Archiv > Jahrgang 2018 > NO IV/2018 > Knapp & klar — Migration > Braingain statt Braindrain 

Braingain statt Braindrain

Der Weltbank-Ökonom Univ.-Prof. Dr. Robert Holzmann hat am Beispiel von Afghanistan das System einer zeitlich begrenzten Arbeitsmigration entwickelt, das sowohl dem Entsenderland wie dem Empfängerland, aber auch den Migranten selbst nützt. 

Der Grundgedanke ist einfach: Die Empfängerländer teilen einem Entsendeland mit, welche Art von Fachkräften benötigt werden, und alle Personen, die an einer befristeten Arbeitsmigration interessiert sind, müssen eine entsprechende Ausbildung machen. Damit erwerben sie eine Art von „Lottoschein“, der die Teilnahme an dem Programm ermöglicht, aber nicht garantiert. Nur ein Teil jener, die die Ausbildung machen, können tatsächlich ins Ausland gehen, der Rest bleibt zu Hause und nützt mit seinen neuerworbenen Fähigkeiten dem eigenen Land. Wenn nach ca. sechs Jahren die Arbeitsmigranten aus dem Ausland zurückkehren, bringen sie zusätzlich neue Erfahrungen und Fertigkeiten mit. Es kommt zu keinem „Braindrain“ (der Abwanderung gutausgebildeter und qualifizierter Menschen, unter der besonders afrikanische Staaten schon jetzt stark leiden), sondern zu einem Anstieg der Zahl echter Fachkräfte im eigenen Land („Braingain“). 

Der Vorteil für die Empfängerländer ist, daß sie genau jene Arbeitskräfte erhalten, die sie benötigen, und auch die Situation der Migranten verbessert sich, weil sie gutbezahlte Arbeitsplätze erhalten und ein Vielfaches an Geld in ihr Heimatland überweisen können. 

Darüber hinaus schlägt Prof. Holzmann Instrumente vor, die es bereits in Saudi-Arabien oder Kuwait gibt, wonach ein Teil des Lohnes angespart und erst im Falle einer Rückreise ausbezahlt wird. Wenn ein Migrant versuchte unterzutauchen, würde er dieses Geld verlieren.

Asyl- und Arbeitsmigration trennen

Univ.-Prof. Robert Holzmann weist darauf hin, daß die Trennung von Wirtschaftsflüchtlingen und echten Asylwerbern in der Realität sehr schwierig ist, und plädiert dafür, die Genfer Konvention sehr eng auszulegen, aber auch Arbeitsmigranten die Möglichkeit zu geben, zeitlich begrenzt oder auch permanent in einem anderen Land zu bleiben, was den illegalen Migrationsdruck deutlich reduzieren würde. Über die Frage einer permanenten Ansiedlung entscheiden im Modell von Dr. Holzmann die Empfängerstaaten selbstverständlich autonom. 

Holzmann ist sich sicher, daß dieses Konzept auch in afrikanischen Staaten anwendbar ist. Allerdings befindet sich die Umsetzung seines Modells (das in Afghanistan von der Weltbank mit Hilfe einiger Geberländer betrieben wird) erst am Anfang, und es wird noch Jahre dauern, bis die ersten Afghanen mit einer entsprechenden Ausbildung ins Ausland gehen können. 

Risiko  Bevölkerungswachstum

Die Bevölkerungsexplosion in vielen islamischen und afrikanischen Staaten ist ein wesentlicher Grund für den stark ansteigenden Migrationsdruck. Ohne die Kinderzahl zu reduzieren, werden diese keine Chance haben, ihren Entwicklungsstand zu verbessern. Holzmann verweist auf das Beispiel Sri Lankas, wo sich die Fertilitätsrate vor wenigen Jahrzehnten noch nicht von der Afrikas unterschieden hat und gegenwärtig bei durchschnittlich zwei Kindern pro Frau liegt. Es gibt also Instrumente, die auch in einer demokratischen Gesellschaft funktionieren, um das Bevölkerungswachstum einzugrenzen. 

  • Mit Univ.-Prof. Dr. Robert Holzmann hat Bernhard Tomaschitz für die  „Zur Zeit“ 36/2018 ein langes  Interview geführt, das die Grundlage dieses Artikels bildet. 

 
Neue Ordnung, ARES Verlag, A-8010 Graz, EMail: neue-ordnung@ares-verlag.com