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Die drei Leben des Léon Degrelle

 Von Benedikt Kaiser, M. A.

Rexist, Soldat, Geschichtsrevisionist

Als der belgische Politiker, „Führer der wallonischen Volksgruppe“ und Frontsoldat Léon Degrelle im Dezember 1944 auf der Wiener Tagung der „Union nationaler Journalistenverbände“ die Rettung Europas vor Kapitalismus und Kommunismus beschwor und dem untergehenden Hitler-Reich zurief, es müsse eine neue soziale und politische Ordnung für den Kontinent schaffen, ohne einzelne Völker vom Aufbau auszuschließen,1 war das zweite Leben Degrelles fast beendet: das als Kämpfer an der militärischen Front und an der propagandistischen Heimatfront zugleich. Es ist indes exakt dasjenige Bild, das mit ihm allgemein verbunden wird: Degrelle, der eine Ehrung von Hitler empfängt, Degrelle umgeben von Kameraden an der Front, Degrelle verwundet nach einer Schlacht. Dabei hat dieser Degrelle, der bis heute Antifaschisten zu Aggressionen verleitet,2 auch zwei weitere Leben: das des erfolgreichsten „faschistischen“ Politikers außerhalb Italiens im Rahmen der „Rex“-Bewegung der 1930er Jahre bis zur Kapitulation Belgiens im Zweiten Weltkrieg, und ein weiteres, drittes Leben als Geschichtsrevisionist nach 1945. Besonders die Rolle Degrelles als charismatische Führungsperson der Rexisten wird in der Sekundärliteratur bis heute zugunsten seines zweiten und dritten Lebens vernachlässigt, dabei wäre sie wohl die interessanteste.

Léon Degrelle wurde 1906 als erstes von acht Kindern eines katholisch-französischen Politikers und einer deutschstämmigen Mutter in Bouillon/Wallonien geboren, zuhause und in einer Jesuitenschule, die er als elitär empfand,3 streng katholisch erzogen. Ein Umstand, den er bis ans Lebensende im spanischen Exil positiv bewertete.4 In der deutsch-französisch-belgischen Abstammung liegt zugleich die Grundlage für Degrelles spätere pro-europäische Parteinahme, die er in seiner Autobiographie als Resultat der wechselvollen Geschichte der belgischen Gebiete darstellt: „Wenn ich mich heute weder als Franzose noch als Deutscher und schon gar nicht als Belgier betrachte, sondern schlicht als Europäer, so hat das seine aus der jahrtausendealten Geschichte unseres Kontinents verständlichen Gründe.“5

Erstes Leben: katholisch-nationaler Rexismus

Nach erfolgreichem Abschluß der Schule studierte er zunächst Philosophie am Jesuiten-Kolleg in Namur. Daneben arbeitete er als Journalist für die Jugendzeitschrift Cahiers de la Jeunesse Catholique (dt. Hefte der katholischen Jugend) und wurde bereits im Alter von 20 Jahren Leiter des Verlags Éditions de Rex (aus dem lateinischen: Christus Rex – Christus der König) in seiner späteren Universitätsstadt Löwen. Im Verlag wurden überwiegend katholisch geprägte Schriften für junge Menschen ediert und publiziert. Nachdem Degrelle 1925 in den Cahiers eine Leserumfrage „Wer ist euer Lehrmeister?“ veranlaßte, in der sich 70 Prozent für den französischen Neoroyalisten Charles Maurras (1868–1952) der Action Française und dessen Symbiose aus Katholizismus und integralem Nationalismus aussprachen, wandten sich die katholisch-klerikalen Hochschulkreise gegen ihn. Die Vorstellung, daß der radikale politische Denker Maurras den Lehrmeister der katholischen Jugend Belgiens darstellen sollte, zog in der Folge gewaltige Kreise in der katholischen Welt und brachte Konflikte mit sich, die letztlich gar zur geschichtsträchtigen und folgenreichen Verurteilung der Action Française durch den Vatikan führten.6 Wohl auch aufgrund des Unmuts der lokalen Professorenriege über die allzu ostentative „maurrasianische“ Haltung fiel Degrelle durch das erste Jahresabschlußexamen und wechselte zum Studium der Rechtswissenschaften an die Universität Löwen in Flandern.7
Dort übernahm Degrelle die Führung des katholischen Studentenverbandes, wirkte im Umfeld der Katholischen Aktion und wurde 1932 von der führenden Katholischen Partei mit Wahlkampfaufgaben betraut. Er trat dabei für die Stärkung des belgisch-nationalistischen und antikommunistischen Kurses ein, konnte aber relevante Multiplikatoren nicht dafür begeistern. Aus Unzufriedenheit über diese fehlende Resonanz in der Führungsetage der Katholischen Partei, die etwa zu Gesprächen mit Sozialisten bereit war, aber keine Lösung für den fortwährenden Konflikt zwischen französischsprachigen Wallonen und der Mehrheitsbevölkerung, den vielfach sozial benachteiligten8 niederländischsprachigen (ebenfalls katholischen) Flamen, fand, begann er, sich außerhalb des Etablierten zu engagieren und wurde von der Führung der Katholischen Partei fortan gemieden und ausgegrenzt. Auch deshalb formierte er mit Weggefährten aus der katholischen Jugend innerhalb weniger Monate des Jahres 1935 eine neue katholisch-nationale Bewegung, die zunächst als „Front Populaire“ agierte, aber bald nur noch nach dem Namen des Verlags der Katholischen Aktion als „Rex-Bewegung“ bekannt war.9 Schwerpunkte der politischen Agenda waren zeithistorische Spezifika der radikalen Rechten der 30er Jahre: Abschaffung des als schwach empfundenen parlamentarischen Systems; Aufbau einer organisch-hierarchischen Gesellschaft; Abkehr von Liberalismus und Kapitalismus; Kampf dem Kommunismus; Stärkung des christlichen Bewußtseins; Förderung des Bauerntums. Hinzu kam – für das zeitgenössische Belgien auf seiten der politischen Rechten einmalig – die Absage an flämischen und wallonischen Kleinnationalismus, wie er in Flandern vom „Vlaamsch Nationaal Verband“ (VNV) und in Wallonien von den Blauhemden der „Légion Nationale“ gepflegt wurde.
Diese Programmpunkte verpackten Degrelle und seine junge Mannschaft10 auf eine innovative und stellenweise avantgardistische Art und Weise; man nahm die eigene Weltanschauung ernst, sich selbst aber nicht immer zu ernst, und so entstand ein rechtes Lebensgefühl, das von Freund und Feind aufgrund seiner virilen Anziehungskraft auf junge Menschen als „Rex-Appeal“11 bezeichnet worden ist. Die Rexisten wurden zu einer dynamischen und erneuerungswilligen Anti-Partei, die unter den Schlagwörtern „Rex vaincra!“ (dt.: Rex wird siegen!) und der antikommunistischen Überspitzung „Rex ou Moscou!“ (dt.: Rex oder Moskau!) bei der ersten Wahlteilnahme im Mai 1936 antraten. Sie erreichten 21 von annähernd 200 Parlamentssitzen (11,5?% der Stimmen oder 270.000 Wähler) und zudem acht Sitze im Senat. Sie zogen in den Wahlkämpfen gegen alles und jeden zu Felde, von den Parteien des statischen Parlamentarismus über Bankiers und Kommunisten bis hin zur „Diktatur des Superkapitalismus“ als solche.12 Impulse (und zum Teil finanzielle Subventionen) für seine Kampagnen holte sich Degrelle von Zeit zu Zeit aus Rom, wo er – geladen von den universalfaschistischen Comitati d’azione per l’universalita di Roma (CAUR)13 – dem „Rom der Cäsaren und Päpste“ sowie dem jungen, unter Mussolini regenerierten Italien huldigte, das er in seiner Aufbauarbeit als Vorbild für ein grunderneuertes Belgien sah.14
In kurzer Zeit gelang es Degrelle, der „durch Rednergabe und schriftstellerisches Talent hervorstach“15, mehr als 500.000 Belgier für sich zu begeistern und eine – übrigens konstant königstreue (der König als Integrationssymbol für die belgische Nation) – „Volksbewegung katholischen Ursprungs“ zu schaffen, wie selbst der linksliberale französisch-amerikanische Schriftsteller Jonathan Littell zugestehen muß.16 Die „katholisch, autoritär und korporativistisch“17 ausgerichtete Bewegung wuchs, adaptierte aber mehr und mehr den faschistischen Stil und trat für eine Annäherung an Hitler-Deutschland (das Degrelle noch 1934 für den „hitleristischen Terror“ kritisiert hatte18) und das faschistische Italien ein, in das der Rexistenführer mehrmals reiste. Vielleicht war es die außergewöhnliche Erfolgsserie, die Degrelle betörte und dazu verleitete, im April 1937 an einer Ersatzwahl in der Hauptstadt Brüssel gegen den Ministerpräsidenten Paul Van Zeeland anzutreten, der eine Einheitsfront aus Katholischer Partei, Liberalen und Kommunisten hinter sich wußte. Degrelle, von den Erfolgen und der Leidenschaft seiner Anhänger angespornt, forderte von Kardinal Van Roey eine Wahlempfehlung, welche die gottgläubigen Belgier zur Stimmabgabe überreden sollte. Die Empfehlung folgte sogleich, allein: sie richtete sich gegen ihn und die Wahl wurde zum Fiasko, wenngleich, wie Ernst Nolte betont, dies eine „ehrenvolle Niederlage“19 bedeutete, für die ein Bündel von Gründen anzuführen ist: Das Gros der Katholiken richtete sich nach der Empfehlung des Kardinals, die belgische Wirtschaft erholte sich sukzessive und die Kommunisten waren zu schwach, um Degrelles Warnung vor einem bolschewistischen Belgien Wirkungsmacht zu verleihen. Außerdem stellten sich weite Teile der katholischen Geistlichkeit gegen den Rexismus, was eine Radikalisierungsspirale Degrelles auslöste. Je mehr sich Klerus und loyale Laienorganisationen gegen ihn stellten, desto schärfer kritisierte er deren Würdenträger und ihre Kollaboration mit linken Strömungen; je stärker sich die Kirche daraufhin mit sozialistischer Terminologie gegen die drohende „faschistische Gefahr“ wandte, desto intensiver wurden die Bemühungen Degrelles, seine Bewegung an einem starken Italien zu orientieren, der Mittelmäßigkeit und bürgerlichen Langeweile den Kampf anzusagen und die „Revolution der Seelen“ im Zeichen einer dezidiert katholischen und nationalen, antiindividualistischen und antikapitalistischen Renaissance der Sitten und Werte einzufordern.20 Degrelles entsprechende Ausführungen waren eher an einem grundlegend neuen, heroischen und elitären Menschenbild als an der Realpolitik ausgerichtet. Sie korrelierten insofern bestmöglich mit jenen seines Kompagnons José Streel, der die belgische Spielart des Faschismus, den die Rexisten mittlerweile (nicht von vornherein!) vertraten, vor allem als „etwas spirituelles und mystisches“ bezeichnete, dessen Ziel ein „sowohl im sozialen als auch im politischen Bereich organisch handelndes Volk“ sei, als dessen größter Feind der „Bankkapitalismus oder Hyperkapitalismus“ anzusehen wäre;21 Degrelle sprach aufgrund der Kriegsforderung bürgerlicher Kreise gegen Faschismus und Nationalsozialismus zudem verächtlich von der „bellizistischen Bourgeoisie“. Ohnehin war es dieser antikapitalistische Aspekt, der bei den Rexisten gegenüber anderen Ideologemen des Faschismus – etwa dem Antikommunismus – stärker hervorgehoben wurde. Der Liberalismus galt als Grundübel, während der Kommunismus lediglich dort reüssieren könne, wo es bereits eine liberalistische Gesellschaftsordnung gebe.22
Zu dieser geistigen Vertiefung in faschistische Theorie- und Gefühlswelten kam desweiteren die demonstrative Wehrhaftigkeit der Rexisten (bzw. der „Hang zur direkten Aktion“23), die sich militant gegen antifaschistische Überfälle zur Wehr setzten, somit für weite Teile des eher bürgerlich geprägten Mittelstandes als potentielle Bürgerkriegspartei erschienen und unattraktiv wurden. Bei den Parlamentswahlen 1939 folgte die bittere Quittung für die Ausrichtung an faschistischer Theorie und Praxis: Nur noch 4,44 Prozent der Wähler entschieden sich für die rexistische Liste; 17 von 21 Abgeordneten schieden aus dem Parlament aus. Die Radikalisierung setzte sich infolgedessen fort, Degrelle übernahm nun auch nationalsozialistische und antisemitische Versatzstücke, woraufhin viele der traditionalen Katholiken seiner Bewegung auf Abstand zu ihm gingen.

Zweites Leben: Frontsoldatentum und Groß-Burgund

Als Belgien im Mai 1940 schließlich von deutschen Truppen besetzt wurde, war dies naturgemäß eine Zäsur für die radikale Rechte Belgiens, d. h. gleichermaßen Flanderns wie Walloniens. Im nordfranzösischen Abbéville wurde die verschleppte Führung des flämischen „Verbond van Dietsche Nationaalsolidaristen“ (Verdinaso; d. i. der harte Kern des VNV) und der Rexisten, mit Ausnahme Degrelles selbst, von alliierten Soldaten erschossen. Die Überbleibsel des Verdinaso gingen – im Gegensatz zur Légion Nationale – bereitwillig in die Kollaboration mit den deutschen Nationalsozialisten, ohne jedoch pandeutschen Bestrebungen („Gau Flandern“) Konzessionen zu machen. Politisch verfolgten sie primär das Ziel, innerhalb eines großgermanischen Imperiums (konzipiert als Staatenbund) souveräne Groß-Niederlande zu schaffen, die von dem aufzulösenden Belgien – und gegebenenfalls von Französisch-Flandern – die flämischen Gebiete erhalten sollte. Degrelle stellte sich den neuen Gegebenheiten und ging, nachdem seine gemeinsame Machtübernahme in Belgien mit dem Sozialistenführer Hendrik de Man aufgrund der Kriegsereignisse auf dem Balkan und im Osten unmöglich geworden waren,24 als einfacher Soldat innerhalb der „Légion Wallonie“ (wallonische Einheit in der Wehrmacht) an die Ostfront.25 Er stieg dort bis Kriegsende zum Führer der später entstehenden Waffen-SS-Division „Wallonien“ auf.
Degrelle blieb auch in seiner Zeit als Frontsoldat, dem Geiste des erklärten „politischen Soldatentums“ der Waffen-SS verschworen, stetem weltanschaulichem Ringen verpflichtet. Er nahm Abstand von der konstruktiven Vorkriegsvorstellung einer föderativen wallonisch-flämischen Umgestaltung Belgiens und erarbeitete in einer Denkschrift an NS-Ämter die Vision eines um Teile von Nordfrankreich erweiterten Belgiens namens „Großburgund“. Diese praktische Reminiszenz an das 15. Jahrhundert sollte als Drehscheibe und Begegnungsstätte der germanischen und romanischen Sphären in einer europäischen Staatengemeinschaft unter deutscher Dominanz fungieren. Im Memorandum vom 20. Oktober 1940,26 das bei der imperialistisch-aggressiven Riege um Hitler und Himmler auf taube Ohren stieß, verwies Degrelle auf die deutsche Verantwortung für Europa, den Kontinent vor Kapitalismus und Bolschewismus zu schützen, und zugleich den europäischen Völkern zu ermöglichen, die geistige Persönlichkeit und Unabhängigkeit zu wahren. Degrelle hob außerdem die Notwendigkeit hervor, die Völker durch weltanschaulich gefestigte Personen zu führen, die aus dem betreffenden Volk selbst stammten. Deutsche Besatzungskader sollten nur im äußersten Notfall, also dann, wenn keine einheimischen Partner bereitstünden, eingreifen.27 Die tatsächlichen Verhältnisse nationalsozialistischer Besatzungspolitik sind dem Leser bekannt; nicht zuletzt aufgrund dieser desaströsen Politik und der fehlenden Konzeptionen für eine Zukunft nach dem Kriege wurde der antifaschistische Furor in Belgien (und anderswo) genährt. Hunderte Rexisten fielen Anschlägen zum Opfer, das innenpolitische Klima nahm Bürgerkriegszustände an und als Degrelle im Juli 1943 – die Rex-Bewegung hatte noch 40.000 Mitglieder – an einem gewöhnlichen Sonntag die Kommunion empfangen wollte, der lokale Priester sich aber weigerte, ihn zuzulassen, war das Ziel der Antirexisten erreicht: Degrelle ließ sich reizen, warf den Priester aus der Kirche und wurde infolgedessen vom belgischen Klerus exkommuniziert.28
Ein anderer belgischer Eurorechter, der Publizist und Freund Degrelles, Pierre Daye (1892–1960, bis 1939 Fraktionsvorsitzender der Rexisten im Brüsseler Parlament), wagte einen weiteren Vorstoß in die pro-europäische Richtung. 1942 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel L’Europe aux Européens, das gerade so, und zur Verblüffung vieler, die Zensur passierte.29 In diesem Werk ruft Daye das Deutsche Reich dazu auf, das „historische Werk Paneuropa“ auf der Basis föderaler Gliederung zu realisieren, eine geistige Annäherung zu vollziehen und wirtschaftspolitisch ein übernationales Imperium namens „Eurafrique“, also „Eurafrika“, zu schaffen. In diesem Punkt traf er sich – notabene – mit Sir Oswald Mosley (1896–1980), dem Führer der britischen Faschisten, der dieses Modell ebenfalls als idealen suprakontinentalen Machtblock empfand,30 ferner mit dem Theoretiker des „Deutschen Sozialismus“ Otto Straßer (1897–1974).
Degrelles Bild von Belgien bzw. Großburgund im Zweiten Weltkrieg ist inkohärent und stetigen Schwankungen unterworfen; eine Konstante ist lediglich die Schaffung des Interessensausgleichs zwischen Flamen und Wallonen, während die äußere Form staatlicher Organisation einerseits zwischen Belgien und Großburgund mäandert, andererseits mal mit der Annexion französischer Gebiete und mal ohne sie jongliert. Festzuhalten ist ebenfalls, daß der Burgund-Gedanke eher eine persönliche Marotte Degrelles denn rexistisches Allgemeingut war; ins Programm der Rex-Bewegung wurde derlei Phantasterei zu keinem Zeitpunkt aufgenommen, wohingegen die anzustrebende „Union europäischer Nationalismen“ als Konsens betrachtet werden dürfte (Degrelle sprach vom nationalisme occidental).
Um von Himmler weitere Zugeständnisse zu erhalten,31 entfernte sich Degrelle um 1943 herum wieder von seiner 1940 geäußerten Position, ein souveränes Belgien erhalten zu wollen: Im Januar 1943 glaubt er bei einer Rede im Brüsseler „Palais des Sports“ Konzessionen an ein kommendes „Pangermanien“ machen zu müssen. „Seine“ Wallonen, eine ethnologisch gesehen romanische Volksgruppe, erklärte er ex cathedra zu „Germanen“, um dem dogmatischen Germanenfetisch der SS-Führung Genüge zu tun, obwohl in den späten 30er Jahren noch eine an Charles Maurras orientierte Betonung der latinité zur Geisteshaltung des Rexismus zählte. Unabhängig davon, ob dieser Übergang vom romanischen zum germanischen Gedanken als taktische Raffinesse vor der Himmler-Entourage zu werten ist oder als neue Überzeugung; das verheerende Resultat war der Zerfall des Rexismus als eigenständiger Bewegung infolge des Abrückens ihrer – neben Degrelle – wichtigsten Persönlichkeiten. José Streel (1911–1946), einflußreicher Journalist des Rexisten-Blattes Le Pays Réel und Chefideologe des Rexismus, zog sich ebenso vom Leitungsgremium „Conseil Politique de Rex“ zurück wie Raymond de Becker (1912–1969) und Pierre de Ligne von der Zeitung Le Soir. Letzterer begründete seinen Rückzug aus dem offiziellen Rexismus mit jedweder Ablehnung annexionistischer Lösungen für sein Vaterland.32 Die von Stanley Payne in der Wortwahl polemisch, aber in der Sache zutreffend konstatierte „Nazifizierung“33 der Rex-Bewegung im Zuge des Zweiten Weltkrieges, sorgte demzufolge für das Ausscheiden der meisten genuin rexistischen Theoretiker und Politiker; zurück blieben der als chef bezeichnete Degrelle und seine Soldaten, die ihn speziell aufgrund seiner Fronteinsätze bewunderten: Degrelle wurde mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen, dem Ritterkreuz und dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet und erhielt vor Kriegsende den Rang eines Standartenführers der Waffen-SS.
Nicht nur Himmler mag es verwundert haben, daß Degrelle ein Jahr später, 1944, plötzlich von seinem Zugeständnis an Pangermanien abwich und wiederum ein großburgundisches Reich forderte, bevor er gar von einem „westgermanischen Reich“ unter Einschluß Frankreichs träumte. Ob und inwiefern Degrelles Phantasien einer ihm obliegenden Neuordnung des europäischen Westens ernstgenommen wurden, ist schwer zu sagen. Jedenfalls verließ Degrelle spätestens 1941/42 den Boden realer (geo-)politischer Theorie. Der in der französischen Rechten einflußreiche Journalist Pierre-Antoine Cousteau (1906–1958) nannte die Vorstellungen Degrelles schlicht „irritierend“ und teilt den Lesern des faschistischen Blattes Je suis partout mit, daß derartige Marotten nicht allzu ernst zu nehmen wären. Doch bleibe Degrelle trotz seiner Utopie, die immerhin vor allem zu Lasten Frankreichs gehen würde, ein Kamerad, der „den gleichen faschistischen Kampf“ führe.34 Bereits drei Jahre vorher hielt der intellektuelle Vordenker des „Eurofaschismus“ Pierre Drieu la Rochelle (1893–1945) in seinem Tagebuch fest, daß zwischen Degrelle und ihm schlichtweg keine Gemeinsamkeiten bestünden.35
Das schwierige Verhältnis Degrelles zu französischen Faschisten hatte viele Ursachen, von denen einige bereits angeführt wurden. Degrelle wollte gegen sein schlechtes Standing bei seinen Nachbarn ankämpfen und hielt im März 1944 eine vielbeachtete Rede vor französischen Rechtsgruppierungen in Paris. Er verzichtete auf jedwede Gebietsavancen, die die versammelten Kader hätten verärgern können, und hielt ein Plädoyer für ein vereinigtes Junges Europa unter faschistischen Auspizien, in der überholte nationale Streitigkeiten überwunden werden müßten. Erst mit diesem Auftritt vor Jacques Doriot (1898–1945), Marcel Déat (1894–1955), Joseph Darnand (1897–1945) und zahlreichen weiteren Granden der französischen Kollaboration konnten schwelende Spannungen – temporär – eingehegt werden, nicht zuletzt deshalb, weil die um ihre nördlichen Departements besorgten Franzosen unmittelbar von der deutschen Propaganda-Ikone Degrelle versichert bekamen, daß der gemeinsam geführte europäische Kampf den alten Konflikt um Grenzziehungen überflüssig machte.36
Bei allen Schwankungen blieb indes immer eines im Fokus des jungen „Volksführers“: Belgien, wie konkret es künftig auch aussehen mochte, sollte im „Neuen Europa“ eine starke Position inne haben. Auch deswegen kämpften Degrelles Freiwillige leidenschaftlich bis zuletzt an der Ostfront. Nur wer viel leistete im Kampf gegen den Bolschewismus, so das Verständnis der Männer um Degrelle (und um Doriot usw.), könnte in der Nachkriegsordnung auf einen würdigen und angemessenen Platz hoffen. Degrelle, der bis an sein Lebensende an Hitler festhielt, was auch umgekehrt zutraf,37 gab zwar die verzweifelte Hoffnung, die eigentlich – im Lichte heutiger Erkenntnis – längst nur mehr eine Illusion war, bis 1945 nicht auf, daß der deutsche Diktator oder sein näheres Umfeld (nicht nur nachgeordnete Stellen um Werner Daitz und Alexander Dolezalek) ein europapolitisches Konzept akzeptieren würden, das die Souveränität der einzelnen Völker sichern und ihnen weitläufige Freiheiten zugestehen würde. Er rief aber beim eingangs erwähnten Wiener Kongreß der europäischen Presse den Deutschen abschließend verzweifelt zu: „Sagt uns, wofür wir kämpfen, nicht immer nur, wogegen wir kämpfen. Nach dem Krieg muß Europa ein eindeutiges Ziel haben. Welches ist es?“38

Drittes Leben: Revisionismus in Spanien

Es gab kein solches Ziel, jedenfalls kein gesamteuropäisches, allenfalls ein pangermanisch-imperialistisches. Das aufgrund des nationalchauvinistischen und rassenbiologistischen Primats konsequente Fehlen eines positiven Europabildes mit sinnstiftender Wirkung war einer der wesentlichen Gründe für den Kriegsausgang; bitter mußten ihn „Europas verratene Söhne“ (H. W. Neulen), d. h. die Freiwilligen von Frankreich bis Rußland, bezahlen. Auch das Gros der belgischen (wallonischen wie flämischen) Soldaten an deutscher Seite war gefallen, schwerverwundet oder in Gefangenschaft. In der Heimat wurden die Kollaborateure nun offen als Landesverräter zur Schau gestellt, mißhandelt und ermordet. Selbst die Mutter Degrelles, eine alte Dame, deren „Schuld“ die Geburt ihres Sohnes Léon gewesen ist, wurde von antifaschistischen Banden umgebracht. Degrelle selbst konnte auf spektakuläre Art und Weise entkommen und entging so seinem wenig später erfolgten Todesurteil in Belgien; er verließ wenige Tage vor der deutschen militärischen Kapitulation die Schar seiner Getreuen bei Lübeck, setzte nach Norwegen über und bestieg ein Langstreckenflugzeug mit dem Ziel Spanien.
Im konservativ-autoritären Franco-Staat konnte er in einer noblen Residenz bei Malaga sein „drittes Leben“ beginnen: dasjenige als geschichtsrevisionistischer Autor. Bereits 1949 erschien sein Ostfrontbericht La campagne de Russie (dt. als Die verlorene Legion, 1952), es folgten fast ein Dutzend weiterer Schriften, von denen einige wenige auch auf deutsch vorliegen.39 Zentrale Themen sind immer wieder die Kämpfe an der Ostfront, die Betonung des europäischen Bewußtseins der Freiwilligenverbände in Wehrmacht und Waffen-SS sowie die Darstellung des Ersten und Zweiten Weltkriegs aus einer Richtung, die den Narrativen der offiziösen Geschichtsschreibung eine diametral entgegengesetzte Wendung gibt. Man kann durchaus ohne Polemik zu der Feststellung kommen, daß er dies nicht besonders originell leistet, seine Schriften bewegen sich grosso modo im Rahmen des gängigen rechten Abarbeitens an der linken und liberalen (also: der etablierten) Historikerzunft, hinzu treten entsprechende persönliche Erfahrungen und Erlebnisse. Deshalb ist – zumindest in diesem Punkt – Jonathan Littell recht zu geben, wenn er schreibt, daß „für Degrelle die Zeit 1945 buchstäblich stehen geblieben ist“.40
Aus diesem Grund werden die fast 50 Jahre (!) Spanien-Aufenthalt hier auch derart gestrafft präsentiert: Nur wenig entwickelte sich in Degrelles Gedankenwelt fort, mit Ausnahme der Zuneigung zu jener Person, die er vor dem Zweiten Weltkrieg noch kritisch beobachtet hatte. Hans Werner Neulen, der Historiograph des Eurofaschismus und europäischer Bestrebungen im Machtbereich des Dritten Reichs, liegt daher ebenfalls richtig, wenn er feststellt, „daß Degrelle mit zunehmenden Alter in seinen Nachkriegspublikationen eine immer extremer werdende Hitler-freundliche Position bezogen hat“.41 Beide Sachverhalte – Degrelles Zeitrechnung bleibt mit dem 8. Mai 1945 stehen und Hitler wird rehabilitiert – führten dazu, daß Degrelle seinen an der Front erkämpften Kultstatus bei Weltkriegsveteranen beibehielt respektive verstärkte und insbesondere in Spanien und den frankophonen Ländern eine kleine, aber besonders treue Leserschar fand, zu der auch Otto Skorzeny (1908–1975) und andere Exilanten sowie Besucher aus ganz Europa zählten. Degrelles Habitus, der von Freund und Feind konstatierte Esprit de jeunesse, den er bis an sein Lebensende Mitte der 1990er Jahre kultivierte, und sein damit verbundener Ruf als „Schöner Léon“ verstärkten diese zentrale Rolle Degrelles für eher „altrechts“-nostalgisch ausgerichtete Kreise ungemein.
Wenn man also Degrelle für die europäische Gegenwart im Sinne einer Neurezeption reaktivieren möchte, und sei es nur partiell, wie Philip Stein in einem Beitrag für die Neue Ordnung zur Diskussion stellt,42 wäre es gerade der verhältnismäßig unbekannte Bewegungs-Degrelle, d. h. der Autor der Révolution des Âmes, die Persönlichkeit vor Kollaboration und Ostfront, vor der nationalsozialistischen Wende. Etwas, das aufschlußreiches Anschauungsmaterial verhieße, wäre die dynamische Verknüpfung katholischen, sozialen und nationalen Gedankenguts mit der geradezu mythischen „Rex Appeal“-Wirkung auf die Jugend bei proeuropäischer Ausrichtung; sein Rechtfertigungswerk böte hingegen keinen ideellen Mehrwert. Denn gerade im Bereich der politischen Theorie stagnierte Degrelle nach Beginn des Waffenganges. Im Zweiten Weltkrieg träumte er seine „burgundische Idee“,43 nach der „Götterdämmerung“ 1945 (Marc Augier) arbeitete er sich an den nun Legion gewordenen historischen Themen der radikalen Rechten ab.
Allerdings ist es augenfällig, daß schon vorher, in der Hochphase des Rexismus Mitte der 1930er Jahre, theoretische Impulse nicht ausschließlich vom charismatischen Degrelle als vielmehr von anderen wichtigen Führungsaktivisten kamen: von José Streel, Pierre Daye, Raymond de Becker und Victor Matthys (1914–1947). Es spricht nicht unbedingt für die europäische Rechte in ihrer Gesamtheit, daß beispielsweise Hitlers Bonmot über den Wunschsohn Degrelle hinlänglich bekannt ist und die Nachkriegspublikationen Degrelles auch 2015 noch gelesen werden, diese vier Namen und ihre Ansichten hingegen kaum bekannt sind. Dabei waren sie es ebenfalls, die bis in den Weltkrieg hinein die für den Rexismus essentiellen Ingredienzien publizistisch bekannt machten. Indes: Keines ihrer Werke wurde ins Deutsche übersetzt. Und nach 1945 war es in Belgien gerade kein ehemaliger Rexist, der versuchte, eine zeitgemäße Weltanschauung für eine dezidiert paneuropäische Bewegung zu erarbeiten, sondern mit Jean Thiriart (1922–1992)44 ein vormaliges Mitglied der „Légion Nationale“, also ausgerechnet des wallonischen Gegenspielers der Rex-Bewegung innerhalb der belgischen radikalen Rechten. Der vor allem an Fichte, Pareto und Lenin geschulte, ursprünglich aus der sozialistischen Linken stammende Optiker kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Fallschirmjäger auf deutscher Seite,45 betonte aber – Degrelle zuwiderlaufend – frühzeitig die Notwendigkeit, sich weltanschaulich fundamental neu auszurichten. Nicht Weltkriegserfahrung und Frontromantik prägten in der Folge sein Werk: Sein Ruf als unkonventioneller Theoretiker der revolutionären europäischen (Neuen) Rechten wurde vielmehr durch geopolitische und geostrategische Reflexionen begründet. Essentiell für ihn war dabei der – in der Nachkriegsrechten keinesfalls umstandslos voraussetzbare – Grundsatz, daß die Welt nach 1945 eine gänzlich andere wurde und daß es politik- wie lebensfeindlich wäre, sich in Illusionen und nostalgischen Erinnerungen behaglich einzurichten. Rund um die Bewegung „Jeune Europe“ („Junges Europa“) versammelte Thiriart in Belgien, Frankreich und Italien in den sechziger Jahren junge Aktivisten und Intellektuelle, die sich dem Ideal der „Nation Europa“ – später: Eurasien – verschrieben hatten. Allein: Seine stark leninistisch und jakobinisch beeinflußte nationalrevolutionäre Europaidee war dem Wesen nach zu rationalistisch ausgerichtet; dies ließ weder zu, mythische und kulturelle Erscheinungen in ihrer Bedeutung für Völker und Nationen richtig einzuordnen, noch die „Macht des Glaubens“ (Otto Straßer) zu bedenken. Thiriart beging demzufolge den exakt entgegengesetzten Fehler Degrelles: Während dieser beispielsweise den „Mythos Burgund“ nicht als das verstehen wollte, was er letzten Endes war: eine bloße intellektuelle Spielerei, begriff Thiriart nicht die unverzichtbare mobilisierende Kraft von Mythen für politische Bewegungen im Sinne der Arbeiten Georges Sorel (1847–1922).
Beide hier angeführte Akteure der belgischen und europäischen Rechten – Léon Degrelle und Jean Thiriart – sind daher auf ihre spezifische Art und Weise repräsentative Beispiele für die Tragik des Scheiterns der politischen Rechten des „kurzen 20. Jahrhunderts“ (Eric Hobsbawm). Degrelle mit seinen „drei Leben“ ist freilich das bekanntere – wobei auch hier die notorische Theoriefeindlichkeit konservativer wie nationaler Kreise eine gewisse Rolle spielen mag.

Anmerkungen

1?Vgl. Post, Walter: Hitlers Europa. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1940–1945, Stegen am Ammersee 2011, S. 393 f.
2?Vgl. eine entsprechende Dokumentation in den Cahiers du Nationalisme (Bd. 1, hrsg. v. Christophe Georgy), Léon Degrelle: Documents et témoignages, Paris 2014, S. 12–16.
3?Vgl. Degrelle, Léon: Denn der Haß stirbt … Erinnerungen eines Europäers, München 1992, S. 198.
4?„Ich stamme aus einer zutiefst christlichen Familie. Wir sind gläubig bis ins Mark. Das ewig Göttliche ist mir von kleinauf vertraut. Es bildet den Hintergrund meines ganzen Daseins. Das Irdische ist nur seine Ergänzung. […] Ich bin ganz und gar von Gott durchdrungen. Er lebt in mir. […]“; ebd., S. 256.
5?Ebd., S. 257.
6?Viele der romtreuen französischen Katholiken entzogen der AF und ihren Organen nach der Exkommunizierung Maurras’ das Vertrauen und versagten ihr weitere Unterstützung.
7?Vgl. Degrelle: Denn der Haß stirbt, S. 263 f.
8?Gemäß seiner – naturgemäß subjektiven und dementsprechend zu lesenden – Autobiographie nahm er diese Kluft frühzeitig bei ausgiebigen Reisen durch Belgien wahr und schwor sich, für soziale Gerechtigkeit für Flamen und Wallonen zu kämpfen. Damit hob er sich bereits in jungen Jahren von chauvinistischen Strömungen in beiden Landesteilen ab und stellte sich gegen beide innerbelgischen Separat-Nationalismen.
9?Vgl. Wippermann, Wolfgang: Europäischer Faschismus im Vergleich 1922–1982, Frankfurt/Main 1983, S. 149.
10?Robert Gruner, der in einer beispielhaften Fleißarbeit die westeuropäische radikale Rechte im Hinblick auf ihre Europa-Ideen untersuchte, nennt die Rexisten selbst im Vergleich zu anderen faschistischen Gruppierungen Europas eine „extrem junge Bewegung“, deren Führungsriege in den 1930ern zwischen 25 und 30 Jahre alt war. Vgl. Der Europagedanke westeuropäischer faschistischer Bewegungen 1940–1945, Paderborn 2012, S. 38, EN 75.
11?Vgl. bspw. Griffiths, Richard: Fascism, London 2005, S. 119; zeitgenössisch-affirmativ steht der „Rex Appeal“ im Fokus bei Brasillach, Robert: Léon Degrelle et l’avenir de Rex, Paris 1936.
12?Vgl. Neulen, Hans Werner: Eurofaschismus und der Zweite Weltkrieg. Europas verratene Söhne, München 1980, S. 70.
13?Weiterführend zu CAUR und vergleichbaren Aktivitäten: Kaiser, Benedikt: Faschismus universal. Aus Italien in die Welt?, in: Neue Ordnung 2/14, S. 29–35.
14?Vgl. Ledeen, Michael A.: Universal Fascism. The Theory and Practice of the Fascist International, 1928–1936, New York 1972, S. 112.
15?Nolte, Ernst: Die faschistischen Bewegungen. Die Krise des liberalen Systems und die Entwicklung der Faschismen, 7. Aufl., München 1979, S. 274.
16?Jonathan Littell: Das Trockene und das Feuchte. Ein kurzer Einfall in faschistisches Gelände, Berlin 2009, S. 10. Im übrigen eine weitgehend erkenntnisfreie Arbeit Littells, die – am Freudomarxisten Klaus Theweleit orientiert – versucht, Degrelles Leben psychoanalytisch zu deuten.
17?Payne, Stanley: Geschichte des Faschismus: Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung, Wien 2006, S. 369.
18?Grunert, Robert: Der Europagedanke, S. 33. Degrelle warf Hitler vor, soziale, nationale und moralische Errungenschaften durch Konzentrationslager und Willkürherrschaft aufzuheben.
19?Nolte, Die faschistischen Bewegungen, S. 275.
20?Vgl. die 180seitige programmatische Schrift Degrelles Révolution des Âmes, Paris 1938. Zentrale These: Echte Revolutionen erfolgen nicht auf politischem oder ökonomischem Terrain, sondern im Bereich des Seelenlebens der Menschen. Bezeichnenderweise wurde diese wichtige Schrift – anders als etwa die späteren Kriegsdeutungen Degrelles – nie ins deutsche übertragen.
21?Zit. n. Sternhell, Zeev: Faschistische Ideologie. Eine Einführung, Berlin 2002, S. 64, 79 und 94.
22?Vgl. Grunert, Robert: Der Europagedanke, S. 37.
23?Payne, Geschichte des Faschismus, S. 369.
24?Degrelle betont in seiner Autobiographie die bedeutende Erfolgsaussicht einer rexistisch-sozialistischen Vereinigung in Belgien. Tatsächlich hatte aber vor allem Hendrik de Man keinerlei Reputation bei den Nationalsozialisten, da der nichtmarxistische Sozialist eine europäische Union mit einheitlicher Außen-, Wehr-, Zoll- und Handelspolitik forderte – ein diametraler Gegensatz zu der klassisch imperialistisch-hegemonialen Außenpolitik Hitlers. Eine Machtübertragung auf Degrelle wäre dessenungeachtet im Bereich des Möglichen gelegen, zumal Adolf Hitler und Joseph Goebbels bereits Jahre vor dem Krieg ein Auge auf den jungen Rexisten-Führer geworfen hatten, dem 1940 nach wie vor – anders als einem Vidkun Quisling in Norwegen – Sympathien von Teilen des Volkes entgegenbracht wurden.
25?Neben Jacques Doriot (Parti Populaire Français, PPF) war Degrelle somit der einzige Führer einer faschistischen Bewegung, der aktiv in das Kriegsgeschehen an der Ostfront eingriff.
26?Aussagekräftige Auszüge bei: Neulen, Hans Werner: Europa und das 3. Reich. Einigungsbestrebungen im deutschen Machtbereich 1939–45, München 1987, S. 296–298.
27?Vgl. ebd., S. 298.
28?Vgl. Neulen, Hans Werner: An deutscher Seite. Internationale Freiwillige von Wehrmacht und Waffen-SS, München 1985, S. 85.
29?Vgl. Neulen, Europa und das 3. Reich, S. 294. Deutschsprachige Auszüge des Europa-Buches von Pierre Daye: Ebd., S. 299–301.
30?Zu Mosley und den Besonderheiten der britischen Faschismen, vgl. die Studie Phänomen Inselfaschismus, Kiel 2013.
31?Bis dahin gelang es Degrelle u. a., die katholischen Priester bei den wallonischen Freiwilligen zu behalten und die interne Befehlskette rein wallonisch, d. h. ohne deutsche Zwischenstellen, zu belassen.
32?Vgl. Neulen, Europa und das 3. Reich, S. 292 f.
33?Payne, Geschichte d. Faschismus, S. 521.
34?Cousteau, Pierre-Antoine: Vers les pays baltes libérés de la terreur rouge, in: Je suis partout vom 2. Juli 1943, wiederabgedruckt in: Philippe d’Hugues (Hrsg.): Je suis partout – Anthologie (1932–1944), Toulouse 2012, S. 498–512, hier S. 508.
35?Vgl. Drieu la Rochelle, Pierre: Journal 1939–1945, Paris 1992, Eintrag vom 20. Juni 1940, S. 239–241, hier: 240.
36?Vgl. Grunert, Robert: Der Europagedanke, S. 213–215.
37?Häufig zitiert wird Hitlers Degrelle-Lob: „Wenn ich einen Sohn hätte, wünschte ich mir, daß er so wäre wie Sie.“
38?Zit. n. Neulen, Eurofaschismus, S. 144.
39?Die bereits zitierte Autobiographie Denn der Haß stirbt …, weiter; ferner: Hitler: geboren in Versailles, Tübingen 1993; Verschwörung der Kriegstreiber 1914, Stegen 2009.
40?Littell, Das Trockene und das Feuchte, S. 112.
41?Neulen, Europa und das 3. Reich, S. 430, Endnote 9.
42?Vgl. Stein, Philip: Der Nationalstaat ist tot: Es lebe Europa!, in: Neue Ordnung 2/2014, S. 3 und 8 f. – Dieser Artikel löste eine Debatte aus, die in den folgenden drei Ausgaben der Neuen Ordnung geführt wurde (3/2014, 4/2014, 1/2015).
43?Karlheinz Weißmann geht dem „Mythos Burgund“ in einer Festschrift für Alain de Benoist kundig nach und untersucht seine Bedeutung in der politischen Rechten Belgiens der 1930er und 1940er Jahre; aus dem deutschsprachigen Raum thematisiert er u. a. Max Hildebert Böhm (Ewiges Burgund, 1944). Vgl. Weißmann, Karlheinz: L’idée bourguignonne, in: Liber amicorum Alain de Benoist, Bd. 2, Paris 2013, S. 361–366.
44?Für eine erste Annäherung an Thiriarts Leben und Werk empfiehlt sich die Einführung eines seiner Schüler, vgl. Terracciano, Carlo: Jean Thiriart – Prophet und Streiter, in: ders. Revolte gegen die moderne Weltordnung, 2. Aufl., Kiel 2013, S. 123–141. Unverzichtbar für die Geschichte der paneuropäischen Rechten im 20. Jahrhundert: Thiriart, Jean: Eine Weltmacht von 400 Millionen Menschen – Europa. Die Geburt der europäischen Nation durch eine gesamteuropäische Partei, Brüssel 1964; ders. mit dem provokanten Titel: Das vierte Reich – Europa, Brüssel 1966.
45?Die meisten Aktivisten der Légion stellten sich allerdings mehrheitlich gegen eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich.

 
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