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Aufregung statt Aufklärung – Eva Herman und die NS-Familienpolitik

Von Petra Wernicke

Der Fall Eva Herman hat es einmal mehr gezeigt: Die Faszination, die das Dritte Reich teilweise noch immer auslöst, wurzelt nicht zuletzt in der Hysterie und Unglaubwürdigkeit seiner „Bewältigung“. Auch jungen Menschen ist nicht entgangen, daß Hitler zu seiner Zeit ein Politiker war, dem eine große Mehrheit der Deutschen mit Enthusiasmus folgte. Die Bilder jubelnder Massen haben sich nicht auslöschen lassen. Sie führen unweigerlich zu der Frage nach den Motiven jener Begeisterung. Propagandawirkung allein kann es nicht gewesen sein. Schließlich waren die damals Lebenden auch nicht dümmer als heutige Generationen; es muß – neben Irrtümern und Fehleinschätzungen – nachvollziehbare Sachgründe gegeben haben. Erst sie machen den Nationalsozialismus erklärlich.
Heute aber betreibt eine „gleichgeschaltete Presse“ (Herman) vor allem NS-Dämonisierung. Es wird weder abgewogen noch differenziert. Alles war nur noch Verbrechen. Man muß den Eindruck gewinnen, Eltern oder Großeltern seien völlig von Sinnen gewesen. Wer daran zweifelt, wird selber unter NS-Verdacht gestellt. Sogar ein harmloser Hinweis auf den Autobahnbau gilt bereits als unheilbarer Fauxpas (TV-Moderator Johannes Baptist Kerner zu Eva Herman: „Autobahn geht nicht!“). Aufregung statt Aufklärung. Ungeniert fällt man hinter einfachstes Wissen zurück. Hermans eher läppischer Hinweis auf die nun wirklich nicht zu bestreitende Tatsache, dass es auch vor 1945 „Mütter und Kinder, Zusammenhalt und Werte“ gegeben habe, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Dabei hätte Herman ihre zaghaften und ohne jede revisionistische Absicht vorgetragenen Andeutungen mit absolut unverdächtigen Historiker-Stimmen zur NS-Familien- und Sozialpolitik untermauern können.
Frauen unterm Hakenkreuz
Wolfgang Schneider in seinem Buch „Frauen unterm Hakenkreuz“, Hoffmann-und-Campe-Verlag, Hamburg 2001:
„Lange Zeit dominierte das Pauschalurteil, das Dritte Reich habe die Frauen völlig entrechtet, versklavt und zu Gebärmaschinen degradiert. Historische Genauigkeit und eine differenzierte Betrachtungsweise ergeben allerdings ein deutlich anderes Bild. So gab es, abgesehen von anfänglichen, meist vorübergehenden Bestrebungen, in Anbetracht hoher Arbeitslosenzahlen die weibliche Berufstätigkeit zugunsten der Männer einzuschränken, keinerlei grundsätzliche Verfügungen, das ,zweite Geschlecht‘ nur um seiner selbst willen zu benachteiligen. Vielmehr galten bis zum Ende des Krieges weitreichende Mutter- und Arbeitsschutzbestimmungen, die im Ersten Weltkrieg undenkbar gewesen wären.“
Professor Dr. Götz Aly in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“, S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2005:
„Für die Mehrzahl der jungen Deutschen bedeutete der Nationalsozialismus nicht Diktatur, Redeverbot und Unterdrückung, sondern Freiheit und Abenteuer … Von Anfang an förderte der NS-Staat die Familien …, schützte Bauern vor den Unwägbarkeiten des Weltmarkts und des Wetters. Die Grundlagen der EU-Agrarordnung, das Ehegattensplitting, die Straßenverkehrsordnung, die obligatorische Haftpflichtversicherung für Autos, das Kindergeld, die Steuerklassen oder auch die Grundlagen des Naturschutzes stammen aus jenen Jahren. Nationalsozialistische Sozialpolitiker entwickelten die Konturen des seit 1957 in der Bundesrepublik selbstverständlichen Rentenkonzepts, in dem alt und arm nicht länger gleichbedeutend sein sollten … Die breitenwirksame Sozial- und Steuerpolitik entlastete die Familien, das Einkommensteuergesetz vom Oktober 1934 erhöhte den steuerfreien Grundbetrag erheblich, verschaffte also den Geringverdienenden einen Vorteil … Zu dem aus bevölkerungspolitischen Gründen eingeführten Familienlastenausgleich gehörten zudem Ehestandsdarlehen, Einrichtungszuschüsse, Ausbildungsbeihilfen und Kindergeld.“
Breitgefächerte Sozialleistungen
Professor Joachim Fest in seinem Buch „Hitler“, Propyläen-Verlag, Frankfurt am Main 1973:
„Das unlängst noch darniederliegende Land, das in seiner ausweglos scheinenden nationalen und sozialen Misere alle Krisen und Missstände der Zeit zu vereinen schien, sah sich plötzlich als Beispiel bewundert … Delegationen aus allen Teilen der Welt kamen gereist und studierten die deutschen Maßnahmen zum wirtschaftlichen Wiederaufschwung, zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit oder das breitgefächerte System der Sozialleistungen: die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die subventionierten Betriebskantinen und Wohnungen, die Einrichtung von Sportplätzen, Parks, Kindergärten, die Betriebswettbewerbe, die Berufswettkämpfe oder die KdF-Flotte und die Arbeitserholungsstätten.“
Remigrant Sebastian Haffner in seinem Buch „Anmerkungen zu Hitler“, Kindler Verlag, München 1978:
„Die durch den Augenschein Hitlerscher Leistungen Bekehrten oder Halbbekehrten wurden im allgemeinen keine Nationalsozialisten; aber sie wurden Hitleranhänger, Führergläubige. Und das waren auf den Höhepunkten der allgemeinen Führergläubigkeit wohl sicher mehr als neunzig Prozent aller Deutschen. Eine ungeheure Leistung, so fast das ganze Volk hinter sich zu vereinigen, und in weniger als zehn Jahren vollbracht! Und vollbracht, im wesentlichen, nicht durch Demagogie, sondern – durch Leistung.“
Ein Mehr an Emanzipation
„Spiegel“-Historiker Heinz Höhne in seinem Buch „,Gebt mir vier Jahre Zeit‘/ Hitler und die Anfänge des Dritten Reiches“, Ullstein-Verlag, Berlin 1996:
„Kein Zweifel mehr: Der Nationalsozialismus war ein Teil des Modernisierungsprozesses der deutschen Gesellschaft. Er beschleunigte den sozialen Wandel in Deutschland. Er brachte unterprivilegierten Bevölkerungsschichten, auch den Frauen, ein Mehr an Chancengleichheit und Emanzipation.“
Eine am 11. Mai 2006 erschienene Studie (DB Research 352) unter der Regie von Professor Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank:
„Der in Deutschland zu Beginn der dreißiger Jahre erfolgte Geburtenanstieg ist wohl auf die im Dritten Reich verfolgte Familienförderung zurückzuführen … Die zinslosen Ehestandsdarlehen … betrugen zwischen 500 und 1.000 Reichsmark, was angesichts eines durchschnittlichen Nettojahreseinkommens von rund 1.300 Reichsmark einen erheblichen Anreiz darstellte. Das Ehestandsdarlehen wurde zudem für jedes Kind um ein Viertel des Gesamtbetrags erlassen … bis 1936 nahmen nach offiziellen NS-Angaben etwa 700.000 Paare Ehestandsdarlehen in Anspruch. Die Darlehen summierten sich bis 1936 auf knapp 500 Millionen Reichsmark.“
Keine der hier zitierten Stimmen – sie ließen sich hundertfach erweitern – steht im Verdacht revisionistischer oder gar NS-apologetischer Absichten. Es geht schlicht darum, die damals vorhandene Anziehungskraft des Nationalsozialismus tatsachengestützt zu erklären. Doch viele Kommentatoren, die sich zum Fall Eva Herman geäußert haben, scheinen von der einschlägigen Fachliteratur unbeleckt zu sein.
Der Wissensmangel wird durch schnoddrige Arroganz ausgeglichen: Eva Herman habe sich „ins Abseits gelabert“, befindet die „Süddeutsche Zeitung“. Und eine jugendlich-naive Provinzjournalistin im „Coburger Tageblatt“ plappert nach: „Mittlerweile sollte auch Herman wissen, daß der Nationalsozialismus Frauen als Gebärmaschinen für seine perverse Politik mißbraucht hat – und ihnen eine freie Berufswahl verweigert hat.“ So liest man es landauf, landab. In verdächtig gleicher Wortwahl.
Ungewollte Steilvorlagen
Den Vogel schoß aber wohl der ultralinke Berliner Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann in der Kerner-Talkshow ab. Nicht nur, daß er die im Dritten Reich sozial geförderten Mütter mit Zuchtvieh verglich und die absurde Behauptung aufstellte, sie seien von einer Berufstätigkeit ausgeschlossen gewesen. Wippermann fügte außerdem an Hermans Adresse oberlehrerhaft hinzu: „Moderatorinnen gab es im Dritten Reich jedenfalls nicht. Das können Sie doch nicht gut finden.“ Nein, aber irgend jemand sollte den Herrn Professor einmal darüber aufklären, daß das Fernsehen damals noch in den Kinderschuhen steckte und nichts ausstrahlte, was einer Moderation bedurft hätte. Quasselrunden à la Kerner lagen noch in weiter Ferne.
Ansonsten aber waren Frauen im Unterhaltungssektor und als Journalistinnen durchaus aktiv, sie eroberten sich im Dritten Reich Berufsfelder, die vor 1933 als Männerdomänen galten. Wer das zu bestreiten versucht, macht sich einfach nur lächerlich – und liefert darüber hinaus Steilvorlagen für jenen „Revisionismus“, den zu verhindern man angetreten ist. Denn jede nachweisliche Lüge stärkt den Verdacht, daß man es auch an anderer Stelle mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

Anlaß für diesen Beitrag war der Auftritt der TV-Moderatorin und Buchautorin Eva Herman in der Johannes B. Kerner Talkshow am 9. Oktober 2007. Herman, politisch eher unbedarft und williges Mitglied im „Kampf gegen Rechts“, hatte mit ihrer Äußerung, die Werte der Familie seien im Nationalsozialismus im Unterschied zu heute hochgehalten worden – die NO berichtete – heftigen Widerspruch eingefahren. In der Sendung versuchte sie sich mit dem Hinweis zu verteidigen, wenn man darüber nicht mehr reden könne, dürfe man über den Autobahnbau unter Hitler auch nicht mehr sprechen und stellte wörtlich fest: „Ich muß einfach lernen, daß man über den Verlauf unserer Geschichte nicht reden kann, ohne in Gefahr zu geraten.“ Daraufhin kündigte Senta Berger unterstützt von Margarete Schreinemarkers empört ihren Abgang an, dem der Moderator durch den Hinauswurf Eva Hermans aus der laufenden Sendung zuvorkam. Die FAZ schrieb dazu: „Damit war leichte Beute erlegt. … jetzt ist Herman zur Märtyrerin all jener geworden, die überzeugt sind, daß es in diesem Land kein Recht auf freie Rede gäbe.“

Mit freundlicher Genehmigung aus: Nation & Europa 11–12/2007


 
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