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Butter statt Palmöl

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Wer Malaysia oder Indonesien bereist hat, kennt das Bild: Kilometer um Kilometer zieht sich die Straße durch Plantagen niedrig wachsender Palmen. Auf die beiden Länder entfällt fast 90?% der weltweiten Palmöl-Produktion. Und diese hat sich seit 2001 von 25,6 Mio. auf 60 Mio. Tonnen mehr als verdoppelt. Allein zwischen 1990 und 2005 haben die beiden südostasiatischen Staaten auf fast 5 Mio. Hektar neue Plantagen angelegt; zum großen Teil dort, wo früher Regenwälder wuchsen.
Palmöl wird nicht nur als Biokraftstoff sowie in der Produktion von Kosmetika und Reinigungsmitteln eingesetzt, sondern kommt aufgrund des butterähnlichen Geschmacks auch bei der Herstellung von Margarine, Schokolade, Karamell, Chips, Erdnußflocken und Backwaren sowie bei Fertiggerichten und Saucen zum Einsatz. 6,7 Mio. Tonnen Palmöl hat die EU im Jahr 2015 importiert, zwei Drittel davon entfielen auf die Lebensmittelindustrie. Dem steht eine EU-Buttererzeugung von 2,4 Mio. Tonnen gegenüber. Der oberösterreichische Nationalratsabgeordnete Leopold Steinbichler (Team Stronach) hält fest, daß der europäische Kuhbestand verdoppelt werden müßte, würde man das gesamte importierte Palmöl durch Butterfett ersetzen. Doch Butterfett ist mehr als dreimal so teuer wie Palmöl.
An dieser Differenz hat sich wenig verändert, seit die Milchpreise nach dem Ende der Milchquote im letzten Jahr stark gefallen sind. 2014 konnten die heimischen Bauern noch bis zu 40 Cent pro Liter Milch erlösen im Sommer 2016 waren es nur mehr 28 Cent in Österreich und oft nicht einmal mehr als 20 Cent in Norddeutschland. Selbst wenn seither die abgelieferten Milch-Mengen auch dank verschiedener EU-Programme zurückgegangen sind und die Erlöse wieder steigen, bleibt das grundsätzliche Dilemma bestehen: Die Preise werden auch im langfristigen Schnitt unter den durchschnittlichen Kosten für die Milcherzeugung bleiben, die im Alpenraum bei 35 bis 40 Cent und sogar bei den Großbetrieben in den Gunstlagen bei 30 bis 35 Cent pro Liter liegen. Der Preisverfall ist fatal, denn ein Ende der flächendeckenden Milchwirtschaft im Alpenraum würde nicht nur unsere Ernährungssicherheit in Krisensituationen gefährden und uns von Milchimporten aus Irland oder Milchpulver aus Übersee abhängig machen. Auch die offene Kulturlandschaft mit ihren Weiden, Wiesen und Almflächen würde nicht mehr weiterbestehen, großflächige Aufforstungen wären die Folge, die Attraktivität der Berggebiete für Urlauber und Ausflügler würde massiv abnehmen.
Nicht nur ökonomisch, auch ökologisch droht damit ein Gau: Kühe fressen Grünfutter von Flächen, auf denen wegen ihrer Hang- oder Höhenlage kein Ackerbau möglich ist. Die Milch von Kühen, die vor allem Gras und Heu fressen, ist für uns besonders gesund, weil ihr Anteil an Omega-3-Fettsäuren hoch ist. Außerdem ist ihre Energiebilanz deutlich positiv. Man kann messen, wie viel von auch menschlich verwertbaren Nutzpflanzen verfüttert werden müssen, um eine bestimmte Menge an tierischem Eiweiß zu produzieren. Bei getreidebasierten Rindermastsystemen, wie sie etwa in Großbritannien vorherrschen, wird nur ein Sechstel der verfütterten eßbaren Energie in Form von Fleisch wiedergewonnen. Heimische Heumilchbetriebe produzieren dagegen ein Vielfaches der eingesetzten, theoretisch verwertbaren pflanzlichen Energie in Form von tierischem Eiweiß. Selbst in der heimischen Rindermast ist die Energiebilanz noch positiv, wenn das Grünland die überwiegende Nahrung bietet und nur verhältnismäßig wenig Kraftfutter (meist in Form von Getreide-Eiweißmischungen) zugefüttert wird.
Einen Ausweg aus der existenzgefährdenden Krise der Milchbauern könnte tatsächlich in einer teilweisen Zurückdrängung des Palmölanteils in Lebensmitteln liegen, wofür sich auch die bayrische EU-Parlamentarierin Ulrike Müller einsetzt. Sie fordert die Wiedereinführung der Beihilfe für die Verwendung von Butter in Lebensmitteln, wie sie die EG im Jahr 1988 gewährt hat. Ein ähnlich gerichteter Vorstoß von Landwirtschaftsminister Rupprechter im Agrarministerrat der EU blieb allerdings erfolglos. Auch eine Anhebung der europäischen Importzölle für Palmöl von derzeit 3,8?% ist wegen des GATT-Abkommens kaum machbar. Realistischer ist da Steinbichlers Forderung nach einer Besteuerung von Palmöl, wie dies Frankreich bereits praktiziert. Mit dieser Steuer soll eine Lebensmittelkennzeichnung finanziert werden, damit in Zukunft auch der Palmölanteil von Nahrungsmitteln auf der Packung steht. Eine solche Kennzeichnung wäre auch aus gesundheitlichen Gründen nötig: Palmöl weist einen besonders hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren auf, die sich negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken. Außerdem hat es von allen Speisefetten den höchsten Gehalt an Glycidol-Fettsäureester, ein als krebserregend eingestufter Stoff. Wer Butter durch Margarine ersetzt, schadet daher seiner Gesundheit.
Die österreichische Fachzeitschrift „Landwirt“, die dem Thema in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober einen umfassenden Bericht gewidmet hat, zitiert abschließend Steinbichlers Hoffnung auf eine politische Mehrheit für seinen Vorstoß: „Wir sehen ja bei der Allergen-Verordnung, welch sinnlose Regelungen geschaffen werden können. Da wird es auch möglich sein, einmal etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.“


Eine frühere Fassung dieses Artikels erschien bereits am 15. Oktober im Netz auf dem Blog von Dr. Andreas Unterberger, www.andreas-unterberger.at

 
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