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Nur die bäuerliche Landwirtschaft sichert unser Überleben!

Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Zu Weltmarktpreisen kann in unseren Breiten kein Bauer produzieren. Nicht nur weil unsere Konsumenten, was das Tierwohl und die Lebensmittelgesundheit betrifft, andere Maßstäbe anlegen. Auch weil die Produktionsbedingungen im kleinräumigen Alpenraum andere sind als in Neuseeland oder den USA, wo riesige Flächen für die Rinderhaltung zur Verfügung stehen. Und auch weil die Urlauber bei uns keine Wellblechställe wollen, sondern landschaftstypische, „schöne“ Stallbauten, die das Auge erfreuen.

Tierwohl

Vernichtend für den Bauernstand sind da immer mehr Vorschriften, was die Tierhaltung betrifft, wenn gleichzeitig günstige Produkte aus Ländern eingeführt werden dürfen, die unter ganz anderen Umständen erzeugt werden. Das betrifft nun freilich nicht nur die Milchwirtschaft und Rinderzucht, sondern auch Schweine und Hühner, etwa hinsichtlich des Verbots der Käfighaltung oder der Auflagen für die Schweinezucht. Was nützt es, wenn bei uns der Gesetzgeber Schweinen ein möglichst artgerechtes, „schönes“ Leben sichert, aber gleichzeitig Billigfleisch aus Ländern importiert werden darf, die sich darum nicht im Geringsten kümmern, und in der Folge immer mehr heimische Schweinebauern ihre Höfe schließen müssen.
Letztlich geht es um eine Rückbesinnung auf die bodenbezogene natürliche Kreislaufwirtschaft der traditionellen Landwirtschaft. Nur hier findet Humusaufbau zum Wohle des Bodens und der Bodenfruchtbarkeit statt, der letztlich auch klimawirksam ist, weil Humus ein Kohlenstoffspeicher ersten Ranges ist. Lebensmittel aus biologisch nachhaltiger Produktion bieten einen gesellschaftlichen Mehrwert, nicht nur was die Attraktivität der Kulturlandschaft als Erholungsraum für Städter und Touristen betrifft, sondern auch in Hinblick auf Klimaschutz, Landschaftsschutz, Gewässerschutz und anderes mehr. Das EU-Agrarförderungssystem mit seinem reinen Flächenbezug ist daher eindeutig bauernfeindlich, während österreichische Fördersysteme wie das ÖPUL zumindest ansatzweise in die richtige Richtung gehen.
Einige Jahre wurde die Produktion von Energie und nachwachsenden Rohstoffen propagiert. Angesichts der stark gesunkenen Rohölpreise ist diese heute wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll. Und doch ist es so, daß in Europa dank des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts weit mehr an Lebensmitteln produziert werden können als verbraucht werden. Wie wird diese Bilanz erst aussehen, wenn die extrem fruchtbaren Schwarzerdeböden der Ukraine oder Rumäniens entsprechend genutzt werden, wo heute die Produktivität trotz der höheren Bodenfruchtbarkeit bei nur 20 % des westeuropäischen Durchschnitts liegt?!

Energiewende

Eine „Vermaisung“ der Landschaft zur Erzeugung von Biodiesel kann niemand ernsthaft wollen, ebensowenig eine Rückkehr der Tank-Teller-Problematik – höhere Kosten für Grundnahrungsmittel, weil Bauern in großem Maße Pflanzen für die Energiegewinnung anbauen. Die Produktion von Biodiesel ist ohnedies ein falscher Weg, der nur der Industrie nutzt. Dieses Produkt ist zwar mit Erdöldiesel mischbar, doch geht bei seiner Produktion ein großer Teil der in den Pflanzen steckenden Energie bereits verloren. Nach einer relativ einfachen Umrüstung können Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte auch mit einfachem Pflanzenöl – banal gesagt: Salatöl! – fahren. Die Energiebilanz ist wesentlich besser, die Kosten sind deutlich geringer, nur die Industrie verdient nichts daran.
Schon jetzt sind aber viele kleine, dezentrale „Reststoffanlagen“ sinnvoll, wo aus landwirtschaftlichen „Abfällen“, Ernterückständen, schlecht gewordenem Getreide, dem Anschnitt von Silagen, als Futtermitteln nicht verwertbaren Zwischenfrüchten wie Kleegras oder aus Gülle und Mist Biogas erzeugt werden. Kombiniert mit kleinen Windrädern auf dem Feld und Solarpanels auf den Dächern der Ställe können so Bauern ihre Wertschöpfung erheblich steigern.
 Insgesamt sollten wir aber auch darüber nachdenken, wie sinnvoll es volkswirtschaftlich ist, einen der wertvollsten Rohstoffe, den wir haben – Erdöl –, einfach zu verfeuern, anstatt dieses Produkt für vielfältige industrielle Zwecke einzusetzen. Die Energiewende, die in Deutschland (und Österreich) durch eine teils verfehlte Förderpolitik sicher nicht optimal gelaufen ist und viel Geld gekostet hat, wird sich schon in etwas mehr als einem Jahrzehnt durch den sinkenden Importbedarf an Öl und Gas deutlich rechnen. Während die Wasserkraft nahezu vollständig genutzt wird und ein weiterer Ausbau der Windenergie zu einer unerträglichen „Verspargelung“ der Landschaft führen würde, bieten Biomasse aus Land- und Forstwirtschaft, Photovoltaik, Solarthermik, im beschränktem Ausmaße auch Geothermik und der Einsatz von Wärmepumpen sowie die Nutzung industrieller Abwärme soviel Potential, daß bis 2050 nahezu eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreicht werden kann.

Versorgung in Krisenzeiten

Der Erhalt der flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich und Deutschland ist schon allein deshalb nötig, um in Krisenzeiten einer Hungersnot vorzubeugen und eine Vollversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die heutige Überproduktion verdankt sich den billigen Preisen für Erdöl und -gas, welche die weltweiten Warenströme extrem günstig werden lassen. Aber diese Rohstoffe stammen vornehmlich aus äußerst konfliktgefährdeten Weltregionen. Unsere Politik muß ein Szenario mitbedenken, in dem diese Rohstoffe nicht mehr im heutigen Ausmaß oder nur mehr zu weit höheren Preisen zur Verfügung stehen. Auch dann sollte niemand hierzulande verhungern müssen. Wenn der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft zur Zeit nur dadurch möglich ist, daß ein Teil der Feldfrüchte für erneuerbare Energien oder nachwachsende Rohstoffe verwendet werden, ist es die Aufgabe der Politik, dies zu gewährleisten, wenn sie nicht durch entsprechende Regeln die Landwirtschaft als solche ökologisch verträglicher und weniger von fossilen Energien abhängig machen möchte.

Leseempfehlung

Anita Idel, Die Kuh ist kein Klimakiller! Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können (Agrarkultur im 21. Jahrhundert), Metropolis Verlag, 5. Auflage 2014, 210 Seiten, brosch. € 18,00

Klaus Faißner, Wolfgang Löser – der Energie-Rebell. Wärme, Strom & Kraftstoff aus regionalen Quellen – für jedermann!, Stocker Verlag, 1. Auflage 2013, 159 Seiten, Hc., € 19,90

 
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