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Über dem Kopf auch noch blöd

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Täglich sind wir gezwungenermaßen Zeugen einer erbärmlichen Schmierenkomödie. Wir sind geneigt, uns zu zwicken, weil wir unseren Augen nicht trauen wollen. Und doch scheint das Dargebotene real. Schon in kurzer Zeit werden die Menschen genauso fassungslos den Kopf schütteln über verschiedene heute mehrheitsfähige Aussagen, wie wir dies über die extremsten Zeugnisse vergangenen Rassenwahns tun. Beobachter dieses Schmierentheaters, dieser allgegenwärtigen Verlogenheit, dieser Heuchelei und Doppelmoral zu werden, bereitet mir körperliche Beschwerden.

Da ist der jüngste „Liederbuchskandal“, dessen Aufdeckung sich die „Kronen Zeitung“ rühmt. Im Unterschied zum ersten „Liederbuchskandal“ vor bald zwei Jahren, über den ich mich eindeutig geäußert habe („Neue Ordnung“ I/18), ist dieser eine reine Luftnummer. So handelt es sich um kein offizielles Buch einer Burschenschaft, sondern um das Geschenk einer Einzelperson an Einzelpersonen. Außerdem wurden in dem Buch ordinäre Lieder von Goethe bis zu unserer Zeit ohne jede weitere Wertung oder Zensur versammelt. Schon von daher eignet sich es nicht dafür, skandalisiert zu werden. Aber auch inhaltlich nicht. Da gibt es Texte wie jenen, in dem sich eine „Dame“ den offiziellen Gruß des Dritten Reichs auf das A…loch tätowieren ließ. Im Klartext heißt das wohl: „Darauf geschissen!“ Wer damals ein solches Lied gesungen hätte, wäre auf Jahre in ein Lager gewandert. Für die „Krone“ aber stellt das Lied NS-Verherrlichung dar. Können „Krone“-Journalisten überhaupt noch sinnerfassend lesen? Oder halten sie nur ihre Leser für zu blöd dazu und glauben daher, sich jede Lüge und Manipulation – und sei sie noch so durchsichtig und primitiv – erlauben zu können? Wenn man sich eine Minute Zeit nimmt, um zu lesen, wie es die „Kronen Zeitung“ geschafft hat, einen Liedtext, in dem Rothschild erwähnt wird, entgegen der Absichten des Verfassers als antisemitisch erscheinen zu lassen (siehe Seite 8), dann kann man sicher sein: „Krone“-Journalisten sind durchaus nicht blöd, sie halten nur ihre Leser für dumm.

Dieser Fake-Skandal war nur der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe ähnlicher Fiktionen, wie es auch das „Rattengedicht“ war, das bloß, wer es nie gelesen hatte, für rassistisch halten konnte. Christian Schilcher, der Autor des Gedichts und damals sogar FPÖ-Vizebürgermeister von Braunau, hat genau 15 Rattengedichte im Laufe von mehr als sieben Jahren veröffentlicht, ohne daß dies jemals zu Aufregung oder Empörung geführt hätte. Die Ratte steht für ihn für ein intelligentes Tier, das über das Kanalsystem die ganze Gemeinde „heimsuchen“ und überall Beobachtungen machen kann, die es dann kritisch hinterfragt. Auch sich selbst und seine Familie hat der Autor in seinen Gedichten immer wieder als Ratten bezeichnet. Diese Information muß man haben, um zu wissen, daß Schilcher nicht bloß einen rethorischen Trick nutzte, um in einem Gedicht Migranten als Ratten zu bezeichnen. So aber wird sofort klar, daß das Gedicht in keiner Weise menschenverachtend ist und der „Skandal“ von A bis Z von einem grünen Politiker erfunden wurde. Näheres dazu im Interview mit Christian Schilcher in „Info-Direkt“ 28/29–2019. Das vollständige Rattengedicht finden Sie auf unserer Homepage.

Auch wenn bei Politikern wie Kurz oder dem damaligen Vizekanzler Strache Zeit ein absolut knappes Gut ist, muß man von ihnen verlangen, daß sie sich entweder eine Minute Zeit nehmen, um zu einer eigenen Meinung über einen solchen skandalisierten Text zu kommen, oder aber Berater auswählen, die ihnen in wenigen Sätzen ein richtiges Bild vermitteln. Dies ist offenbar nicht geschehen. Oder es ist doch geschehen, und Kurz hat der Versuchung nicht widerstanden, die Medienaufregung zu benutzen, um seinem Koalitionspartner zu schaden. Strache war damals noch bereit, über das ihm hingehaltene Stöckchen zu springen, im Irrglauben, damit weiteren Schaden von seiner Partei abzuwenden.

Schon bei den Identitären, einem weiteren Fake-Skandal, hat er das getan. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Eine Gruppe, die zu terroristischen Mitteln greift oder solche propagiert, muß der Rechtsstaat verbieten. Ebenso eine, die Kontakte zu terroristischen Bewegungen unterhält. Doch Gruppierungen, die das nicht tun und ihre Ziele auf friedlichem Wege verfolgen, dürfen nicht verboten werden, auch wenn die Machthaber anderer Auffassung sind. Daher wird es auch nicht zu einem Verbot der Identitären kommen. Von den Medien wurden sie aber ebenso verleumderisch wie erfolgreich als terroristisch punziert, so daß sie politisch in Zukunft kaum noch wirksam werden können. Die Angst des Establishments vor dieser neuen, betont nicht-rassistischen Jugendbewegung muß immens gewesen sein. Und die angebliche Anti-System-Partei FPÖ hat mitgespielt.

They would have been laughed out of the court

Die Fake-Skandale, von denen hier die Rede ist, haben zweierlei gemeinsam: Sie waren in so starkem Maße ein Medienphänomen, daß der Eindruck entstand, diese würden die Politiker vor sich hertreiben. In Wahrheit haben die Medien aber im Dienste eines Teils des politischen Establishments gehandelt und durchaus nicht als unabhängige Kontrollinstanz. Zum anderen wurden alle angeblichen „Beweise“ so sehr manipuliert, getürkt und an den Haaren herbeigezogen, daß sie nur mehr die englische Phrase „They would have been laughed out of the court“ ausreichend beschreibt. Doch die Lächerlichkeit der Argumentation hat ihrer Wirksamkeit keinerlei Abbruch getan. Im Gegenteil, weil die gleichen Lügen immer wieder von verschiedenen Medien wiederholt wurden, hat ihnen eine Mehrheit Glauben geschenkt.

Das hat auch HC Strache schließlich erkannt, jedenfalls hat er kurz vor dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos begonnen, eine Kurskorrektur einzuleiten. Ob dies den Ausschlag zu dessen Veröffentlichung und seinem Sturz gegeben hat?

Fake-Skandale und die Systemfrage

Selbstverständlich sind die von ihm in den kurzen, öffentlich bekanntgewordenen Ausschnitten des Videos getätigten Aussagen inakzeptabel. Die österreichische Realität haben sie aber trotzdem wiedergegeben: daß Staatsaufträge auffällig oft an „nahestehende Firmen“ gehen, ebenso wie Parteien versuchen, direkt oder indirekt (über Inserate) Einfluß auf Medien zu nehmen. Das Problem Österreichs ist nicht, daß ein Politiker einer damaligen Oppositionspartei angeblich signalisiert hat, für derlei Korruption offen zu sein; das Problem ist vielmehr, daß diese Art von Korruption unser politisches und gesellschaftliches System seit Jahrzehnten beherrscht. Und genau diese Frage wurde von den Medien bezeichnenderweise nicht aufgegriffen. Dafür stürzten sie sich auf die nächsten Fake-Skandale.

Da ging es einerseits um Straches monatliche Bezüge, wobei jeder in jeder Branche, der Außergewöhnliches leistet, auch außergewöhnlich verdient, und beschränkten sich seine Fähigkeiten darauf, mit einem Lederball geschickter umzugehen als andere. Wirtschaftsbosse, die große Unternehmen führen, verdienen Millionen, aber die Politiker, die ihnen gegenübersitzen, die oft einen Zwölf-Stunden-Tag haben und deren Entscheidungen das Leben von Millionen beeinflussen, sollen sich, so will es die Neidgenossenschaft, mit einem Bruchteil dieser Bezüge zufriedengeben. Kein Wunder, daß unsere politische Kaste im allgemeinen in so deplorablem Zustand ist. Kein Wunder, daß so viele Politiker versuchen, auf die eine oder andere (nicht ganz legale) Weise dazuzuverdienen. Zudem sollte Strache als Frontmann der FPÖ mit seiner Frau in der Öffentlichkeit stets glänzend auftreten, im ganzen Land zugegen sein und überall dutzendweise Funktionäre freihalten. Dazu diente das berüchtigte „Spesenkonto“, nicht dem persönlichen Luxus. Ob es darüber hinaus in relevantem Maße Fehlverhalten gegeben hat, ist Gegenstand von Ermittlungen. Anschuldigungen zu erheben, ist jedenfalls einfach, und Vorverurteilungen sollte es bei niemandem geben.

Und dann waren da der Fall Sidlo und die Casinos. Dabei beinhaltet Politik immer auch das Bestreben, die eigenen Leute in Führungspositionen zu bringen. In Österreich wurden und werden in allen Bereichen, auf die die Regierung Einfluß nehmen kann, leitende Positionen mit parteipolitisch sorgsam ausgewählten Kandidaten besetzt. Dazu ließe sich viel sagen, und das sollte durchaus öffentlich diskutiert werden. Doch die Medien stellten wiederum nicht die Systemfrage, sondern konzentrierten sich auf einen Fake-Skandal, mit dem Ergebnis, daß in Zukunft sicher nicht weniger Posten in Österreich nach politischen Kriterien besetzt werden, sondern nur den Blauen das Mitmischen in diesem Spiel erschwert wird.

Medien manipulieren weltweit

Medienmanipulation ist ein internationales Phänomen. Das zeigt schon der Blick nach Amerika: „Donald Trump was elected to break the elite. Of course they want to impeach him”, schrieb Scott Jennings am 6. Dezember immerhin auf CNN.com. Das Beweismaterial gegen Trump nannte er „oblatendünn“, das Impeachment-Verfahren würde daher auch nur den Demokraten schaden, weil sie dieses wie einst die Republikaner gegen Bill Clinton zu einer parteipolitischen Waffe degradiert hätten und so dem amerikanischen Wahlvolk nur zeigten, daß sie selbst nicht mehr daran glauben, Donald Trump in einer Wahl besiegen zu können.

Gewiß ist Trump nicht mein Idealbild eines Staatsmannes, und ich könnte etliche peinliche oder unwürdige Auftritte seinerseits aufzählen. Doch immerhin hat nicht er der Ukraine mit einem Einfrieren der Militärhilfe gedroht, sondern Joe Biden hat dies getan, um die Abberufung eines Staatsanwalts, der gegen seinen Sohn wegen Korruption ermittelte, zu erzwingen. 2018 hat Joe Biden jedenfalls bei einer Veranstaltung des „Council on Foreign Relations“ wörtlich geprahlt: „Ich sagte, du bekommst die Milliarde nicht […]. Ich schaute sie an und sagte: ,Ich werde in sechs Stunden abreisen. Wenn der Staatsanwalt nicht gefeuert wird, bekommt ihr kein Geld. Gut, er wurde gefeuert.›“ (Zitiert nach „Compact“ 11/2019)

Und dann ist da Nancy Pelosi. Als Sprecherin des Repräsentantenhauses ist die Demokratin immerhin die wichtigste Politikerin der USA. Wenige Stunden vor dem offiziellen Beginn des Impeachment-Verfahrens hatte sie noch einen öffentlichen Auftritt zu absolvieren, in dem sie ihren Zuhörern den Unterschied zwischen Willkürherrschaft und Diktatur auf der einen und Rechtsstaat und Demokratie auf der anderen Seite zu erklären versuchte. Daran ist sie vor laufenden Fernsehkameras völlig gescheitert und hat immer nur vom Unterschied zwischen einer Republik und einer Monarchie gestammelt. Die Engländer zum Beispiel würden aber reichlich pikiert reagieren, wenn ihnen vorgeworfen würde, in einem Unrechtsstaat und unter einer Willkürherrschaft zu leben, nur weil es sich bei Großbritannien um eine Monarchie handelt. Nancy Pelosi hat offenbar ein paar ganz grundlegende Dinge, die schon jedem Schüler klargemacht werden sollten, nicht begriffen oder kann sie nicht in Worte fassen. Sie ist, wie die Ausseer uncharmant, aber treffend sagen, „über dem Kopf auch noch blöd“.

Und damit sind wir beim Grundproblem: Daß Politiker heucheln und ihren Gegnern Dinge zum Vorwurf machen, die sie selbst tagtäglich praktizieren, ist Teil des Spiels. Es wäre die Aufgabe der Medien, sie damit nicht durchkommen zu lassen. Doch diese Aufgabe erfüllen letztere längst nicht mehr, sie stehen mit wenigen Ausnahmen auf der Seite der politischen Linken und spielen deren Spiel. Darum spießen sie mit Vorliebe die Unzulänglichkeiten der einen auf, um über die der anderen einen Mantel des Schweigens zu breiten.

Das Meinungskartell brechen

Ob in den USA, Österreich oder Deutschland: Die Medien versuchen, selbst Politik zu machen. Dabei ist jedes Mittel recht, das Messen mit zweierlei Maß, das Verdrehen oder Weglassen von Tatsachen, ja sogar glatte Lüge und bewußt falsche Behauptungen. Journalisten, die sich noch dem althergebrachten Berufsethos verpflichtet fühlen und nach bestem Wissen und Gewissen berichten, sind zur Ausnahme geworden. Ehrlichkeit und Fairneß können die Parteien der politischen Rechten von den Massenmedien bis auf weiteres nicht erwarten. Zumindest so lange nicht, bis die Mehrheit der Menschen erkannt hat, welch traurige Wahrheit die Schlagworte von der Lügenpresse und der Lückenpresse wiedergeben, und entweder alternative Medien das bisherige Meinungskartell abgelöst haben oder eine neue Generation von Journalisten gemeinsam mit den Ehrlichgebliebenen die manipulationswilligen Kader in den heutigen Mainstreammedien verdrängt haben.

Bemerkenswert ist, daß zur Zeit immer neue alternative Medien am Markt erscheinen, von denen freilich nicht allen eine dauerhafte Existenz beschieden sein wird. Jeder muß sich selbst eine Meinung bilden, wie vertrauenswürdig die einzelnen Formate sind. Abonnent der „Kronen Zeitung“ zu bleiben, ist jedenfalls für denkende Menschen zuwenig. Die „Neue Ordnung“ hat diese Medien schon mehrfach vorgestellt, neu hinzugekommen sind in Österreich u.a.:

Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung!

 
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