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Kurswechsel?

Ein Interview mit Heinz-Christian Strache

Die FPÖ unter H.-C. Strache

Die FPÖ hat sich unter Heinz-Christian Strache sichtbar stabilisiert und nimmt auch in der Wählergunst – durch letzte Umfragen wieder bestätigt – einen kontinuierlichen Aufschwung. Doch gleichzeitig gibt es aus parteinahen Kreisen erhebliche, allerdings nicht öffentlich geäußerte Kritik an manchen inneren Entwicklungen und politischen Positionierungen unter dem neuen Parteichef. Nicht zuletzt der offenbar unlösbare Konflikt mit Volksanwalt Ewald Stadler hat für Irritationen gesorgt.

Die „Neue Ordnung“ möchte den so oder so zu Ende gegangenen Konflikt zwischen Ihnen und Ewald Stadler nicht hinterfragen. Eindeutig ist jedoch, daß damit der profilierteste Vertreter der Öffnung zum katholisch-konservativen Milieu aus der Partei ausschied. Ist damit eine grundsätzliche Kurskorrektur verbunden oder versucht die FPÖ nach wie vor unter dem Stichwort des „wehrhaften Christentums“ für jene Katholiken ein Ansprechpartner zu sein, denen die gegenwärtige Positionierung der ÖVP zu vielen gesellschaftspolitischen Fragen nicht behagt?

H.-C. Strache: Zu Ewald Stadler möchte ich nur kurz anmerken, daß er bedauerlicherweise ebenso wie Jörg Haider versucht hat, aus rein persönlichen Befindlichkeiten die FPÖ zu zerstören, nachdem es ihm nicht gelungen ist, die Freiheitliche Akademie in ein Institut umzufunktionieren, das in erster Linie die Interessen einer von der Katholischen Kirche nicht einmal anerkannten Splittergruppe, der er angehört, vertreten sollte. Aber eine Partei, die die Interessen aller Österreicher, die ihre Heimat lieben, wahrnehmen will, kann und darf nicht primär konfessionell geprägt sein bzw. schon gar nicht der Ableger einer kirchlichen Institution sein.
Daher sind wir selbstverständlich auch für jene wertkonservativen Katholiken, die das Linksabdriften der ÖVP mit Sorge mitverfolgen, der einzige Ansprechpartner. Gerade in Zeiten von Islamisierung, Homo-Ehe, Zerstörung der traditionellen Familienwerte und 60.000 Abtreibungen pro Jahr – Entwicklungen, denen gerade die ÖVP völlig gleichgültig gegenübersteht – laden wir diese Menschen ein, sich bei uns einzubringen. In der FPÖ finden sie einen Partner, der den Generalausverkauf unserer Werte nicht achselzuckend zur Kenntnis nimmt, sondern eindeutig für unsere Heimat und für unsere Traditionen und Überzeugungen Stellung bezieht. Unser Abwehrkampf gegen die zunehmende Islamisierung unserer Gesellschaft, gegen eine falsch verstandene Toleranz gegenüber einem Wertesystem, das dem unseren in vielen Punkten diametral entgegengesetzt ist, oder auch der vehemente Widerstand gegen den EU-Beitritt der Türkei, sind lebendiger Ausdruck unserer wehrhaften Haltung für unser europäisches Abendland. Auf diesem Weg ist jeder Europäer, gleich mit oder ohne Konfession, eingeladen, Europa, unsere Werte, Traditionen, Kultur und Überzeugung, zu retten sowie seinen Beitrag dafür zu leisten.

In diesem Zusammenhang spielt auch das Stichwort Homo-Ehe eine Rolle. Wie stehen Sie zur Frage der Homosexuellen-Rechte? – Nachfrage: Wie Jörg Haider haben auch Sie den Life-Ball besucht. Verbindet sich nicht gerade mit diesem Ereignis der Versuch, homo­sexuellen Lebensstil als schick und geradezu vorbildhaft zu propagieren?

H.-C. Strache: Die FPÖ unter meiner Führung sieht sich als letzte Hüterin der traditionellen Familie und der traditionellen Familienwerte. Folgerichtig lehnen wir bizarre Auswüchse wie eine Homo-Ehe daher entschieden ab, egal ob man diese jetzt „eingetragene Partnerschaft“ nennt oder anders. Auch eine ­Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare kommt für uns niemals in Frage.
Das immer wieder vorgebrachte Diskriminierungsargument, daß nicht verheiratete Paare, egal ob hetero oder gleichgeschlechtlich, weniger Rechte als verheiratete Paare hätten, kann nicht gelten, weil durch die rechtliche Besserstellung nur ein gewisser Ausgleich für die Pflichten und Verantwortung der Gesellschaft gegenüber zum Ausdruck kommt. So gehört dazu der Unterhaltsanspruch, das Erbrecht bzw. Pflichtteilsrecht. In anderen Bereichen, wie der Krankenversicherung, beim Wohnrecht und Steuerrecht, wurden die Rechte unverheirateter Paare nahezu vollständig an die Rechte von Verheirateten angepasst. So ist die Mitversicherung möglich und der Bezug von Leistungen, die einer Witwenpension vergleichbar sind, kann privatrechtlich durch eine Lebensversicherung kompensiert werden.
Die Familie ist jedenfalls das Fundament einer Gesellschaft nach freiheitlichen Vorstellungen. Sie ist nach wie vor für das Gemeinschaftswesen und damit für den Staat von größter Relevanz. Ihr Ziel ist es grundsätzlich, daß daraus Kinder hervorgehen. Aus diesen Gründen hat sich der Staat bestimmte Dinge vorbehalten, die als Familienrecht bezeichnet werden und ausschließlich Ehepaaren (Eheschließung zwischen Frau und Mann) dienen sollen.
Was den Life-Ball betrifft, geht es hier vorrangig darum, Spenden für Aids-Opfer zu sammeln, die es ja nicht nur im Kreis von Homosexuellen gibt. Wenn es die Intention mancher gewesen sein mag, Homosexualität als besonders schick oder besonders vorbildlich darzustellen, deckt sich dies nicht einmal ansatzweise mit meiner Meinung.

Die vielleicht wichtigste Kernfrage für jeden Katholiken ist die Haltung zur Abtreibung. Auch wenn man vorerst keine gesetzliche Änderung anstrebt, könnte etwa im Hinblick auf eine entsprechende Bewußtseinsbildung viel getan werden. Wie ist die Haltung der FPÖ dazu? Viele Frauen scheinen vor einer Freigabe ihres Kindes zur Adoption zurückzuschrecken und empfinden dessen Tötung in den ersten Lebenswochen offenbar für moralisch vertretbar. Ist diese Haltung nicht völlig irrational? Was kann dagegen getan werden?

H.-C. Strache: In Österreich finden jährlich rund 60.000 Abtreibungen statt. Man muß daher intensiv darüber nachdenken, wie man die Nöte der Frauen bzw. Mütter lindern und beseitigen kann, damit sie sich für das Leben entscheiden und ihre Kinder zur Welt bringen. Maßnahmen, damit es zu weniger Abtreibungen kommt, sind unbedingt nötig. Es bedarf daher eines prinzipiellen Paradigmenwechsels in der Familien- und Kinderpolitik unseres Landes. Man muß die Familien fördern, sie durch ein Familiensteuersplitting massiv entlasten und ein Müttergehalt mit vollem Pensionsanspruch einführen. Unser Ziel muß es – vor allem auch gesellschaftspolitisch – sein, Österreich zum familien- und kinderfreundlichsten Land weltweit zu machen. Daher muß man auch der linken Familienzerstörungspropaganda, an der sich auch die angebliche „Familienpartei“ ÖVP mit ihrer schrillen Ministerin Kdolsky eifrig beteiligt, entschieden entgegentreten.
Besonders erschreckend finde ich Diskussionen wie jene über Abtreibung auf Krankenschein. Dafür ist die FPÖ sicherlich nicht zu haben. Denn Kinder sind keine Krankheit, sondern das höchste und zugleich schützenswerteste Gut einer Gesellschaft. Hier bedarf es einer grundlegenden Bewußtseinsänderung. Es muß klar sein, daß die Berufung auf eine Gewissensentscheidung nicht gleichzusetzen ist mit einem Freibrief in Richtung Willkür, sondern daß Gewissensentscheidungen der Gewissensbildung und -erforschung bedürfen. Im Begriff Gewissen steckt ja der des Wissens. Beratung und  Beistand sind hier notwendig.
Gebot der Stunde ist es daher, Frauen in Notlagen Hilfe zu bieten und Auswege zu öffnen. Wir fordern daher auch unentwegt die seit der Kreisky-Ära versprochenen „begleitenden Maßnahmen“ ein, die Abtreibungen verhindern und das „Ja“ zum Kind erleichtern sollten.
Die Verharmlosung des Schwangerschaftsabbruchs in der öffentlichen Debatte befreit keineswegs die betroffenen Frauen von der psychischen Last, vielmehr wird vielen Frauen erst im nachhinein schmerzhaft bewußt, worauf sie sich eingelassen haben. Es ist hoch an der Zeit, diese unmenschliche Kultur des Todes zu überwinden und alternative Auswege zu öffnen. Angesichts der katastrophalen Demographie-Entwicklungen in Europa sowie der unverantwortlichen Zuwanderungspolitik ist es bereits „fünf nach zwölf“, unser Volk sowie alle europäischen Völker zu retten. „Ja zum Leben“ muß daher wieder gesellschaftspolitischer Grundsatz sein!

Aber eine Gesetzesänderung strebt die FPÖ nicht an?

H.-C. Strache: Was es braucht, ist eine Änderung des Bewußtseins in Richtung „Ja zum Leben“ und Rahmenbedingungen, die Frauen diesen positiven Weg wählen lassen. Hier sind auch viele Gesetzesänderungen notwendig, wie etwa die angesprochene steuerliche Besserstellung der Familien oder Verbesserungen im Adoptionsbereich.
Abtreibungsverbote und Strafen für Frauen lösen das Problem allerdings nicht, sondern verschieben es nur in die Illegalität. Um Verbote überflüssig zu machen, muß ein von Natur aus selbstverständliches, der Spaßgesellschaft aber leider abhanden gekommenes Bewußtsein für den Wert des Kindes, den Wert des Lebens geschaffen werden. 60.000 jährliche Abtreibungen stehen in Österreich einer Netto-Zuwanderung von 50.000, zu einem Gutteil kulturfremde Menschen, gegenüber. Die Abtreibung muß demnach als Fundament eines seit Jahren laufenden Bevölkerungsaustausches betrachtet werden. Die Rechnung ist ganz einfach: Wollen wir bleiben, wer wir sind, wollen wir als homogene Gemeinschaft überleben, müssen wir dem Respekt vor dem Leben wieder jenen Stellenwert einräumen, der ihm gebührt. Andernfalls wird zwar unsere Bevölkerungszahl steigen, wir Österreicher aber werden in wenigen Jahrzehnten auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. Dieses Szenario kann nicht das Ziel verantwortungsbewußter Familien-, Sozial- und Heimatpolitik sein.

Wir werden darin übereinstimmen, daß es für einen demokratischen Staat inakzeptabel ist, wenn so gravierende Änderungen wie die der Einführung einer EU-Verfassung ohne Volksentscheid von der politischen Kaste durchgedrückt werden. Doch davon abgesehen: Lang ging das Ringen um einen Gottesbezug in der Verfassung der EU.
Wie ist Ihre Haltung bzw. die Haltung der heutigen FPÖ zum Thema Gottesbezug in der Verfassung? Wäre ein Bezug auf den Gott des Christentums in einem europäischen Verfassungsdokument oder auch nur in der Verfassung eines europäischen Nationalstaates wie Österreich prinzipiell sinnvoll?

H.-C. Strache: Aus voller Überzeugung sind wir gegen eine zentralistische EU-Verfassung, die den Völkern Europas ihr Selbstbestimmungsrecht raubt und die EU zu einem Bundesstaat anstatt eines Staatenbundes umfunktionieren will. Wir lehnen es mit Nachdruck ab, daß aus Europa ein Zentralstaat entwickelt wird, der zum Ziel hat, den europäischen Einheitskonsumenten herbeizuführen, der auf dem Altar der Industrie-Interessen geopfert wird. Die Nationen brauchen ihre Eigenständigkeit, die Völker und ihre Parlamente das Recht, ihre Angelegenheit weitestgehend souverän bestimmen zu können. Österreich soll auch in Zukunft seine staatliche Souveränität und Neutralität, ähnlich dem Vorbild Schweiz, bewahren und sichern. Das Recht geht vom Volk aus. Und nur das österreichische Bundesvolk kann in einer österreichischen Volksabstimmung eine allfällige Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung beschließen. Dieses Verfassungsrecht versucht die aktuelle Bundesregierung uns Österreichern staats- und demokratiewidrig zu verweigern. Der aktuelle EU-Reformvertrag bedeutet laut dem renommierten deutschen Verfassungsrechtler Prof. Dr. Schachtschneider jedoch eine Gesamtänderung unserer österreichischen Bundesverfassung in Richtung EU-Bundesverfassung. Diese lehnen wir eben entschieden ab. Faktum ist auch, daß Europa durch die Antike, das Christentum und die Aufklärung geprägt wurde. Genau diese Prägung mit der darin zum Ausdruck kommenden Würde des Menschen ist es nämlich, was man durchaus als europäischen Geist bezeichnen könnte. Gerade in Zeiten der drohenden und zunehmenden Islamisierung halte ich eine solche Feststellung für besonders wichtig. Die FPÖ wird sich unter meiner Obmannschaft nicht an der heute salonfähigen linken Hetze gegen Kirche und Christentum beteiligen, sondern dieser entschieden entgegentreten. Kritik an einzelnen Kirchenvertretern muß jedoch möglich sein, da sich manche leider von der aktuellen Political Correctness treiben lassen. Persönlich möchte ich anmerken, daß die Begegnung mit dem Heiligen Vater bei seinem Besuch in Österreich einen der großartigsten Momente meines Lebens darstellte.

Was wäre Österreich heute ohne das Haus Habsburg? Wien hätte vielleicht die Größe und kulturelle Bedeutung von Braunschweig, Schwerin oder Stuttgart. In der Vergangenheit hat sich die FPÖ an Seiten der Sozialisten gerne am Habsburg-Kannibalismus beteiligt. Dies wurde in den letzten Jahrzehnten anders. Jörg Haider hat an den Begräbnisfeierlichkeiten für Kaiserin Zita teilgenommen und die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer sprach Otto von Habsburg anläßlich seines 90. Geburtstags immer wieder als „Kaiserliche Hoheit“ an – was ihr prompt heftige Angriffe seitens der roten Reichshälfte einbrachte. Welche Haltung nimmt die FPÖ unter Ihrer Führung zum ehemaligen österreichischen Herrscherhaus ein?

H.-C. Strache: Einen wie auch immer gearteten „Habsburg-Kannibalismus“ konnte und kann ich in der FPÖ heute nicht feststellen, dieser Vorwurf ist absurd. Das Haus Habsburg war über Jahrhunderte hindurch Träger der politischen Geschichte Österreichs und damit Weichensteller der Entwicklungen am ganzen Kontinent, ja über ihn hinaus. Seine kulturellen und geistigen Leistungen sind unbestritten, und nicht nur Österreich wäre ohne ihr Wirken um vieles ärmer. Ich habe selbst als Jugendlicher an den Begräbnisfeierlichkeiten für Kaiserin Zita teilgenommen.
Lang hat man den Eindruck gehabt, daß sich die Republik Österreich gewissermaßen als vom Himmel gefallenes Stück Land betrachtet und keinerlei Verantwortung aus ihrer Vergangenheit wahrnehmen möchte. Erst die blau-schwarze Regierung hat sich der alt­österreichischen volksdeutschen Minderheiten in den ehemaligen Ländern der k. u. k.-Monarchie angenommen. Zeitlich etwas früher lag das Eintreten von Außenminister Mock für die Unabhängigkeitsbestrebungen von Slowenien und Kroatien, die weltweit auch als Ausdruck einer historischen Verbundenheit mit diesen Ländern gewertet wurden. Wie steht die FPÖ zu einem EU-Beitritt von Kroatien und welche Haltung nimmt sie gegenüber anderen europäischen Ländern ein, nicht zuletzt der Ukraine und Rußland?
H.-C. Strache: Kroatien sollte unserer Auffassung nach Mitglied der Europäischen Union sein können, vorausgesetzt natürlich, Kroatien will dies selbst und schreckt nicht aufgrund der immer mehr um sich greifenden undemokratischen, zentralistischen und bundesstaatlichen Entwicklungen in der EU vor diesem Schritt zurück. Danach sollte es aber einen absoluten Erweiterungsstop für längere Zeit geben, was natürlich nicht ausschließt, daß man das Verhältnis zur Ukraine und anderen europäischen Ländern vertiefen kann und soll. Einen EU-Beitritt der Türkei lehnt die FPÖ entschieden ab, denn dies würde das Ende Europas und den Startschuß für eine euro-asiatische Union bedeuten, wenn wir Länder als Mitglieder aufnehmen, welche weder geographisch noch kulturell, noch historisch etwas mit Europa zu tun haben. Nicht-europäische Länder haben als Mitglieder in einer Europäischen Union grundsätzlich nichts verloren. Wir fordern daher auch eine unverzügliche Volksabstimmung über dieses Thema in Österreich.
Europa ist ohne Rußland auf Dauer nicht denkbar. Es muß daher das Ziel sein, unsere Freundschaft und Zusammenarbeit mit Rußland weiter auszubauen und zu vertiefen, den Frieden in Europa zu sichern und Demokratie, Wirtschaft und soziale Sicherheit gemeinsam mit Rußland zu stärken. Auch Europas kulturelle Entwicklung ist maßgeblich mit der russischen Kultur verknüpft. Auch die wirtschaftlichen Kontakte zwischen Rußland und Österreich sind für beide Länder befruchtend und äußerst positiv.
Ich habe auch absolutes Verständnis für die von Präsident Wladimir Putin artikulierte Besorgnis über die nicht nachvollziehbare Stationierung von weiteren USA-Raketen, die jederzeit mit nuklearen Sprengköpfen zu versehen sind, in Polen und Tschechien. Dem Frieden in Europa ist ein neues Wettrüsten bzw. eine Entwicklung in Richtung „Kalter Krieg“ sicher nicht dienlich.

Ein Schwenk zur Innenpolitik: In Kärnten versucht der Vorsitzende des Kärntner Heimatdienstes Josef Feldner gemeinsam mit dem FPÖ-Europa-Abgeordneten Andreas Mölzer einen neuen Kurs der Versöhnung mit der slowenischen Volksgruppe zu gehen, während sich die regionale FPÖ ein Radikalismus-Duell mit Jörg Haiders BZÖ hinsichtlich einer Ablehnung jeglicher Kompromißvorschläge liefert. Wie ist Ihre Haltung als Bundesparteiobmann der FPÖ zu dieser Minderheitenfrage?

H.-C. Strache: In der FPÖ gibt es keine verschiedenen Meinungen zu diesem Thema. Wir verlangen eine Minderheitenfeststellung bzw. eine echte Volksgruppenerhebung in Kärnten. Die letzte stammt aus dem Jahr 1976. Wegen des vorangegangenen Boykottaufrufes der Slowenenverbände haben damals alle im Landtag vertretenen politischen Parteien den zu diesen Ergebnissen beschlossenen „Feinbestimmungen“ zugestimmt, und zwar wurden in den „Ortstafelgemeinden“ alle ungültigen Angaben sowie der 13,7 % übersteigende Nichtwähleranteil der slowenischen Volksgruppe zugezählt. Nur so war es möglich, den im Volksgruppengesetz für eine Ortstafelregelung erforderlichen Mindestprozentsatz von 25 % für die in der „Ortstafel-VO“ genannten Gemeinden zu erreichen. Ohne Anwendung dieser äußerst minderheitenfreundlichen Feinbestimmungen Kärntens wäre wohl nur in ganz wenigen Gemeinden der 25-%-Anteil erreicht worden. Daher bedarf es endlich einer Volksgruppen- und Minderheitenfeststellung, diesmal allerdings auf seriöser Basis. Das ist in ganz Europa so üblich, nur bei den Kärntner Slowenen wehrt man sich aus unerfindlichen Gründen dagegen. Eine Minderheitenfeststellung soll außerdem nicht nur den Sprachgebrauch feststellen, sondern vor allem auch ein freies Bekenntnis zum Volkstum beinhalten, wie es etwa in Südtirol der Fall ist. Umgekehrt muß aber endlich auch gesichert sein, die Rechte der deutschen Minderheit in Slowenien entsprechend zu garantieren.

Die von Ihrem Europa-Abgeordneten Andreas Mölzer eingefädelte EU-Fraktion ITS ist nun nach wenigen Monaten des Bestandes wieder gescheitert. Wenn schon Vorbehalte der italienischen Abgeordneten Alessandra Mussolini gegen zuwandernde Rumänen einen solchen Fraktionsbruch hervorrufen können, ist dann überhaupt eine Zusammenarbeit verschiedener Rechtsparteien auf europäischer Grundlage denkbar? Andreas Mölzer wurde ja heftiger Kritik ausgesetzt, als er, um dieses Fraktionsbündnis zu ermöglichen, seine Bereitschaft erklärte, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs vorbehaltlos zu akzeptieren – was natürlich sofort auch auf die Vertreibung der Deutschen bezogen wurde. Selbst wenn hier niemand von Grenzverschiebungen spricht, geht es doch um die Frage der individuellen Menschenrechte, des Rechtes auf Heimat nämlich: Kann eine deutsch empfindende nationale Rechtspartei auf das Recht auf Heimat, etwa der Sudetendeutschen oder Ostpreußen verzichten, um mit tschechischen oder polnischen Rechtsparteien ein Einvernehmen herzustellen? Oder, anders gefragt: Ist der Kampf der Europäer gegen die Einwanderung nichteuropäischer Völker so vordringlich, daß sämtliche innereuropäischen Konflikte seitens der patriotischen Kräfte zurückgestellt werden müssen? Und: Wenn die patriotischen Kräfte Europas gegen eine Einwanderung von außen kooperieren, müßte dann nicht Zuwanderung aus Afrika und Asien anders als innereuropäische Migration bewertet werden?

H.-C. Strache: Andreas Mölzer hat die Vertreibung der Deutschen und deren Auswirkungen in keiner wie immer gearteten Weise akzeptiert, sondern sich publizistisch und auch im Europäischen Parlament oft, klar und eindeutig zu dieser Frage geäußert. Ich merke an, daß ich selbst einer sudetendeutschen Vertriebenenfamilie entstamme und die Wahrung der Rechte von Heimatvertriebenen zum Herzstück meiner Politik gehört. Enteignung, Vertreibung und ein gezielter Genozid an der deutschen Volksgruppe kann und darf nicht verjähren. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht abgeschlossen. Auch sind die völker- und menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen endlich zu beseitigen.
Zum anderen bedeutet die Bildung einer Fraktion aus mehreren unterschiedlichen Parteien nicht, dass man die Haltung jeder einzelnen dieser Parteien zu hundert Prozent akzeptiert, sondern das Gemeinsame vor das Trennende stellt. Ein Bündnis der patriotischen Parteien Europas stellt daher nicht das Recht auf Heimat der vertriebenen deutschen Volksgruppen in Frage. Ganz im Gegenteil kann ein solches Bündnis auch dazu führen, daß es uns in anderen Ländern in Zukunft leichter fällt, die Interessen unserer deutschen Volksgruppe zu vertreten.
Hinsichtlich der vielfältigen Migrationsströme, vor allem von außerhalb Europas, nach Europa, ist die FPÖ grundsätzlich für einen Zuwanderungsstop. Die Erfahrung hat auch gezeigt, daß gerade Personen aus nichteuropäischen, also beispielsweise islamisch geprägten Kulturkreisen in der Regel kaum integrationsfähig bzw. -willig sind, anders als Zuwanderer aus europäischen Ländern. Europa und Österreich sind geprägt von Christentum und Aufklärung. Daher nehmen wir auch deutlich Stellung etwa gegen den Bau von Minaretten in unserem Land und wollen eine drohende Islamisierung abwenden.


Noch in den 60er- und 70er-Jahren war die FPÖ eine Honoratioren-Partei. Ihre Mandatsträger und Wähler entstammten zu weiten Teilen dem Spektrum der Freiberufler und insbesondere den höher Gebildeten und Besser­verdienenden. Dies hat sich unter Jörg Haider massiv gewandelt: Mit rechtspopulistischen Positionen wurden breite Wählerschichten angesprochen. Gleichzeitig wurde aber die inhaltliche Arbeit vernachlässigt. Nicht nur Wähler sondern auch Funktionäre strömten der FPÖ zu, die von ihr nicht mehr aufgefangen und politisch gelenkt wurden. Nach all den innerparteilichen Konflikten und der letztlichen Parteispaltung ist nun der Eindruck entstanden, daß dieser Kurs einer rechtspopulistischen Partei ohne echte Programmarbeit fortgesetzt wird. Die Wahlplakate der FPÖ mit Slogans wie „Daham statt Islam“ stoßen bürgerliche Schichten eher ab. Sogar in Kreisen korporierter Akademiker wird darüber nur gewitzelt. Welche Wählerschichten will die FPÖ in Zukunft ansprechen?

H.-C. Strache: Der Umstand, daß sich die FPÖ als soziale Heimatpartei breiteren Bevölkerungsschichten geöffnet hat, ist nichts Negatives. Sie selbst haben in Ihrer ersten Frage ja beispielhaft auf die katholischen Wählerschichten verwiesen. Eine solche Öffnung darf aber natürlich nicht bedeuten, daß man seine Grundsätze über Bord wirft und die Beliebigkeit zum Handlungsprinzip erhebt, wie es unter Jörg Haider letztlich leider geschehen ist.
Gerade aus diesen negativen Erfahrungen heraus wird auf die Programmarbeit unter meiner Obmannschaft besonderes Augenmerk gelegt. Wir werden daher im Jahr 2008 einen Programmparteitag abhalten, bei dem ein grundsätzlich tiefergehendes Parteiprogramm beschlossen werden soll, welches derzeit intensiv erarbeitet wird. Niemand braucht sich darum Sorgen zu machen, daß in diesem Programm unsere freiheitlichen Grundwerte nicht mehr vertreten sein würden, denn das Gegenteil wird der Fall sein: Zurück zu unseren national-freiheitlichen Wurzeln. Diese werden deutlicher herausgearbeitet und vertieft. Genau das bedeutet aber, daß wir auf Basis dieser Werte konkrete Antworten auf die grundlegenden Fragen und Probleme des 21. Jahrhunderts geben müssen. Die Vorbereitungsarbeiten sind jedenfalls voll im Gang.
Was den Slogan „Daham statt Islam“ betrifft, so muß natürlich klar sein, daß Wahlslogans stets eine verkürzte Zuspitzung bedeuten und ihr Hauptziel darin besteht, die Menschen auf die wahlwerbende Gruppe und deren Ziele aufmerksam zu machen. Werbesprüche sind naturgemäß plakativ. Das soll eine inhaltlich fundierte Diskussion nicht ersetzen, sondern vielmehr dazu anregen. In unseren Aussagen, dem Wahlprogramm, den Broschüren und anderen Publikationen werden die Themen unserer Werbesprüche deshalb selbstverständlich erläutert und vertieft.
Prinzipiell will die FPÖ alle Menschen ansprechen, die die Identität ihrer Heimat und ihrer Kultur erhalten wollen, die sich eine Gesellschaft wünschen, in der sich das Bekenntnis zur Förderung und Belohnung von Leistungsbereitschaft und der Gedanke einer sozialen Absicherung für jene, die unverschuldet in Not geraten, nicht widersprechen, und die für die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes eintreten. Diese Grundsätze finden seit meiner Bundesobmannschaft durch Wiederbelebung dieser Kernbereiche großen Zuspruch in allen Gesellschaftsschichten. In nur zweieinhalb Jahren liegt die FPÖ von einer Ausgangsbasis von 2 bis 3 Prozent in den Umfragen bei mittlerweile 11 Prozent durch die letzte Nationalratswahl 2006 und ist seitdem weiterhin eine steigende Aktie, bei derzeit rund 15 Prozent laut aktuellen Umfragen. Dies bestätigt das große Vertrauen in unseren Weg sowie die Richtigkeit unserer Grundsätze und Kernthemen.
Mein oberstes Ziel und meine vornehmste Pflicht ist es jedenfalls, die kulturelle Identität unseres abendländisch geprägten Heimatlandes zu erhalten und für unsere Kinder und Kindeskinder abzusichern.

Zu Beginn des Aufbruchs der FPÖ unter Jörg Haider veranstaltete die Freie Akademie Podiumsdiskussionen und Symposien, an denen hervorragende Denker nicht nur des eigenen Lagers teilnahmen. Für eine kurze Zeit war die FPÖ tatsächlich führend in der intellektuellen Auseinandersetzung mit den drängendsten Zeitfragen geworden – wenngleich dies die Kräfte der organisierten Linken niemals zugestehen wollten. Dann wurde diese inhaltliche Arbeit jedoch eingestellt und im Halbjahresrhythmus wechselnde Schlagworte wie Flat Tax oder Vertrag mit Österreich dominierten die politische Arbeit – Schlagworte, hinter denen keinerlei Konzept stand und die nur in die Arena geworfen wurden, um kurzzeitig publizistische Aufmerksamkeit zu erzielen. Eine echte Vorbereitung auf die mögliche Übernahme der Regierungsverantwortung fand jedenfalls nicht mehr statt. Wird die FPÖ unter Ihnen zu einer solchen inhaltlich fundierten Oppositionsrolle zurückfinden und wieder tiefgründige Programmarbeit etablieren – was vielleicht den Weg kurzfristiger Stimmenmaximierung beeinträchtigt – oder versteht sie sich in erster Linie als rechtspopulistische Oppositionspartei, der eine inhaltliche Festlegung in vielen Bereichen vielleicht hinsichtlich des Wahlerfolgs gar nicht frommt?

H.-C. Strache: Tatsache ist, daß die FPÖ unter Jörg Haider in Beliebigkeit abgeglitten war, während andere Personen wie etwa Ewald Stadler die Partei zur Durchsetzung ihrer eigenen, mit freiheitlichen Grundwerten nicht mehr vereinbaren Weltanschauung instrumentalisieren wollten. Dieser Entwicklung mußte und konnte letztlich auch gegengesteuert werden.
Ich habe weiters schon in der Beantwortung Ihrer Fragen darauf verwiesen, daß derzeit unser Parteiprogramm überarbeitet wird. Der Umstand, daß diese Arbeit erst nach der Sicherstellung des Überlebens unserer Partei nach dem schwarz-orangen Zerstörungsversuch ihre volle Breite entfalten kann, muß jedem klar sein.
Auch das neu gegründete Freiheitliche Bildungsinstitut hat seine Arbeit mit voller Kraft und inhaltlicher Tiefe aufgenommen, da die Freiheitliche Akademie in den letzten Jahren leider nicht für freiheitlich-programmatischen Tiefgang genutzt wurde. Beispielsweise wurde vor kurzem ein Symposion zum Thema „Der semantische Betrug – Die Sprache der Linken und die von der Frankfurter Schule eingeleitete Begriffswandlung“ mit prominenten Vortragenden wie etwa Professor Rabehl und Dr. Rainer Röhl abgehalten. Diese Arbeit wird in Zukunft weiter intensiviert. Im sachpolitischen Bereich leistet vor allem auch der Freiheitliche Parlamentsklub hervorragende Arbeit. Inhaltlich und programmatisch steht die FPÖ daher heute geschlossener und besser als in der Vergangenheit da, da die Partei nunmehr an einem Strang zieht und es beim grundsätzlichen Kurs keinerlei Kompromisse mehr gibt. Faktum ist weiters: Eine Regierungsbeteiligung zum Selbstzweck wird es unter meiner Obmannschaft niemals geben. Mir geht es um die Durchsetzung unserer politischen Kernbereiche zum Erhalt unserer Heimat und nicht wie anderen um Ministersessel zwecks Befriedigung der persönlichen Eitelkeit.

Sie haben gesagt, die FPÖ würde unter Ihrer Obmannschaft zu ihren national-freiheitlichen Wurzeln zurückkehren und betont, der politische Kurs Ewald Stadlers sei mit den Prinzipien der FPÖ nicht mehr vereinbar gewesen. Daher frage ich nochmals konkret nach: Wird der Begriff des „Wehrhaften Christentums“ aus dem Programm der FPÖ wieder verschwinden? Das national-freiheitliche Lager war ja früher – in einer freilich ganz anderen politisch-gesellschaftlichen Lage – antiklerikal ausgerichtet.

H.-C. Strache: Die große geistige Errungenschaft unserer christlich abendländischen Tradition ist das dialektisch zu denkende Verhältnis, daß in der Freiheit, sich für Gott zu entscheiden, immer auch die Freiheit von Gott mitangelegt ist. Mit anderen Worten: Der Wert des Menschen als Individuum, als Persönlichkeit, ist die zentrale Errungenschaft einer Tradition, in der das Menschenbild des Christentums ja eine Bewegung wie die Aufklärung zu allererst möglich gemacht hat. Beides ist untrennbar voneinander. Die FPÖ hat die Wehrhaftigkeit im Sinne der christlich-abendländischen Tradition noch niemals in ihrer politischen Arbeit so sehr mit Leben erfüllt, wie das jetzt der Fall ist. Diese Wehrhaftigkeit steht nicht im Gegensatz zu unserem klaren Bekenntnis zu einer Trennung von Staat von Kirche. Sie ist vielmehr auch Ausdruck davon. Ob einzelne Begrifflichkeiten in der derzeitigen Form erhalten bleiben, wird die Programmdiskussion ergeben. Entscheidend ist der Geist und nicht der Buchstabe. Der wehrhafte Einsatz für unsere Heimat, für das europäische Abendland, wird aber in jedem Fall wesentlicher Bestandteil unseres Programms bleiben.

 
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