolitik nur die Probleme Afrikas. „Denn was ist humanitär an einer Hilfe, welche die Notlagen, die sie bekämpft, nicht etwa behebt, sondern verschärft, allenfalls verschiebt und sicherlich verstetigt? Hauptursache der Flüchtlingswellen ist das extreme Bevölkerungswachstum, unter dem die meisten Länder Schwarzafrikas leiden.“ Die Entwicklungshilfe ermöglicht das Bevölkerungswachstum, und die Asylpolitik finanziert die Schlepperbanden, die für ihre Fluchthilfe zwischen 6.000 und 10.000 Dollar pro Person verlangen – den Gegenwert von 10, 20 oder gar 30 Jahreseinkommen afrikanischer Länder. Die Ärmsten der Armen sind es also ganz sicherlich nicht, die zu uns kommen, im Gegenteil. Europäische Entwicklungspolitik wie europäische Asylpolitik sind mehr Ursache als Lösung der Probleme Afrikas.

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com