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Jugendgewalt: Was sollen wir tun?

Von Wolfgang Dvorak-Stocker

Es geschah aus nichtigstem Anlaß: Plötzlich sind vier 19jährige Wiener von rund 15 jungen Migranten umringt, werden attackiert, einer von ihnen zu Boden geschlagen. Tatort: Wiener Ringstraße, ca. 2 Uhr morgens. Die immer noch zahlreichen Autofahrer halten nicht, fahren hupend im Bogen um den Schwerverletzten, auf dessen Kopf die Angreifer nach wie vor eintreten. Die per Handtelefon verständigte Polizei kommt zwar nach wenigen Minuten, hält jedoch 50 Meter entfernt vom Tatort – die beiden Beamten wagen nicht den Wagen zu verlassen und die bereits flüchtigen Täter zu verfolgen.
Es war die „Wiener Zeitung“ vom 2. Februar 2008, die diesen Vorfall in einer großen Reportage geschildert hat – beispielhaft für 2396 Wiener Anzeigen wegen Körperverletzung gegen (meist „zugereiste“) Jugendliche allein im letzten Jahr. In der Regel werden solche Vorfälle von den Tageszeitungen mit wenigen Zeilen im Chronikteil abgehandelt und dabei der überwiegend vorhandene Migrationshintergrund der Täter bewußt verschwiegen. Dabei sind wir Österreicher dank Kronenzeitung diesbezüglich meist besser informiert als unsere deutschen Nachbarn. Doch seit einigen Monaten berichten auch bundesdeutsche Medien offener und häufiger über diese in erster Linie von jugendlichen Zuwanderern ausgehende Gewalt, die ebenso in Österreich zunehmend zum Thema wird. Wie aber sollen wir im Alltag damit umgehen?
Rückblende
Vor einigen Jahren war ich in Wien am Heimweg zu meinem Hotel. Irgendwo in der Innenstadt, irgendwann nach Mitternacht. Ich kam von einer kleinen Feier, war elegant, mit Mantel und Hut, angetan und wohl auch ein wenig illuminiert. Plötzlich kommen mir drei türkische Jugendliche auf der dunklen Straße entgegen, am anderen Gehsteig zwar, aber einer ruft ein paar Spottworte, die wohl gegen mich oder gegen meinen Hut zielten, über die Straße. Die Reaktion erfolgte spontan und ohne nachzudenken: Die Straße gequert, den drei Burschen den Weg vertreten und gefragt, was ihnen einfällt, mich anzupöbeln. Die Reaktion: Zwei der Burschen fassen ihren dritten, offenbar aggressiver gesonnenen Freund unter, entschuldigen sich bei mir und ziehen ab.
Ob ich heute, nach all den Medienberichten von der FAZ über die „Junge Freiheit“ bis zur „Wiener Zeitung“, ähnlich reagieren würde? Ob ich nicht vielmehr, den Kopf zwischen die Schultern gezogen und den Schritt beschleunigend, weitereilen würde? Wer läßt sich schon gerne für nichts und wieder nichts tot oder halbtot schlagen? Ist Konfliktvermeidung nicht der richtige Weg, wenn wir es mit so vielen offenbar unbegrenzt gewaltbereiten Jugendlichen zu tun haben?
Doch andererseits: In wie vielen Konfliktfällen kommt es tatsächlich zur enthemmten Gewaltorgie? In jedem dritten, jedem zehnten, jedem fünfzigsten? Sind es nicht gerade die mit eingezogenem Kopf davon eilenden Österreicher, die jugendliche Migranten zu noch aggressiverem Vorgehen ermutigen? Wie hat die New Yorker Polizei das Kriminalitätsproblem der Stadt in den Griff bekommen: Doch nur mit dem Prinzip der „zero tolerance“.
Jeder, der sich auch nur das kleinste Vergehen zu Schulden kommen ließ – das sprichwörtlich fallengelassene Kaugummipapier – wurde mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft. Und nur das, nur dieses Vorgehen der Null-Toleranz, das also schon bei kleinen und kleinsten Vergehen Sanktionen setzt, hat dazu geführt, daß New York heute wieder sicherer ist, als so manche europäische Großstadt. Daraus läßt sich ganz klar ableiten, daß Zurückweichen zu immer mehr und immer gesteigerter Gewaltkriminalität führen wird.
Nur entschiedenes Entgegentreten seitens der Polizei vor allem kann die Gewalt noch in den Griff bekommen. Aber auch die einzelnen Bürger sind gefragt, die Autofahrer auf der Wiener Ringstraße etwa, im oben genannten Beispiel. Ohne Zivilcourage wird es nicht gehen. Diese kann freilich auch gefährlich werden: Die FAZ vom 2. März verweist auf einen 23jährigen, der im Juni letzten Jahres erstochen worden war, nachdem er in einen Streit eingegriffen hatte, und meldet, daß allein an diesem ersten Märzwochenende in Berlin ein Fahrgast, der Frauen vor Belästigung schützen wollte, durch Tritte schwer verletzt wurde, und ein Busfahrer aus demselben Grund durch einen Messerstich. 3000 Fälle von Körperverletzungen gibt es bereits jährlich in den öffentlichen Verkehrsmitteln Berlins.
Die Frage nach der eigenen Zivilcourage bleibt daher unbeantwortet, bis zum nächsten Konfliktfall jedenfalls: Würde ich auch heute jugendlichen (vielleicht noch) harmlosen Frechdachsen entgegentreten oder ihnen vielmehr mit eingezogenem Kopf die Lehre vermitteln, daß wir Einheimischen ohne Sanktion und Gegenwehr beleidigbar sind?

 
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