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„Der Teufel, das sind Sie!“

Michael Klonovsky, Schriftsteller und „Focus“-Chef vom Dienst, im Interview mit der „Jungen Freiheit“

Hand aufs Herz, wie schlimm sind wir wirklich?
M. K.: Wenn Sie schon so fragen: Sie haben politisch gewissermaßen kein Herz, und das ist ein bißchen schlimm.
Moment, was meinen Sie denn damit?
M. K.: Sie sind analytisch, kalt und liebelos. Außerdem lache ich auch recht selten bei der Lektüre. Ansonsten ist Ihr Blatt ja, soweit ich das überschauen kann, geradezu exzessiv verfassungstreu, und man hat offenbar auch in Krauses bei Ihnen veröffentlichten Artikeln keinen denunzierbaren Satz gefunden. Insofern tun Sie mir fast ein bißchen leid. Der Fall Krause ist schließlich nur ein Unterkapitel des Falles „Junge Freiheit“.
Und was meinen Sie?
M. K.: Meiner Ansicht nach haben wir es mit einem ganz elementaren Prozeß kollektiver Identitätsfindung zu tun. „Gott ist widerlegt, der Teufel nicht“, steht auf einem Zettel im Nietzsche-Nachlaß. Wenn wir schon keinen Gott mehr haben, dann muß es wenigstens den Teufel geben. Und einer muß der Teufel sein. Diese Gesellschaft wird von nahezu nichts mehr zusammengehalten, sie braucht einen kleinsten gemeinsamen Nenner des zu Verabscheuenden, zu Bekämpfenden. Dafür steht der „Kampf gegen Rechts“ und letztlich die „Junge Freiheit“. Die tatsächlichen Rechtsextremen sind ja intellektuell viel zu unterbelichtet und auch nicht wirklich greifbar, aus einer Distanzierung von denen läßt sich sowenig Kapital schlagen wie aus der Verspottung Paris Hiltons. Ihr Pech besteht nun darin, daß Sie die Rolle des Teufels spielen müssen.
Des Teufels? Tragen Sie da nicht ein wenig zu dick auf?
Na ja, cum grano salis – und im Liliputanermaßstab dieser Republik. Sie sind politisch gefährlich, argumentieren logisch, führen zynisch die Wirklichkeit gegen die Verheißungen ins Feld, kennen den Optativ nicht, schließen wahrscheinlich andauernd heimlich Pakte mit Wankelmütigen, und Sie verstellen sich natürlich über Ihre wahren Absichten – wie der Teufel. Deswegen werden Sie auch nicht wirklich gelesen, sondern bloß überführt, und wer sich mit Ihnen einläßt, landet auf dem medialen Scheiterhaufen. Indem man sich gegen Ihre Zeitung engagiert, kann man auf der Tugendskala nach oben klettern, ohne das Geringste zu riskieren. Es wäre nicht menschlich, ein solches Angebot auszuschlagen.
Eine traurige Prognose.
M. K.: Nun, sehen Sie es positiv: Ihre Rolle ist wichtig. Der Feind stabilisiert die Gemeinschaft. Indem Sie den Feind verkörpert, leistet Ihre kleine Klitsche womöglich mehr für den Zusammenhalt der Republik als der Verfassungsschutz oder das thüringische Kultusministerium. Ohne Sie kein Ganzes. Natürlich kann man es auch ganz anders betrachten und das Verhältnis zu Ihrer Zeitung zum Lackmustest auf Demokratiefähigkeit deklarieren, und zwar in einem ganz anderen Sinne, als unsere Musterdemokraten es sich vorstellen. In seinem tiefsten Innern ist eben niemand Demokrat. [ … ] Es geht darum, sich auf die sichere Seite der Mehrheit zu schlagen. Menschen wollen sich aufgehoben fühlen. Ein paar Verrückte oder Idealisten fühlen sich auch als verfolgte oder wenigstens verpönte Minderheit wohl, aber die meisten sind im Schutz konformer Ansichten glücklicher. Das ist so demütigend simpel für den sich aufgeklärt wähnenden modernen Intellektuellen, daß er den Vorgang zivilreligiös aufpeppen muß. Nun würden diese Aufgeklärten natürlich behaupten, sie hätten die Lehren aus der Geschichte gezogen. Ich finde dagegen, eine der wichtigsten Lehren aus den NS-Jahren ist, daß man an konformistischen Veranstaltungen wie etwa dem sogenannten Aufstand der Anständigen eben nicht teilnimmt. „Der veraltete Konformismus ist das Ärgernis des herrschenden Konformismus“, hat Gómez Dávila die Sache auf den Punkt gebracht.

Aus: „Junge Freiheit“, 16. Mai 2008 

 
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